Graue Augen

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Lina:

„Könnten Sie bitte mir nochmal die Tür aufschließen? Ich hab mein Portemonnaie vergessen". Er blickt mich wortlos und unerklärlich fasziniert an, macht aber keine Anstalt mir zu antworten. Er schaut mir einfach nur in die Augen und ich tue es ihm gleich. Seine sind wunderschön grau und werden von innen nach außen dunkler. Sie wirken auf mich unendlich geheimnisvoll, als ob sich dahinter etwas verbirgt. Nach einigen Sekunden wende ich mich allerdings ab, da es mir unangenehm ist ihn so anzustarren. Mein Gott was tue ich hier gerade? Er ist mein Lehrer! „Ähm was?", stottert er leicht und schließt die Augen kurz als müsste er erst realisieren, dass er noch vor mir steht. Ich muss augenblicklich lächeln. „Ich wollte nochmal in die Klasse wegen meines Portemonnaies und wollte fragen ob Sie mir nochmal aufschließen?", frage ich nun mit leichter Belustigung. „Oh! Ja klar", antwortet er leicht rot im Gesicht und dreht den Schlüssel im Schloss um. „Entschuldige. Ich bin ohne Kaffee auch nicht so auf der Höhe", erwidert er als ich zu meinem Platz gehe. Auch? „Wieso denn auch?", gebe ich leicht verwirrt von mir und gucke über die Tische hinweg zu ihm rüber. Er lehnt lässig mit verschränkten Armen am Pult und schaut mir dabei zu wie ich meine Tasche durch krame „Antonia hat mit erklärt, dass du ohne Kaffee zu nichts zu gebrauchen bist", antwortet er und ein schiefes Lächeln schleicht sich auf sein Gesicht. Oh je! Ist das peinlich. Ich merke wie mir warm wird und drehe ihm den Rücken zu. „Oh Entschuldigung", gebe ich leise von mir. Jetzt beginnt er so herzhaft zu lachen wie in der ersten Stunde. „Kein Problem, wirklich. Ich kenne es selber nur zu gut", gibt er mit beruhigender Stimme zu was mein Herz allerdings nur noch schneller schlagen lässt als eh schon durch sein tiefes raues Lachen. „Danke Herr Heck. Jetzt kann ich mir noch einen Kaffee holen. Sie sind mein Retter", lache ich mit deutlich mehr Selbstvertrauen durch die winzige Gemeinsamkeit mit Herr heiß Heck während wir die Klasse verlassen. „Kein Thema, immer wieder gerne". Er sagt es liebevoller als vermutlich beabsichtigt, guckt mir in die Augen und lächelt verschmitzt. Passiert das gerade wirklich? Wir stehen bestimmt 15 Sekunden so im Gang und schauen uns ohne ein Wort zu sagen in die Augen. Es ist aber keine unangenehme Stille oder ein unangenehmes Starren. Es wirkt ein fast schon vertraut obwohl wir uns gar nicht kennen. Seine Auge ziehen mich derart in den Bann, das ich das Gefühl habe, dass mein Kopf mit Luft gefüllt wurde. Ich vergesse komplett wer er eigentlich ist und wo wir uns befinden. Nichts um mich herum existiert außer diese wunderschön mysteriösen grauen Augen. „OK! Ähm... ich lass dich dann mal in die Pause gehen", bricht er die Stille und entfernt sich einen guten Schritt von mir sodass unser Moment beendet wird. Warte mal... unser Moment? Spinne ich jetzt? Er ist mein Lehrer und ich seine Schülerin. Oh Gott wie unangenehm. Er muss denken ich würde mich an ihn ranschmeißen so wie alle anderen Mädels aus meiner Klasse und wahrscheinlich auch vom Rest der Schule. Sie fangen förmlich an zu sabbern sobald sie ihn sehen. Was für eine Katastrophe. Wieso musste ich ihm auch so in seine Augen starren. Bin ich vollkommen bescheuert? „Ja genau. Ihnen auch eine schöne Pause oder so", stammle ich von mir her bevor ich sehr zügig in Richtung Treppenhaus gehe. Warum kommt nur, zu allem Überfluss auch noch so eine gequirlte Scheiße aus meinem Mund? Ich schiebe es einfach auf den fehlenden Kaffee und mache mich auf zu meinen Freunden in den Kiosk. Bloß nicht weiter den Kopf darüber zerbrechen!

Der Tag verging im Nachhinein betrachtet schneller als gedacht, da wir nur noch eine Stunde Mathe hatten und danach Vertretung ohne Lehrkraft. Als es gongt stürmen wir schon regelrecht aus dem Raum, als ob wir Angst hätten das sich die Lehrer die Freistunden nochmal überlegen.
„Hey Lin, kommst du noch mit in die Stadt was essen?", wendet sich Kik voller Hoffnung auf eine Zusage an mich. Das weiß ich daher weil sie sich dann immer die Hände festhält und den Blickkontakt hält um meine Reaktion abzuwarten. Die anderen Mädchen schauen mich an und warten ebenfalls auf eine Antwort. „Nein, ich gehe rüber zu Nico. Der hat jetzt bald aus und dann möchte ich mich verabschieden, da er ja gleich schon abgeholt wird."
Mit vielen verständnisvollen Nicken und einem OK trennen sich unsere Wege. Ich mache mich auf den Weg zum Grundschulausgang in der Nähe des Lehrerparkplatzes und warte dort auf Nico. Damit ich die Zeit überbrücken kann stecke ich mir die Kopfhörer in die Ohren und höre laut meine zusammengestellte Playlist. Musik ist einfach nur bae. Sie heitert immer auf oder untermauert einfach nur die Stimmung, die man verspürt. Urplötzlich merke ich eine Hand auf meiner Schulter sodass ich mich erschrocken umdrehe und ich tiefe graue Augen blicke, welche mir belustigt entgegen scheinen.

Why you ? {Warum du?}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt