Hochzeit (2)

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Die Person auf die mein Körper wie immer ohne mein zu tun reagiert stellt sich neben Clara und schaut zunächst durch die Runde die sich um uns gebildet hat. Sein Blick schweift locker umher bis er auf meinem ruhen bleibt. Seine grauen Augen weiten sich, seine ungezwungene Körperhaltung sowie sein kleines Lächeln verschwinden und versteifen sich in dem Moment indem seine Augen realisieren wer vor ihm steht. Stephan! Er trägt genauso wie mein Bruder einen schwarzen Armani Anzug mit weißem Hemd und schwarzer Krawatte, doch bei ihm sieht es einfach 1000 mal besser aus. Der Anzug ist wie für ihn gemacht, er könnte glatt als Model durchgehen der diese teure Marke verkaufen soll. Es passt perfekt zu seiner muskulösen männlichen Statur. Seine Haare sind leicht zur Seite gegelt allerdings nicht so streng wie in der Schule und sein drei Tage Bart wie immer perfekt gestützt. Am Saum seines Anzuges scheint eine teure Uhr zum Vorschein und seine Hose ziert ein ebenfalls schwarzer Gürtel. Aus mir nicht erfindlichen Gründen zieht sich mein Unterleib bei diesem Anblick vergnügt zusammen. Wieso zum Geier stehe ich denn bitte auf Gürtel? Alles in allem sieht Herr heiß Heck einfach nur hot as fuck aus. Ich muss schlucken um meine Lust ihn zu küssen die gerade aufkeimt zu verdrängen. Was denke ich mir denn auch verdammt. „Liiiiiina." holt mich Clara lachend aus meiner Schockstarre. „Also das ist Stephan mein Bruder, ich glaube ihr kennt euch noch nicht." erläutert sie was allerdings nur sehr dumpf in meinem Hirn ankommt. Herr Heck und ich starren uns einfach nur an. Ich Blende Clara und meinen Bruder welche uns verwirrt beobachten komplett aus. Ich habe ihn jetzt eine ganze Woche nicht gesehen und alles was war ganz gut wegdrängen können, doch jetzt hier gerade bin ich einfach nur überfordert. Mein Herz pocht so schnell und laut weshalb ich nur am Rande mitbekomme wie mein Bruder Clara erklärt das sie langsam rein muss, da die Trauung in 15 Minuten beginnt. Doch mein Lehrer und ich starren uns immer noch einfach nur an, unfähig etwas anderes zu tun. Beide vollkommen geschockt. Ich merke wie mein Bruder mir seine Hand sanft an den Rücken legt. „Wir sollten auch langsam mal rein." meint er schließlich. Ich schaffe es mich aus dem Blickkontakt oder eher Duell mit Herr Heck und meiner Schockstarre zu lösen und zu meinem Begleiter aufzuschauen. Im selben Moment dreht sich Stephan auf dem Absatz seiner teuren Schuhe um und geht schnellen Schrittes Clara hinterher. Ich kann nicht anders als ihm dabei zu zu gucken. Sein Rücken scheint durch den Anzug nochmal eine ganze Ecke breiter zu sein. Jeder Schritt den er tätigt schreit förmlich nach Wut, was perfekt zu seinem kalten, geschockten Gesichtsausdruck den er mir eben gewidmet hat passt. Ich atme einmal tief durch und folge nun auch den anderen, bei meinem Bruder eingehagt, rein. Scheiße verdammt ich glaube ich muss kotzen. Mein Magen dreht sich einmal um seine eigene Achse, sodass ich gerade schlagartig froh bin das ich nichts zu mir genommen habe was er wieder rauschschicken könnte. Ich kralle mich förmlich in den Arm der mir ein wenig halt gibt, bis wir leider am Altar ankommen an dem ich mich hinstellen muss. Mein Bruder stellt mich ab und geht zwinkernt zu seinem Platz in der ersten Reihe. Ich atme erneut einmal tief durch und versuche mich auf Clara zu konzentrieren welche wenige Augenblicke später von Stephan in den Saal geführt wird, welcher sich später als Brautzeuge neben Ben stellt sodass ich ihn genau sehen kann. Er hingegen guckt alles an außer mich. Anscheinend ist der ältere grauhaarige Mann der Clara und Ben traut um einiges hübscher und interessanter als ich. Was ein Penner, selbst hier kann der sich nicht normal verhalten. Endlich sprechen die beiden Hauptpersonen des heutigen Tages das ja Wort aus und alle im Saal fallen in schallendes Geklatsche. Ich muss meine Tränen zurück halten, ich glaube nicht das ich jemals jemanden finde werde um zu heiraten, mal abgesehen davon glaube ich auch einfach nicht an das Konzept der Ehe. Aber so wie ich die beiden glücklich sich anlächeln und küssen sehe kann ich nicht umhin mir das gleiche zu wünschen. Wie von selbst bewegen sich meine Augen zu dem Mann der Links vom Altaar steht. Auch er scheint gerührt von diesem besonderen Moment seiner kleinen Schwester zu sein. Seine kalte Fassade ist vollkommen verschwunden. Er wirkt das erste mal seit einer Ewigkeit unkontrolliert, ganz und gar wie ein normaler Mensch. Keine Mauer, sondern ehrliche Freude für seine Schwester und zu gleich etwas Wehmut würde ich sagen. Als ob er wissen würde das ich ihn beobachte dreht er sich das erste mal in 1 Stunde zu mir und schaut für wenige Sekunden wie ein getretener Hund zu mir rüber. Doch sofort setzt die Fassade wieder ein, er strafft seine breiten Schultern und schüttelt kaum merklich den Kopf. Ich hingegen fühle mich leer. Einfach nur ausgelaugt, als ob mir ein Dementor aus Harry Potter die Seele geraubt hätte. Die frisch Vermählten schreiten glücklich den Gang entlang zum Essens Saal und ich schließe zu meinem Bruder auf der unten an seinem Platz auf mich wartet. Ich hake mich erneut bei ihm unter und schlendere mit ihm zusammen zum Essen. Ich drehe mich nicht zu IHM um, auch wenn jede Faser meines Wesens genau das möchte und noch viel mehr.

Das Essen sah unfassbar lecker aus, doch das einzige was ich zu mir genommen habe war Sekt, Sekt und noch mehr Sekt. Eigentlich mag ich das Zeug nicht wirklich aber Clara würde mir eine auf den Hinterkopf geben wenn ich hier Bier trinke. Ich habe die leise Hoffnung das mein beschwipster Zustand die Situation hier erträglicher macht. Ich sitze mit meinem Bruder neben den Eltern von Ben und ein gewisser Mister Universum am anderen Ende des Tisches neben Claras Onkel. Naja so ist er wenigstens nicht in meinem Blickfeld. Gerade betritt ein Mann mit Mikrofon die Tanzfläche vor uns. „Nun möchte ich ihre Aufmerskamkeit auf die Frisch vermählten bitten, welche jetzt den Hochzeitstanz vollführen." ich denke mir noch was für eine komische Wortwahl der Sprecher da an den Tag legt, doch da beginnt auch schon die wunderschöne Musik zu der sich die beiden Liebenden anmutig und glücklich wie noch nie zuvor bewegen. Ein totaler Kontrast zu dem Tanzen was Clara rotze voll im Club früher hingelegt hat. Ich freue mich für die beiden und kann meine Augen nicht von dem glücklichen Paar vor mir lösen. Plötzlich ertönt erneut die Stimme des Sprechers. „Nun möchte ich die Brautzeugen und Zeugin sowie die Eltern von Ben dazu bitten." ich realisier erst nicht was los ist. Wait meint der mich? Wow meint der sogar mich und Herr Heck? Ich blicke mich hektisch um. Clara scheucht mich mit einer Handbewegung auffordernd in Richtung Tanzfläche. Mein Herz setzt einen Schlag aus als ich eine Hand an meiner Schulter spüre. Wärme durchzuckt meinen Körper sodass mir schlagartig zuzüglich zu meinem rasenden Herzen auch noch richtig heiß wird. Ich drehe mich zu der Person um auch wenn ich schon längst weiß wer es ist. Stephan steht hinter mir und streckt mir leicht schmunzelnd seine Hand hin. Er sieht aus wie ein kleiner böser bub der gerade Süßigkeiten geklaut hat und erwischt wurde. Es erwärmt mein Herz, ich verdränge alle schlechten Gefühle und Gedanken und lege meine Hand lächelnd in seine. Er geleitet mich mit einer Hand an meinem durch das Kleid freigelegten Rücken zur Tanzfläche. Mich durchfährt ein angenehmer Schauer als er seine starke Hand an meinen unteren Rücken legt und ich meine mit seiner anderen Hand verschränke. Wir beginnen zu tanzen. Meine Hand liegt auf seiner starken Brust, wobei ich sie am liebsten einmal über seinen gesamten Oberkörper fahren lassen würde. Selbst mit hohen Schuhe bin ich ein gutes Stückchen kleiner als er. Sein wundervoller Duft welchen ich so sehr vermisst habe umhüllt mich sehnlich. Ich schließe genüsslich die Augen und lasse mich ganz von ihm führen und genieße einfach nur diesen Moment. Ich fühle mich so sicher und geborgen wie schon seit Jahren nicht mehr. Das ist wahrscheinlich der einzige Moment den wir haben werden wo wir einfach nur nah bei einander sein können. Es ist falsch und mich wird noch früh genug die eisige Ernüchterung treffen aber gerade bin ich einfach nur glücklich wie schon lange nicht mehr. Ich blicke leicht zu ihm hoch und sehe das er mich die ganze Zeit mit einem kleinen Lächeln um seine Mundwinkel herum beobachtet. Ich muss zurück Lächeln und drücke leicht seine Hand in welcher meine liegt. Mein Herz hüpft auf und ab als wäre es leicht wie eine Feder. Er zieht mich noch ein Stück näher an ihn ran, wenn das überhaupt noch möglich ist sodass ich vollkommen Raum und Zeit vergesse. Alle Menschen um uns herum schalte ich aus, das einzige was ich wahrnehme ist der Mann der mich stark und sicher über die Tanzfläche führt. Ich spüre seine Hand an meinem Rücken, seinen süßen Atem auf meiner Haut, seinen unwiderstehlichen Duft und sehe in diese so unergründlichen grauen Augen. Sein Daumen fährt kleine Kreise auf meinem Rücken was mir leichte süße Hitzewallungen beschert. Doch plötzlich bemerke ich ein Tippen auf meiner Schulter was diesen seltenen schönen Moment ruiniert. Ich drehe meinen Kopf leicht nach rechts und erkenne meinen Bruder. „Wenn ich bitten dürfte." lächelt dieser mich an und streckt mir wie Stephan eben die Hand hin. Ich bin kurz davor meinen Kopf zu schütteln als sich jedoch mein Tanzpartner von mir löst, meinem Bruder zunickt und ohne ein weiteres Wort geht und den Saal verlässt. Scheiße man! Ich wusste das die Ernüchterung kommt, aber so? Es fühlt sich wie eine ordentliche Backpfeife an. Eine die richtig durchgezogen wurde, sodass der Schmerz sich bis in jede Gliedmaße meines Körpers verteilt. Ich bin garnicht anwesend während ich mit meinem Bruder tanze. Ich muss zu Stephan. Ich muss endlich wissen was sein verficktes Problem ist. Ich muss wissen ob er auch dieses besondere Gefühl in Momenten wie eben hat. Ok verurteilt mich nicht aber es kann gut sein das hier gerade der Alkohol auf leeren Magen aus mir spricht. Ich löse mich schlussendlich abrupt von meinem Tanzpartner, entschuldige mich flüchtig und laufe in die Richtung in die Stephan eben verschwunden ist.

Why you ? {Warum du?}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt