• SIEBENUNDVIERZIG •

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Ich war lange gerannt.

Sehr lange.

Nach einiger Zeit fing es sogar zu donnern an und kleine Regentropfen fielen vom Himmel.

Ich zog meine schwarze Weste enger um mich und lief weiter.

Immer weiter.

Bis ich nicht mehr konnte.

Luft schnappend drehte ich mich im Kreis und blickte mich nach einer Parkbank um, auf welche ich als nächstes Platz nahm.

Und dort saß ich dann eine Weile, beobachtete die Tropfen, wie sie auf den Asphalt prasselten und fing gleichzeitig wieder zum weinen an.

Wie konnte er mir das alles nur an tun?!

Immer wieder hallte diese Frage in meinem Kopf, während meine Tränen nur so mein Gesicht überströmten.

Der ganze Himmel war dunkel und erzeugte eine düstere Atmosphäre. Ein bisschen beängstigend, vor allem, weil kein einziger Mensch in Reichweite zu sehen war.

Doch ich blieb sitzen.

Sogar als es zum Schütten begann und meine ganzen Klamotten durchnässt wurden, blieb ich still sitzen und heulte vor mich hin.

Ich tat stundenlang nichts anderes...

Bis ein Auto in die Gasse einbog, welches ich sofort erkannte.

Es war meines. Unseres. Der Wagen von meinem Bruder und mir.

Und genau dieser saß am Steuer.

Aber ich hatte es doch bei Logan gelassen? Wahrscheinlich hatte er es von genau dort geholt...

Das Fahrzeug hielt vor mir an und Tyler stieg aus.

„Gott sei dank! Ich hab dich schon überall gesucht", meinte er hoffnungsvoll und reichte mir eine Decke.

Dankend nahm ich diese an, warf sie mir um meine Schulter und schlang diese um mich.

Währenddessen hatte er die Autotür des Beifahrersitz geöffnet und befahl mir ein einzusteigen.

Die ersten Minuten sprach keiner von uns ein Wort. Er fuhr und ich hatte meinen Kopf wie gewöhnlich gegen die Fensterscheibe gelehnt.

Daran änderte sich auch einige Zeit lang nichts und mir machte das wirklich nichts aus. Ich war sowieso nicht in Gesprächslaune.

Doch irgendwann fiel mir etwas auf.

Tyler hatte mich nicht gefragt, was los sei oder weshalb ich mit einem verweinten Gesicht im Regen gesessen war. Nichts. Er hatte nichts dazu gesagt.

Also konnte das nur bedeuten, dass Logan ihm alles erzählt hatte. Doch, wie ich meinem Bruder kannte, wäre er außer sich oder würde wenigstens einen Kommentar dazu äußern. Aber das tat er nicht.

Das konnte also nur heißen, dass...

Misstrauisch blickte ich zu ihm herüber.

„Seit wann?", schoss es aus mir hinaus.

„Was?", fragte er verwirrt mit dem Blick auf die Straße.

„Seit wann wusstest du davon Bescheid?"

„Em, das ist unwichtig...", murmelte er leise vor sich hin, doch ich hatte ihn eindeutig verstanden.

Meine Vermutung stimmte.

„Du hast also von diesem Plan gewusst?", meinte ich als nächstes, um mich zu vergewissern.

Er schaute kurz schuldig zu mir rüber und nickte dann leicht.

Sofort stiegen mir wieder Tränen in die Augen.

„Mein eigener Bruder hat Bescheid gewusst und hat mich nicht gewarnt. Hat ihn nicht aufgehalten...", schluchzte ich und konnte mal wieder nicht fassen, was hier vor sich ging.

„Du bist mein Bruder. Mein verdammter Zwillingsbruder", warf ich ihm vor. „Wieso hast du nichts gemacht? Wieso? Wieso?"

Er gab mir keine Antwort.

„Tyler, wieso?"

„Weil ich nicht konnte."

„Warum nicht?"

„Wegen der Wette."

Verwirrt blickte ich zu ihm. „Es gab eine Wette?"

Wieder nickte er. „Zwischen Logan und mir, über dich."

Bitte nicht... nein...

Schon zum zweiten Mal an diesem Tag konnte ich nicht fassen, was ich erfuhr.

„Erzähl mir davon!", forderte ich.

„Als ich damals von diesem Plan erfahren hatte, war ich außer mich und wollte ich so oft wie möglich auf ihn einschlagen, weil es ganz und gar nicht okay war, dass er meine Schwester so hintergang... doch er hielt mich auf und schlug etwas anderes vor. Die Wette. Wenn du dich in ihn verlieben würdest, dann hätte er gewonnen. Wenn du das aber nicht tätest, dann hätte er verloren und ich dürfte ihn schlagen ohne das er sich wehren würde. Damals war ich mir so sicher, dass ich schon längst den Sieg auf meiner Seite hätte, weil du ihn so verdammt gehasst hast. Also hab' ich zugestimmt, doch ich musste versprechen dir nichts zusagen. Zu diesem Zeitpunkt war ich einverstanden damit, weil ich davon ausging, ihn eben später zusammen schlagen zu können. Für dich. Tja, aber alles lief anders, denn du hast Gefühle für ihn entwickelt."

Mittlerweile rannten weitere Tränen an meiner Wange runter.

Doch diesmal verspürte ich keine Wut, wie davor Logan. Nein... jetzt war ich nur enttäuscht. Enttäuscht von meinem Bruder.

„Wegen einer verdammten Wette, hast du nichts gesagt... ist das dein Ernst?", hauchte ich.

Er wollte etwas erwidern, doch ich ließ es erst dazu gar nicht kommen.

„Bitte sag mir, dass das ganze nicht wahr ist?"

„Es tut mir leid, Emma."

Kopfschüttelnd blickte ich ihn an.

Mein eigener Bruder hatte lieber in diesem Lügenspiel mitgemacht, als mich zu warnen...

Nun war er für mich genauso schlimm wie Logan!

•••

Ich werde die nächsten Tagen nichts posten können... aber nur damit ihr es wisst, es geht hier noch weiter❤️

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