Ein Tag später als geplant kehrten wir doch schon nach Holmes Chapel zurück. Ich fühlte mich so verdammt seltsam, als würde mich jeder anstarren, obwohl das nicht der Fall war. Wenn jemand etwas in normaler Lautstärke sagte, war mir das schon fast zu laut, doch Louis versprach mir, dass das innerhalb von einer Woche vorübergehen würde. Mein Gehör müsste sich nur auf die neue Sensibilität einstellen. Immerhin waren die Kopfschmerzen und das ständige Wechseln meiner Augenfarbe weg, denn das hatte man schnell unter Kontrolle. Meine Zähne schmerzten nur noch leicht, man spürte, dass nicht mehr alles so saß wie vorher.
Wenn ich jetzt menschliche Nahrung zu mir nahm, war der Geschmack beinahe vollständig verblasst, dafür war der von Blut viel intensiver und köstlicher. Das sich das Blatt mal so wendet, hätte ich auch nicht erwartet. Auch den Wind und die Sonne auf der Haut spürte ich nicht mehr, es fühlte sich tatsächlich einfach an, als würde es nicht existieren. Doch das Rascheln der Bäume und das Wehen meiner Haare erinnerte mich da immer wieder dran und das war irgendwie auch ganz schön. Doch dadurch gab es den Vorteil, das Louis mir jetzt längst nicht mehr so kalt vorkam beim kuscheln. Ich wusste zwar, dass meine Körpertemperatur nun auch ziemlich kalt war, doch selber spüren tat ich es nicht. Auch die neugewonnene Blässe meiner Haut sah ich nur im Spiegel. Irgendwie fühlte ich mich so wie immer, aber irgendwie fühlte ich mich auch, wie ein ganz neuer Mensch. Es war ein einziges Paradoxon.
Auch mein Geruchssinn hatte sich sensibilisiert und es war nicht immer ganz so angenehm. Aber Louis erklärte mir das es half, um auch Blut auf weite Entfernung zu riechen, was wiederum zu einer erfolgreichen Jagd führen sollte. Mein Sehvermögen war ein komplett neues. Durch meine normalen, menschlichen grünen Augen sah ich besser und schärfer als jemals zuvor. Und wenn meine roten Vampiraugen überhand nahmen, dann konnte ich sogar alles in der Dunkelheit erkennen. Teilweise waren all diese Veränderungen beängstigend, andererseits waren sie offengestanden aber auch fantastisch und echt praktisch. Als jemand, der sonst immer Angst im Dunkeln hatte, war das ziemlich beruhigend.
Heute wollte Louis mir beibringen zu jagen und mich in der Nähe von Blut zu kontrollieren. Es war seltsam, dass jetzt selbst alles zu erleben, all das was Louis vor mir verheimlicht hatte. Aber umso länger ich ein Vampir war, umso mehr verstand ich ihn. Zusammen wollten wir weiterhin versuchen, zumindest die Hauptnahrung aus Tierblut bestehen zu lassen. Jeden Morgen zum Frühstück war allerdings ein kleiner Schluck Menschenblut mit drinne, um uns bei Kräften zu halten, falls wir doch noch wieder angegriffen werden sollten, wovon jedoch keiner von uns in nächster Zeit ausging.
,,Ganz wichtig ist, du musst dich in das Tier hineinversetzen. Es kann dich sehen, hören und riechen. Zerbrichst du einen Ast unter deinen Füßen, dann schreckt es hoch und rennt weg. Es hat Angst und dann musst du verdammt schnell sein, es nicht länger als nötig zu quälen. Wir werden mal ein wenig Ausschau nach Rehen halten, die sind zwar sehr schreckhaft, aber haben genügend Blut, damit du lernen kannst aufzuhören, bevor du sie tötest, auch wenn ich nicht dabei bin oder im Ernstfall für einen Menschen. Komm", Louis ergriff meine Hand und in übernatürlicher Geschwindigkeit rannten wir tief in den Wald hinein. Jedesmal wenn wir so schnell rannten kribbelte das Adrenalin in meinen Adern und ich genoss es in vollen Zügen.
Kontrolle war mir sehr wichtig, damit ich niemandem jemals weh tun oder das antun würde, was meinen Eltern angetan wurde. Niemand verdiente das. Inmitten des Waldes kniete Louis sich nieder und bedeutete mir, das gleiche zu tun. Seinen Zeigefinger legte er auf seine Lippen, um mir zu verdeutlichen, dass ich leise sein sollte und der andere zeigte auf seine Ohren. Also strengte ich mich an, mich vollständig auf das Gehör zu konzentrieren. So viele neue Töne, die ich als Mensch nie wahrgenommen hatte, musste ich nun kennenlernen. Egal ob das Rascheln des Laubes, was sich eigentlich bei Windstille gar nicht zu bewegen schien oder die Geräusche der Käfer, die sogar ziemlich laut waren, wenn man genau hinhörte.
Als ich Bewegeung auf dem Waldboden vernahm, sah ich zu Louis, der mich stolz anlächelte und mir zunickte. ,,Ich bleibe hier und du wirst das Reh jagen und davon trinken, aber aufhören, bevor du es tötest", hauchte er mir so leise zu, dass es für einen Menschen niemals zu verstehen gewesen wäre. Ich nickte Louis etwas unsicher und nervös zu und stellte mich dann aber langsam wieder aufrecht hin. Ich spürte, wie meine Zähne spitz wurden und meine Augen sich verfärbten. Alles wurde gleich viel klarer und war deutlicher zu erkennen. Das Reh stand nicht weit von uns auf einer Lichtung, doch sobald ich mich in Bewegung setzte, passierte mir gleich der erste Fehler. Ich trat auf einen Stock, der laut in der Mitter zerbrach und das Reh zum wegrennen brachte.
Sofort rannte ich hinterher, ich war um Längen schneller und hatte das arme Tier bald zu Boden gerissen. Traurigerweise musste ich an Bambi denken, als ich das Blut trank, doch gerade dieses Mitleid brachte mich dazu, aufzuhören und das Reh geschwächt ziehen zu lassen, kaum das mein Durst gestillt war. Vielleicht hatte Mary Recht, vielleicht hatte ich meine stark ausgeprägte Menschlichkeit trotz Vampirismus behalten. ,,Haz, das hast du toll gemacht, ich bin stolz auf dich", Louis war hinterher gerannt, als er gehört hatte, das ich mit der Jagd fertig war und gab mir einen atemberaubenden Kuss. ,,So als Vampir bist du richtig sexy", knurrte er, hob mich an meinem Hintern hoch, sodass ich meine Beine um seine Taille schlingen musste.
,,Ach und als Mensch war ich das nicht?" Erwiderte ich grinsend, was auch Louis lachen ließ. ,,Doch natürlich, aber jetzt muss ich dich nicht mehr so mit Samthandschuhen anfassen", innerhalb einer Sekunde hatte er mich förmlich gegen den nächsten Baum gerammt, sein Körper schloss mich ein. Als Mensch hätte ich mir bei dieser Geschwindigkeit und Härte des Aufpralls sicher die Wirbelsäule gebrochen, doch jetzt konnte ich nur darüber lachen. Eifrig eroberte ich Louis Lippen, nahm sie allein für mich in Beschlag und knabberte an der Unterlippe. ,,Selbst nach der Ewigkeit bekomme ich davon sicher noch nicht genug", keuchte Louis, schob seine Zunge zwischen meine Lippen und brachte mich dazu, ihn immer mehr zu wollen.
,,Gut, dass wir jetzt aber noch die Ewigkeit haben, um uns auszuprobieren", mit einem Lächeln küsste ich Louis Nasenspitze und schob ihn dann ein wenig von mir. ,,Zayn und Liam werden jetzt sicher auch von ihrer Reise wieder da sein, ich möchte ihnen jetzt unbedingt mein neues Ich zeigen." ,,Du bist noch immer genau der selbe Harry, nur etwas blasser um die Nase." ,,Du weißt wie ich das meine", gab ich zurück, verdrehte gespielt genervt die Augen. ,,Ja", Louis stahl sich einen letzten Kuss von meinen Lippen, ,,keine Sorge, also lass uns los", gleichzeitig ergriffen wir die Hand des jeweils anderen und rannten los.
Tatsächlich sollte ich Recht behalten und es schien, als wären Zayn und Liam erst vor wenigen Minuten von ihrem Universitätentrip zurück gekehrt, da ich die Koffer im Flur stehen sah. ,,Spüre ich da etwa die Anwesenheit eines neuen Vampirs?" Zayn trat breit grinsend aus der Küche und musterte mich. ,,Könnte gut sein, bloß wo?" Antwortete ich gespielt ahnungslos, doch schon gleich darauf lagen wir uns in den Armen. Zum ersten Mal realisierte ich, wie anders Zayn als Vampir roch, doch sein Eigenduft war immernoch vorhanden und gab mir das Gefühl, für die Ewigkeit ein zweites Zuhause zu haben.
,,Und wie fühlst du dich? Wie lang bist du jetzt schon ein Vampir? Oh ich freu mich so, dass es endlich geschehen ist." Noch einmal knuddelten wir uns kräftig, gingen dann in die Küche, wo ich noch Liam begrüßte und Louis und ich gleich danach die Geschichte erzählten. Ich war froh, dass meine Verwandlung so intim und allein zwischen Louis und mir stattgefunden hatte. Ich musste nicht brutal ermordet werden wie Zayn oder verarscht und hintergangen wie Louis und Liam. Ich fühlte mich einfach befreit und mehr ich selbst, als jemals zuvor. Durch Louis hatte ich nicht nur einen Freund gefunden oder einen Geliebten, sondern auch wieder einen Sinn im Leben bekommen, der mich davon überzeugte weiterzumachen und eine Heimat, die mich wohlfühlen ließ. Jede freie Minute gab er mir das Gefühl von Familie, etwas, was ich noch nie vorher so fühlen durfte und er ließ mich niemals ungeliebt fühlen. Nicht ein einziges Mal.
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Wenn nichts schief geht, dann kommt am Freitag das letzte Kapitel von dieser Geschichte und das erste Kapitel meiner neuen Story. Es fühlt sich irgendwie komisch an, dieses Buch bald beendet zu haben😹💗
All the love xx
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One Of Those Nights - Larry Stylinson
FanficWas ist, wenn alles, was du je gewusst hast, plötzlich zu einer einzigen Lüge mutiert? Wenn du schon mittendrin steckst, ohne es zu wissen? Das passiert dem Lockenkopf Harry, der mit seinem besten Freund Zayn eigentlich ein ganz normales Leben lebt...