Kapitel 6

2.1K 88 54
                                    

Mit einem verblüfften Blick schaue ich ihr fragend in ihre strahlendbraunen Augen, die mich lächelnd anfunkeln.

In meinem Kopf rattert es so sehr, dass ich beinahe schon glaube, Rauch komme aus meinen Ohren.

Sie merkt, dass aus mir nichts rauskommt und streicht mir mit einem Lächeln über die Schultern.

„Oj, Florentin. Die Armen wissen nicht mal mehr, wer vor ihnen steht", schmunzelt sie meine Tante an, die ihr zu nickt.

„Dabei hat man sie in ihrer Kindheit nicht von einander losbekommen, meine Liebe. Weißt du noch, wie sie angefangen hatten zu heulen, als wir uns immer voneinander verabschiedet hatten, weil sie weiterspielen wollten?"

„Granit hatte ihnen immer stolz seine Klavierkünste gezeigt", lacht meine Tante aus vollem Herzen.

Ich versuche irgendeinen Anhaltspunkt zu finden, jedoch ist vor der Flucht aus dem Kosovo und danach, alles wie leergefegt in meinem Kopf.

Die Frau nickt stürmisch mit dem Kopf und hält sich ihre Hand an den Bauch.

„Oder weißt du noch, als Granit und Flora heiraten wollten und sie sich einen Blumenkranz gebastelt hatte?"

Was zur Hölle!? Oh mein Gott was!!?!

Mit zusammengezogenen Augenbrauen blicke ich verdutzt in ihr lachendes Gesicht und lenke daraufhin meinen Blick auf den schmunzelnden Azet, - oder sollte ich lieber Granit sagen - der versucht sein Grinsen zu unterdrücken.

Er hält sich seine rechte Hand an sein Kinn und streicht durch seinen getrimmten Bart. Seine Mutter dreht sich zu ihm und flüstert ihn etwas ins Ohr.

Seine Augen weiten sich und blicken die seiner Mutter unglaubwürdig an, der er dann vorsichtig zunickt.

„Hajde, bujrum setzt euch doch." Sie tritt zur Seite und lässt uns ins pompöse Wohnzimmer eintreten, das echt so aussieht wie aus tausend und eine Nacht.

Gott sei Dank hat das endlich ein Ende.

Ich setze mich gemeinsam mit Laila auf einen freien Platz und schlage ein Bein über das Andere.

Nach kurzer Zeit kommt sie mit einem Tablett mit Kaffeetassen zurück ins Wohnzimmer. Rasch stehe ich auf, um ihr das Tablett abzunehmen und auf dem kleinen Tisch abzustellen.

Sie lächelt mich dankend an. Ich gehe in die Hocke, stelle Milch und Zucker auf die Mitte des Tisches, stelle vor jedem eine Tasse hin und setze mich schließlich erneut auf meinem Platz, der leider Gottes direkt gegenüber von Granit's Platz liegt, der mich ununterbrochen anglotzt.

Sag mal, geht es eigentlich noch auffälliger?

Augenverdrehend blicke ich ihn an und schüttele sehr viel Milch und vier Löffel Zucker in mein Kaffee. Das tue ich seit meinem siebzehnten Lebensjahr, denn ich hasse zu starken Kaffee und trinke ihn eigentlich ganz selten, wenn ich Lust und Laune dazu habe.

Langsam puste ich in den heißen Kaffee und schlürfe dann ein paar Schlücke hinaus. Man hat ja schließlich aus dem Malheur mit dem Tee heute Morgen gelernt.

„Erzählt, wie ist das Leben so?", fragt die Mutter von Granit, deren Namen ich immer noch nicht kenne.

Laila's Mutter räuspert sich und setzt ihren Kaffee auf dem Tisch ab. „Alhamdulilah, man kann sich nicht beklagen. Meine Kinder und Neffen stehen mit festen Beinen im Leben und sind jeweils in Beruf und Schule erfolgreich. Und wie sieht's bei euch so aus?"

Typisch Albaner. Müssen immer mit den Erfolgen der Kinder prahlen.

„Shyqyr, alhamdulilah. Das freut mich doch. Ja, Granit hat sich als Musiker selbstständig gemacht. Gemeinsam mit seinen Freunden hat er eine Gruppe aufgebaut und Albion und Sefa unterstützen ihn tatkräftig dabei. Er gibt gerade Konzerte und muss übermorgen leider wieder los", plappert sie und legt Süßigkeiten auf den Tisch.

Jeten e la per tyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt