Kapitel 20

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Freitag, 16. November

„Flora, wie lange brauchst du bitte?!", schreit meine Mutter durch das ganze Haus und denkt, dass ich durch ihr Geschrei schneller fertig bin.

Augenverdrehend stecke ich mir die großen und glitzernden Ohrringe in meine Ohrlöcher und lege noch einige Ketten um meinen Hals.

„Ich komme doch, Non!", rufe ich zurück, weil ihr Gemeckere nicht aufhören will. Kurz parfümiere ich mich noch ein und packe noch einige Kleinigkeiten in meine Handtasche.

Aus meinem Schrank hole ich mir noch verschiedenfarbige Paare an High Heels und stopfe sie einfach in den kleineren Koffer, den ich dann mit dem Reißverschluss verschließe.

Schnell gucke ich mich noch ein Mal in meinem verschnörkelten Wandspiegel an und lege mir die großen Locken ordentlich über meine Schultern.

„Flora!", brüllt meine herzallerliebste Mutter wieder. „Wir kommen wegen dir noch zu spät!", fügt sie an.

Ich schnalze mit meiner Zunge und greife nach dem silberne Trolley und der Handtasche. „Ani Mom! Komme!"

Meine Tasche schultere ich zackig, lange nach dem Griff des Koffers, checke nochmal mein komplettes Zimmer ab und trabe dann die Treppen mit dem Gepäck in meiner Hand herunter.

„Na endlich!" Sie klatscht in die Hände, als sie mich neben sich im Eingangsbereich findet. „Noch langsamer konntest du auch nicht sein, oder?", nörgelt sie und zieht sich die Jacke über ihre Arme.

Still verdrehe ich nur kurz meine Augen und schlüpfe in meine bequemen Vans, die ich während der Autofahrt anhaben werde.

„Wo sind die Anderen?" Sie seufzt und zieht sich ihre Schuhe ebenfalls an. „Dein Vater kommt nicht mit, weil er arbeiten muss und deine Brüder warten im Auto auf mich."

„Auf dich?", frage ich sie sichtlich verwirrt. „Und was ist mit mir?" Wieder seufzt sie. „Mein djali kommt dich abholen."

„Qka?", frage ich sie verwirrt. „Flamur", murmelt sie mit funkelnden Augen. Ein Lächeln bildet sich auf meinen Lippen und ich könnte vor Freude kreischen.

Ich werde das Wochenende gemeinsam mit Flamur verbringen können! In letzter Zeit war er öfters auf Geschäftsreisen und hatte mir deshalb die Leitung der Firma übergeben, doch nun ist er endlich wieder da!

Sofort zücke ich mein Handy aus meiner Tasche und wähle voller Freude seine Nummer. Nach kurzem Warten hebt er ab. Seine raue Stimme ertönt am anderen Ende der Leitung.

„Gashi?" Ich schmunzele. Er gibt wirklich nicht auf. „Mushkolaj? Wo bist du?" Es raschelt und das Brummen des Motors ist zu hören.

„Komm in fünf Minuten aus dem Haus." Wie von einer Biene gestochen quietsche ich herum und beende den Anruf, nachdem er nur am Lachen ist.

„Das ich dich mal verliebt zu Gesicht bekomme", scherzt meine Mutter und nimmt mich in die Arme.

Ich werd ganz emotional. „Danke, Non. Danke, dass ihr uns bei dieser Beziehung nicht im Weg steht, sondern sie sogar befürwortet."

Sie löst sich von mir und legt ihre Hand an meine Wange, über die sie langsam streicht.

„Ihr habt den unausgesprochenen Wunsch von uns und von Flamur's Eltern erfüllt. Wie könnten wir euch dann also im Weg stehen?"

Mit einem warmen Lächeln im Gesicht strahlt sie mich an. „Du bist glücklich, Flora - also sind wir das auch."

„Gott, Non. Hör auf, sonst fang ich noch an zu heulen.", wedele ich mir Luft mit meiner Hand zu.

Meine Mutter schüttelt nur lachend ihren Kopf und greift nach ihrem Hausschlüssel. „Vergiss nicht hinter dir abzuschließen und lässt euch nicht zu lange Zeit."

Stumm nicke ich und werde etwas rot, bis sie dann mit einer Verabschiedung aus der Tür verschwindet.

Das Aufheulen von Florat's Motor ist zu hören. Sie sind schon losgefahren. In shaa allah kommen sie heil und munter an, Ya Rabbi.

Schnell streife ich mir meinen Mantel über die Schultern, schnappe mir meinen Schlüssel und verschließe damit unsere Haustür.

„Tawakkaltu ala Allahu, wa la hawla wa la quwwata illa billa", flüstere ich leise, während ich den ersten Schritt nach draußen setze und vertraue somit auf Gott.

Nicht mal eine Minute vergeht und Flamur fährt auf meine Einfahrt ein. Er schaltet den Motor aus und steigt lässig aus seinem Wagen.

Gott, sieht er wunderschön aus. Dieser Mantel und dieser Anzug bringen mich zum Schwitzen.

Mit schnellen Schritten laufe ich ihm entgegen und stürze mich in seine geweiteten Arme. „Zemra ime", flüstert er gegen meinen Hals und lässt mich erschaudern.

Wir lösen uns voneinander und Flamur lehnt sich vor. Sanft wie eine Feder, legt er seine Lippen auf meine und küsst mich fordernd, aber auch hauchzart. 

„Ich hab dich vermisst", murmelt er nach dem Kuss und drückt seine Stirn gegen meine, woraufhin er einen kleinen Kuss auf meine Nasenspitze setzt.

Meine Augen strahlen nur so vor Freude. Meine Lippen sind zu einem Lächeln geformt. „Ich hab dich auch vermisst, Flamur."

Nun bin ich diejenige, die ihm am Nacken runterzieht und ihn küsst. Er grinst in den Kuss hinein und verstärkt den Griff um meine Taille.

„Lass uns gehen, sonst schimpft meine Mutter mit uns, dass wir zu spät gekommen sind", schmunzele ich und löse mich aus seinen starken Armen.

Auch er kann sich ein Lachen bei dem Gedanken an meine Mutter nicht verkneifen und greift dann nach meiner Hand.

Gemeinsam laufen wir die wenigen Meter auf sein Auto zu und bekomme dann die Tür der Beifahrerseite von ihm geöffnet.

„Dankeschön", grinse ich, was er mit einem Zwinkern quittiert. Er lässt die Tür ins Schloss fallen, nachdem ich mich angeschnallt habe und langt dann nach meinem Koffer, den er dann in den Kofferraum legt.

„Und wie war die Geschäftsreise?", frage ich ihn neugierig, als er neben mir platzgenommen hat und das Auto startet.

Flamur legt den Rückwärtsgang ein und konzentriert sich zunächst auf das Ausparken, um dann im nächsten Moment seine Hand auf mein Bein zu legen.

Derweil schalte ich für ihn in den ersten Gang und genieße seine streichende Hand auf meinem Schenkel.

„Echt langweilig. Pasha zotin", schwört er seufzend auf Gott und fährt Richtung Autobahn.

Ich kichere leise und lege meine Hand auf seine. „Wieso denn das?" Er schnalzt mit der Zunge und gliedert sich in den regen Verkehr ein.

„Das fragst du auch noch? Ich war eine knappe Woche ohne meine Frau unterwegs", schmollt er und blickt mir kurz in die Augen.

Jeten e la per tyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt