Kapitel 39

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Sicht von Liam

Ich saß an dem großen, weißen Schreibtisch in meinem Büro vor einem riesigen Berg von Formularen, die ich für die Firma ausfüllen sollte. Mit meinen Gedanken war ich aber ganz wo anders. Bei Alice. Das Klicken des Kugelschreibers in meiner Hand erfüllte den stillen Raum mit Geräuschen. Ich starrte auf die wichtigen Papiere und dachte währenddessen darüber nach, was mit Alice los war. Seitdem ich sie vor drei Tagen geküsst hatte, kam sie nicht mehr in die Schule. Es bereitete mir Sorgen, dass sie sich nicht meldete und mir nicht sagte, was der Grund für ihre plötzliche Meinungsänderung war. Selbst mit dem Rosenstrauß, den ich ihr zukommen ließ, brachte ich sie nicht dazu mir zu antworten.

Das Klopfen an meiner Tür riss mich aus meinen Gedanken. "Herein.", sagte ich und setzte mich Aufrecht auf meinen Drehstuhl hin. "Ihr Vater ruft nach Ihnen.", Zack trat durch die edle Tür und stand nun in seinem schwarzen Anzug im Büro. "Sag ihm ich komme gleich.", befahl ich meinem treuen Begleiter und wandte meinen Blick wieder auf die Formulare. Zack nickte und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum. Ich atmete laut aus und drehte mich um zu der Glaswand hinter mir. Der Ausblick auf New York aus dem fünfzehnten Stockwerk war wie immer faszinierend. Der Berufsverkehr war im vollen Gange und die Menschen gingen in Horden über die Kreuzungen.

Ich erhob mich von meinem Stuhl und schloss mein graues Jacket. Daraufhin ging ich durch den Raum und das Geräusch meiner Schuhe, die auf den Boden trafen begleiteten mich. Vor der Tür stand Zack und folgte mir, als ich mich auf den Weg zu meinem Vater machte. "Haben Sie ihm Bescheid gesagt?", fragte ich und warf ihm einen neutralen Blick zu. "Ja, Sir.", antwortete er und nickte. Wir gingen den hellen Flur entlang und wanderten an der Rezeption vorbei hinter der mit großer 3D Schrift >> Kennedy Business << stand.

Einmal nach links abgebogen und immer geradeaus stand auch schon an der Tür der Name meines Vaters auf einem goldenen Metall. Ich klopfte an die Tür und überquerte die Türschwelle hinein in sein elegantes Büro.

Mein Vater saß auf der braunen Ledercouch und meine Mutter stand neben ihm. "Lasst uns allein.", befahl er mit ernster Miene, woraufhin alle Mitarbeiter, inklusive Zack, den Raum verließen. Nur noch wir drei waren jetzt hier.

"Wir müssen uns unterhalten.", meinte mein mächtiger Vater und zeigte auf den Sessel gegenüber von ihm. Mit langsamen Schritten kam ich auf die beiden zu und lies mich nieder.

"Um was geht es denn?", hackte ich nach und schaute meine Eltern an. "Um die Firma.", es wirkte so als wäre mein Vater aufgeregt, was er niemals war, seitdem ich mich erinnern konnte. Ich runzelte unwissend die Stirn und fragte mich, was nun auf mich zukommen würde.

Meine Mutter legte unterstützend ihre Hand auf die Schulter meines Vaters. "Du wirst die Firma früher als gedacht übernehmen.", warf der respekteinflößende Mann in den Raum.

Mein Blut fing an zu kochen und ich zog meine Augenbrauen zusammen. "Wann?", wollte ich wissen. "Sofort nachdem du deinen Abschluss gemacht hast.", antwortete er entschlossen und nahm einen Schluck von seinem Wasser.
"Nein.", ich schüttelte meinen Kopf und verstand nichts mehr, "Es war ausgemacht, dass ich in ein paar Jahren deine Firma übernehme." Meine Mutter schwieg weiterhin.

"Das ist mir bewusst, Liam. Aber ich kann es nunmal nicht ändern.", er erhob sich von der Couch und ging ein paar Schritte um den Tisch der zwischen uns stand. "Ich werde die Firma nicht so früh übernehmen. Wie kommt es überhaupt dazu, dass ich sie schon so früh übernehmen soll?", wiederholte ich mich und sah ihn fragend an. Ich hatte noch so viel vor in meinem Leben und ich war erst 19 Jahre alt.

"Das war keine Bitte.", seine Stimme wurde ernster und er zog seine buschigen Augenbrauen hoch, "Es ist etwas dazwischengekommen und nun ist es wichtig, dass wir uns einig werden."

"Ich sagte bereits, ich werde die Firma nicht übernehmen, nicht so früh!", mit erhobener Stimme stand ich ebenfalls auf und sah ihm ernst in seine Augen. "Liam! Jeder von uns muss Dinge tun, die er nicht möchte. Aber du musst diese Hürde überwinden.", meinte er und sah mich mit den selben blauen Augen an, die ich hatte. "Mein ganzes Leben lang tue ich das was du mir sagst! Und jetzt wirfst du mir vor ich muss eine Hürde überwinden?! Nicht nur du hast Probleme, Vater. Jeder hat mit seinen eigenen Problemen zu kämpfen!", schon fast schreiend antwortete ich ihm und wollte das Büro verlassen.

"Liam bleib hier.", meine Mutter meldete sich nun auch zu Wort und sah mich bittend an. Ich schnaufte und drehte mich wieder um. "Ich weiß. dass jeder seine Probleme hat. Ich weiß auch dass du deine eigenen Probleme hast. Aber ich bitte dich einfach nur darum, die Firma gut zu führen.", mein Vater ging ein paar Schritte auf mich zu.

"Ich möchte leben! Mit 19 Jahren eine Firma zu übernehmen ist doch vollkommener Schwachsinn. Ich habe noch alles vor mir und dann soll ich mich an eine Firma binden?!", widersprach ich und fuhr mit den Händen über mein Gesicht. "Es reicht! Ich habe dich darum gebeten, aber wenn du mir nicht den nötigen Respekt entgegnest dann muss ich es dir eben befehlen. Du wirst verdammt nochmal diese Firma übernehmen sobald du deinen Abschluss hinter dir hast!!", schrie er und zeigte mir dem Finger auf mich.

"Mein Leben fängt gerade erst an, Vater. Ich habe mich zum ersten Mal verliebt in ein wunderschönes Mädchen und ich will um sie kämpfen. Da habe ich keine Zeit für diesen blöden Papierkram und die endlosen Meetings!", mein Geduldsfaden drohte bald zu reißen. "Ich möchte auch Leben! Aber das werde ich nicht mehr lange! Also tu deinem Vater diesen Gefallen.", er gestikulierte mit seinen Armen und versuchte nicht ganz außer Kontrolle zu geraten.

Meine Mutter ging mit schnellen Schritten zu ihm und kreuzte ihre Finger mit seinen. "Beruhige dich, Henry.", sagte sie und strich über seinen Arm. "Was meinst du damit?", meine Stimme wurde leiser und ich versuchte zu verstehen was er damit meinte. Mein Vater schloss seine Augen und atmete tief durch.

"Ich werde nicht mehr lange leben, Liam.", erklärte er und senkte seinen Blick. Ich schüttelte meinen Kopf und ging einen Schritt auf ihn zu. "Was redest du da? Sowas sagt man nicht.", unsicher schaute ich zwischen meinen Eltern hin und her, "Mutter was sagt er da?"

Er hob seinen Kopf und ich glaubte Tränen in seinen Augen zu sehen. "Ich habe einen Hirntumor, mein Sohn.", offenbarte er mir und schaute in meine Augen. Wie in eine Schockstarre versetzt stand ich vor meinen Eltern und wusste nicht was ich sagen sollte. In meinem Hals bildete sich ein Knoten und ich schluckte dagegen an.

"W.. Nein .. Du...", kein ordentlicher Satz kam aus meinem Mund heraus. Meine Mutter wischte sich eine Träne aus ihrem Gesicht und seufzte. "Ist es dein Wunsch, dass ich die Firma übernehme?", ich riss mich zusammen und stellte diese eine Frage während ich versuchte nicht zu weinen.

"Ja.", ihm kullerte eine Träne über seine Wange. "Dann sei es so.", antwortete ich und schaute ihm tief in die Augen. Erleichterung machte sich in seinem Gesicht bemerkbar und er zwang sich zu einem kleinen Lächeln.

"Wie lange weißt du es schon?", wollte ich wissen und ließ ihn nicht aus den Augen. "Seit ein paar Monaten.", er senkte seinen Blick und fuhr sich durch seine fast grauen Haare. "Und warum erfahre ich es erst jetzt?", ich war etwas enttäuscht darüber. Am liebsten hätte ich geweint, wegen dem Schmerz der in meinem Herz wütete, aber ich musste stark sein.

"Ich wollte auf die letzten Testergebnisse warten und außerdem wollte ich nicht, dass du darunter leiden musst.", erklärte mein kranker Vatee und kam einen Schritt auf mich zu. Er löste sich von meiner Mutter und ich wusste was er wollte.

Ich ging ebenfalls auf ihn zu und schenkte ihm eine Umarmung. "Ich werde alles dafür tun, dass du dein restliches Leben wunschlos glücklich leben kannst. Mach dir keine Sorgen mehr.", schwor ich ihm in der emotionalen Umarmung zwischen Vater und Sohn.

You're my bright light in the darkness Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt