01. April 2016; Henning:
Verdammt. Verdammt, verdammt, verdammt! Ich setzte mich auf und raufte mir die Haare. Halb 5 Uhr morgens. An Schlaf war die ganze Nacht nicht zu denken gewesen, ich war viel zu aufgewühlt. Unsere Liebe aufs Hotelzimmer beschränken. Sonst noch was? Okay, ich verstand Chrissi. Und mir tat es auch leid, ich wusste selber, wie scheiße das Gefühl war, allein zu sein. Aber ich sah nicht ein, warum Malte und ich uns deshalb quasi im Zimmer verstecken sollten, um Zärtlichkeiten auszutauschen. Dann müsste sich ja jedes Paar, dem er begegnete, verstecken. Das konnte er echt nicht von uns verlangen. Er war alt genug, um mit sowas umgehen zu können. Ich stöhnte genervt auf und schlug meine Decke zurück. Leise ging ich hinüber zum Fenster und öffnete es, um eine zu rauchen. Ich hatte mich mit Malte darauf geeinigt, im Zimmer nicht zu rauchen, aber ich brauchte das jetzt. "Alter.." Grummelte ich müde, rieb mir die Augen. "Was für eine Scheiße." In meinem Ärger vergaß ich, dass mein Freund schlief und trat gegen den kleinen Tisch unterm Fenster. Malte fuhr ruckartig aus dem Schlaf hoch. "Was? Ähh.. was ist los?" Nuschelte er und blinzelte in den dunklen Raum. Als er mich am Fenster bemerkte, stöhnte er. "Nicht dein Ernst." "Sorry.. bleibt bei der einen, versprochen. Konnte noch nicht schlafen." Erzählte ich, er stand auf und kam zu mir. "Wegen Chrissi?" Fragte er vorsichtig und beugte sich herunter, um mich zu umarmen und mir seine weichen Lippen auf die Schläfe zu drücken. "Mhm." "Ja.. ich hab auch nicht gut geschlafen. Aber hey.. nur für ein paar Tage, hat Sevi gesagt. Erstmal.. und dan-" Ich fiel ihm aufgebracht ins Wort. "Nein! Ich mache das nicht mit. Und dann machen wir es in ein paar Tagen wieder und dann verbieten sie es wieder? Das Sevi sowas vorschlägt, ich glaube, ich bin im falschen Film! Soll Chrissi sich halt eine Freundin suchen und aufhören, den sterbenden Schwan zu spielen." "Du weißt, dass das nicht so einfach ist." Wiedersprach Malte sofort. "Und jetzt fahr mal runter. Wir werden das schon überleben. Ich weiß, dass es schwer ist und DU weißt am allerbesten, dass ich meine Finger nicht von dir lassen kann, aber.. ach fuck!" Er wurde immer lauter, was mich noch wütender machte. "Ich fahre nicht runter! Und da bin ich mir nicht so sicher, so schnell, wie du dem zugestimmt hast." Ich bereute die Worte in dem Moment, in dem sie meinen Mund verließen. Malte sah mich geschockt und total verletzt an. Frustriert von dem Streit und von mir selbst zog ich eine neue Zigarette aus der Packung auf dem Tisch und zündete sie an. "Das meinst du nicht ernst." Flüsterte er. "Und du hast gesagt, es bleibt bei der einen. Das sagst du immer." Ich wusste, dass er recht hatte. Doch das würde ich nicht zugeben. "Jetzt fang nicht mit dem kindischen Scheiß an, wir haben echt andere Probleme!" Fuhr ich ihn an. "Schrei mich nicht an! Du weißt, dass ich den Scheiß nicht ab kann. Und du versprichst dauernd Sachen, die du dann nicht einhälst. Immer bleibt es "bei der einen" aber dann rauchst du doch die halbe Packung." Seine Stimme war brüchig und Enttäuschung schwang in jedem Wort mit. Ich sah, dass er gegen die Tränen ankämpfte, die in seinen Augen glitzerten. Ich spürte einen Stich in meiner Brust, ich wollte ihn doch eigentlich gar nicht verletzen. Doch die Wut überwog. Ich konnte nichts dagegen tun. "Ich.. das ist meine Entscheidung, okay? Genauso, wie es meine Entscheidung ist, ob ich vor Chrissis Augen mit dir rum mache oder nicht. Das lasse ich mir nicht nehmen. Und ich hasse, dass du da einfach so zugestimmt hast!" "Wenn du so weiter machst, will ich gar nicht mehr mit dir rum machen!" Schnauzte Malte zurück und brachte das Fass damit zum Überlaufen. Ich sprang auf, schubste ihn nach hinten und schrie ihn an. "Was ist dir wichtiger? Ich oder.. oder die Band?" Maltes Augen starrten mich entsetzt an und dann liefen ihm die Tränen über die Wangen. Ich spürte den inneren Schmerz, den er fühlte und hasste mich dafür, was ich getan hatte. Zögerlich streckte ich meine Hand aus und berührte seine Wange. "Ich möchte nicht weniger von dir haben, nur weil jemand anders nicht damit umgehen kann." Flüsterte ich, doch Malte wandte sich von mir ab und ging zur Tür. "Nein.. lass mich nicht allein. Es tut mir leid." Schluchzte ich, doch die Tür fiel ins Schloss und plötzlich spürte ich die Kälte, die durchs Fenster hereinströmte. Ich war allein. Und es fühlte sich verdammt beschissen an.
Chrissi:
Es war kaum auszuhalten. Ich lag im Bett und fühlte mich schrecklich. Sevi saß auf seinem Bett und rauchte. "Ich geh da gleich rüber. Gleich geh ich da rüber. Wenn die nicht aufhören, gehe ich da rüber." Sagte er immer wieder, ich versuchte, ihn zu beruhigen. Wenn er das tat, würde es komplett eskalieren. Henning kochte vor Wut und ließ das den ganzen Flur lautstark wissen. Die Wände waren scheinbar sehr dünn. Ich wollte das alles nicht. Ich konnte doch nichts dafür. Wieso musste Sevi den beiden auch davon erzählen? War doch klar, dass sie das nicht so einfach hinnehmen würden. "Ich mache alles kaputt. Ich mache die Band kaputt." Flüsterte ich. "Gar nichts machst du. Henning ist einfach der größte Dickkopf, den ich kenne. Unglaublich, was er da für einen Aufstand macht. Malte kann am aller wenigsten dafür und-" Er unterbrach sich selbst, als der Streit drüben plötzlich eskalierte. Henning machte den armen Malte richtig zur Sau. Sevi sprang auf und hastete zur Tür, als plötzlich Ruhe war. Und dann klopfte es zaghaft an der Tür. Sevi öffnete und Malte kämpfte mit sich selbst, doch dann begann er zu schluchzen und stolperte Sevi in die Arme. Shit. Das war meine Schuld. Ich musste das richtig stellen. Sofort. "Beruhige du Malte, ich muss zu Henning." Rief ich Sevi zu, als ich schon auf dem Flur war und nebenan klopfte. Sofort flog die Tür auf. "Malte?" Fragte Henning hoffnungsvoll, doch als er mich entdeckte, verdrehte er seine geröteten Augen und wollte die Tür wieder schließen. "Hau ab." Knurrte er. "Nein, warte. Ich.. Können wir reden?" Bat ich, er zögerte. "Nein." "Komm schon, lass mich rein." Ich drückte gegen die Tür und Henning gab widerstrebend nach. Ich setzte mich aufs Bett, während er verspannt stehen blieb. "Es tut mir leid." Platzte es aus mir heraus. "Ich will gar nicht, dass ihr euch in meiner Gegenwart zurück nehmt. Macht, was ihr wollt, mein Gott! Ich habe mich benommen, wie ein zwölfjähriger Teenie. Fuck, weißt du, wie peinlich mir das ist? Ich hätte direkt mit euch sprechen sollen.." Fluchte ich und fuhr mir verzweifelt durch die Haare. Ich hatte irgendwie ein de ja vù von dem Abend in Sevis Küche. Ich war so dumm. "Chrissi, ich.. Wo ist Malte? Ich hab maßlos überreagiert und war so krass egoistisch. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist." Fassungslos über sich selbst stand er da und sah mich überfordert an. "Er hasst mich." Flüsterte er, ich stand auf und zog ihn in eine Umarmung. "Quatsch! Das schlägst du dir ganz schnell wieder aus dem Kopf. Malte liebt dich. Er sitzt drüben bei Sevi und weint. Redet miteinander. Ich verspreche, dass alles gut wird. Macht euch bitte keinen Kopf mehr um mich und sprecht euch um Himmels Willen aus. Ihr gehört zusammen." Redete ich auf Henning ein, er sah mich an und in seinem Mundwinkel zuckte ein kleines Lächeln, als er sich mit dem Handrücken Tränen aus den Augen wischte. Er nickte und ich klopfte ihm auf die Schulter. "Komm schon. Hol dir deinen Freund zurück." Ermutigte ich ihn und da war er schon aus der Tür. Ich folgte ihm. Malte hatte sich noch nicht beruhigt. Offenbar hatte Severin vergeblich auf ihn eingeredet. Henning stand unbeholfen im Zimmer, bis ich ihn zu Malte schubste. "Geh." Schniefte der und sah Henning nicht an. "Hör bitte zu. Es tut mir leid. Es tut mir wahnsinnig leid. Und ich liebe dich. Verdammt, ich liebe dich üb-" "Hör auf! Hör auf, ich will das nicht hören! Lass mich, geh!" Malte sprang auf und brachte einen gehörigen Abstand zwischen sich und Henning. Der streckte verzweifelt die Hände nach seinem Freund aus. "Bleib hier. Bitte." "Ich hab gesagt, geh!" Wiederholte Malte und schubste ihn. "Fühlt sich das gut an, vom Freund geschubst zu werden, mh? Abweisung ist kacke, oder?" Fragte Malte wütend, ich schaute entsetzt zu Sevi. Henning hatte Malte geschubst? Fuck. Das brachte hier überhaupt nichts. Malte würde ihm noch an die Gurgel gehen. "Henning.." Fing ich an und legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Lass ihn sich beruhigen. Sprecht nachher darüber." Sprach ich ihm gut zu. Henning atmete durch und nickte. Mit hängendem Kopf ging er raus. An der Tür drehte er sich um und fixierte Malte mit seinem Blick. "Ich liebe dich." Murmelte er und löste den Blick nicht, bis Sevi aufstand und sanft die Tür schloss. Ich ließ mich auf mein Bett fallen. So eine Scheiße. Sevi legte sich ebenfalls wieder hin und Malte machte es sich in dem Sessel am Fenster so gut es ging bequem. Ich war mir aber sicher, dass er nicht schlafen würde.
______________________Krass. Dieses Kapitel hat mich echt fertig gemacht. Dank der passenden Musik im Hintergrund (Juju ft. Henning - Vermissen 🔥🔥💓) bin ich jetzt a crying mess. Dachte, ich lasse euch mal wissen, was ich beim Schreiben durchmache 😂😭💔
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Vielleicht, vielleicht
Fanfiction> Fortsetzung von Sieben Jahre < Für die Kölner Band AnnenMayKantereit hat sich, seitdem Malte als Bassist hinzugekommen ist, das Leben um 180 Grad geändert. Der holprige Sommer 2014 liegt lange hinter ihnen. Das erste Studioalbum hatte eingeschlag...