Vielleicht, vielleicht

24. Juli 2016 (Teil 2)

Chrissi:

Verwirrt schaute ich auf mein Handy. Wieso sollte ich denn jetzt nochmal zum Proberaum kommen? Sevi hatte mir geschrieben, dass was passiert war und ich ganz schnell kommen sollte. War doch wieder was mit Henning? Besorgt schwang ich mich auf mein Rad und fuhr hin. Am Proberaum angekommen fiel mir sofort auf, dass der Bus bewegt worden war. Er stand nicht mehr dort, wo er am Morgen gestanden hatte. Was lief hier? Ich stellte mein Rad ab und ging die Treppe hoch. Drinnen hörte ich Gelächter und plötzlich ein aufgeregtes "Pssscht, er kommt!" Das wurde immer merkwürdiger. Ich öffnete die Tür und betrat den Raum, um meine drei Freunde zu mustern, die auf dem Sofa und unserem Sessel saßen und sich ganz offensichtlich das Grinsen und Lachen verkniffen. "Okay.. was ist hier los?" Fragte ich, wollte eigentlich wieder nach Hause. Mir war nicht nach Spaß. "Komm erstmal rein." "Leute, wirklich, mir ist nicht nach Spaß, gerade." Seufzte ich, Sevi ließ nicht locker. Seufzend gab ich nach und ging rüber zur Couch. Als ich Maltes ermutigenden Blick bemerkte, der aber nicht mir galt, sondern irgendwem hinter mir, wusste ich, was los war. Ich fuhr herum und war sprachlos. Meine Freundin stand vor mir und schaute mich unsicher an. War sie wirklich hier? Wieso war sie hier? Und wieso schaute sie so schuldbewusst? Ich dachte, sie war mega sauer auf mich!? "Bitte, bitte, sei nicht mehr wütend auf mich. Es tut mir so leid! Es tut mir so, so, so leid. Ich wollte dich nicht verletzen! Ich liebe dich, ich.." Platzte es aus ihr heraus, ich unterbrach ihren Redeschwall, indem ich ihr Gesicht in meine Hände nahm und ihr tief in die Augen schaute, verständnislos. "Wieso sollte ich sauer auf dich sein? Ich war so egoistisch und hab dich bedrängt.. Es.. Es tut mir so leid." Flüsterte ich, sie sah mich verwundert an. "Aber.. Ich dachte, du bist sauer, weil ich.. Weil ich nein gesagt habe.. Weil ich noch nicht zu dir ziehen konnte.." Ich schüttelte den Kopf. "Nein, nicht sauer.. Ich war enttäuscht.. Obwohl es so dumm war von mir. Ist doch klar, dass du die Uni fertig machen musst.. Ich fand die Vorstellung bloß so schön, weil.. Warte.." Meine Augen wurden groß. "Zu mir ziehen konntest?" Hakte ich nach. Sie begann zu grinsen. "Also.. Ich muss doch dieses Projekt machen für die Uni.. Als Prüfung sozusagen.. Und damit wollten wir dich an eurem Geburtstag überraschen. Weil ich dafür zu euch ziehen muss. Für längere Zeit.. Deswegen konnte ich es noch nicht.. Ich wollte die Überraschung nicht verderben. Du weißt nicht, wie schwierig es war, nichts auszuplaudern." Seufzte sie und schien sehr erleichtert, es endlich sagen zu dürfen. Aber durchblicken tat ich immer noch nicht. "Wieso musst du für das Projekt zu uns ziehen?" Jana wedelte mit einem Zettel vor meiner Nase herum. "Weil.. Ich als Abschlussprüfung eine Tour managen muss.." Verriet sie und langsam dämmerte es mir. Meine Augen wurden immer größer und ich stammelte aufgeregt. "Du.. Du.." Sie nickte und faltete den Zettel auseinander. Es war der Vetrag zwischen ihr, ihrer Uni und Sevi, also uns. "Ich bin diesen Sommer eure Tourmanagerin. Wir verbringen den ganzen Sommer zusammen!" Freute sie sich, ich konnte es nicht glauben. Jana schlang ihre Arme um meinen Hals, als ich sie hoch hob und uns im Kreis herum drehte. "Ich freue mich so! Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll! Ihr habt das.. Alles heimlich geplant? Und ich hab nichts mitgekriegt? Wow.." Warte. Der Zettel, den Malte letztens versteckt gehalten hat.." Ich sah zu ihm. "Du Drecksack!" Lachte ich. Er hob erschrocken die Hände. "Was hab ich jetzt schon wieder gemacht?" "Von wegen Liebesbrief für Henning!" Rief ich aus, er fing an zu lachen. "Ach das.. Tja.." "Liebesbrief?" Wurde Henning hellhörig. "Eigentlich war das nur die Setlist.. Ich hätte uns fast verraten.. Da musste ich mir was einfallen lassen. Es gibt keinen Liebesbrief. Sorry, mein Schatz. Aber wenn du gerne einen möchtest, werde ich gleich einen verfassen!" Sagte er bestimmt. Henning küsste ihn lachend. Ich war immer noch völlig von der Rolle. "Du bist den ganzen Sommer hier.. Wir gehen zusammen auf Tour.. Den ganzen Sommer.." Ich konnte nicht aufhören, es zu sagen. Es war so unwirklich. Jana streichelte meine Wangen. "Ja, mein Schatz, den ganzen Sommer! Der letzte Auftritt ist Anfang September. In über fünf Wochen." "In fünf Wochen.. Fünf Wochen bist du bei mir.. Ich.. Ich liebe dich über alles, Jana! Das ist die beste verfrühte Geburtstagsüberraschung, die ihr mir machen konntet. Ich bin so glücklich!" Murmelte ich gegen ihre Lippen. Und dann küsste ich sie mit all der Liebe und dem Glück, dass ich gerade spürte.

Sevi:

Klar, war es ein tolles Gefühl, die beiden endlich wieder glücklich zu sehen. Jana saß auf Chrissis Schoß, kuschelte sich an ihn, während Malte und Henning schmusend auf dem Boden nebeneinander saßen und sich irgendwas zu flüsterten. Ich saß im Sessel. Und hatte niemanden. Ich wünschte mir jemanden an meiner Seite. Dabei fiel mir auf, dass es mir nicht mehr so schwer fiel, an Lea zu denken. Es ist fast zehn Jahre her. Lass sie los, Sevi. Ich schluckte und blinzelte gegen die Tränen an. Es stimmte ja. Ich musste sie los lassen, um wieder richtig glücklich sein zu können. Um jemand neues in mein Leben lassen zu können. Ich seufzte, wischte mir über die Augen. "He, Sevi! Was ist?" Natürlich entging es Malte nicht. "Ich.. Ich hab an Lea gedacht.. Ich glaube, ich bin bereit, sie gehen zu lassen. Es.. Es ist Zeit für jemand neues." Erzählte ich ganz gefasst und war von mir selbst überrascht. Jana schaute verwirrt drein, während Henning, Malte und Chrissi zu mir kamen und mich umarmten. "Wir sind so stolz auf dich! Wirklich! Schau nur, was letztes Jahr war und wo du jetzt bist. Du hast es geschafft, Sevi! Lea wird immer hier drin bleiben." Malte legte seine Hand auf mein Herz. "Aber da ist jetzt auch Platz für ganz viel neue Liebe. Und das wünscht sich Lea bestimmt für dich." Tränen sammelten sich wieder in meinen Augen. Gott, wieso konnte er das so verdammt gut? Malte hatte einfach diese spezielle Art, Leute zu beruhigen und ihnen Mut zu machen. "Kann mich vielleicht mal einer aufklären?" Fragte Jana, wir lösten uns voneinander. Ich wuschelte Malte durch die Haare. "Danke, Kleiner." Er lächelte mich bloß an und setzte sich wieder zu Henning, der ihn mit ausgestreckten Armen empfing. Chrissi flüsterte mit Jana, und als sie mich mitfühlend ansah, machte es mir nichts mehr aus. Es war Zeit, sich neu zu verlieben. Und wer weiß, was dieser Sommer noch brachte?