15. Mai 2016; Jana:
Nach einem fantastischen Konzert und einer großen Party danach, lag ich am nächsten Morgen mit Chrissi in seinem Bett. Der Tourabschluss war perfekt gewesen. Ich hatte mich lange mit dem Tourmanager der Jungs unterhalten und mich mit ihm über den Job ausgetauscht, da ich genau das ja studierte. Malte hatte zusammen mit Jonas so ziemlich die ganze Garderobe auf den Kopf gestellt. Ich hoffte, sie hatten beide einen richtig fetten Kater. Die beiden waren besoffen eine totale Katastrophe. Ich fragte mich, was Henning von der Freundschaft hielt. Chrissis Hand fuhr an meinem Rücken auf und ab und holte mich aus meinen Gedanken. Wohlig seufzend genoss ich seine Zärtlichkeiten. Ich malte mit den Fingerspitzen auf seinem T-shirt unsichtbare Muster. "Noch zwei Stunden." Flüsterte ich, Chrissi legte den Arm um mich, hielt mich ganz fest. "Ich wünschte, du könntest bei mir bleiben. Aber ich komme dich bald wieder besuchen. Die Tour ist doch jetzt vorbei. Dann kann ich länger bei dir bleiben und dann haben wir ganz viel Zeit." Mein Herz schlug Purzelbäume bei dem Gedanken daran und schon fand ich den bevorstehenden Abschied nicht mehr so schlimm. Ich setzte mich auf und strahlte ihn an. "Das wäre so schön. Ganz viel Zeit zum Kuscheln!" Chrissi lachte auf und nahm meine Hände, verschränkte unsere Finger. Ich ließ mich rückwärts ins Kissen fallen, zog ihn über mich. Chrissi stützte sich mit einer Hand neben mir ab und sah mich mit seinen blauen Augen liebevoll an. "Nicht nur zum Kuscheln.." Murmelte er, mein Herz fing an zu stolpern. Ich spürte seinen Atem an meinem Hals, als er sich herunter beugte, einen sanften Kuss auf meinen Hals drückte und mir "Ich liebe dich" ins Ohr flüsterte. Schmetterlinge tobten durch meinen Bauch, meinen ganzen Körper. Ich liebte es, wenn er das tat. Ich liebte ihn. Ich legte meine Hände in seinen Nacken. "Ich liebe dich!" Antwortete ich ihm und zog ihn zu mir herunter. Spürte sein Gewicht auf mir, als er sich nicht mehr abstützte. Doch es machte mir nichts aus. Ich liebe es, wenn du mir nah bist. Ganz leicht berührten sich unsere Lippen, nicht ganz. Ich schloss die Augen und ließ mich in einen zärtlichen Kuss fallen. "Ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich!" Sagte ich immer wieder zwischen Küssen, drückte mich an ihn. Ich wusste nicht, wie lange wir hier lagen und uns küssten. Doch irgendwann klopfte Jonas an die Tür. Ich löste mich von Chrissi, als er den Kopf herein steckte. Er sah echt fertig aus. Geschah ihm recht. "Hey, ihr zwei.. Oh man, ich will das nicht sagen, aber ihr müsst los." Mitfühlend sah er uns an, ich presste meine Lippen zusammen und nickte. Nicht weinen, nicht weinen. "Ja." Brachte ich hervor und wir standen auf, gingen nach unten. Mein Koffer stand schon an der Haustür. Ich verabschiedete mich von Jonas und stieg ins Auto, während Chrissi mein Gepäck einlud. Die Autofahrt zum Bahnhof verlief schweigend. Ich hatte Angst, sofort wieder heulen zu müssen, sobald ich den Mund aufmachte. Und dann waren wir auch schon da und standen am Gleis. Wieso vergingen die letzten Minuten so schnell? Traurig schaute ich meinen Freund an, der seine Arme ausstreckte und mich an sich zog. "Ich möchte nicht, dass du wegfährst." Flüsterte er, ich schluckte schwer. "Ich auch nicht. Lass mich nicht los. Behalt mich einfach hier." Bat ich, er seufzte. "Das würde ich sofort tun, glaub mir. Aber du musst nach Hause." Ich wusste, dass er recht hatte. "Komm bald zu Besuch, ja?" "Versprochen! Sobald ich ein paar Tage frei habe, setz ich mich ins Auto. Jana.. Ich werd dich so vermissen." Seine Stimme brach und ich schaute auf. Tränen glänzten in seinen Augen. "Nein, nein, nein. Nicht weinen, sonst fange ich auch wieder an." Schniefte ich und er lächelte schwach und beugte sich zu mir, um mich zu küssen. Die Ansage für den einfahrenden Zug unterbrach uns. "Ich vermisse dich jetzt schon. Ich liebe dich!" Flüsterte ich und küsste ihn nochmal. Der Zug kam und hielt langsam. Ich will nicht einsteigen. "Ich liebe dich auch! Schreib mir, wenn du zu Hause bist." Noch eine Umarmung. Ich bin hier zu Hause. Genau hier, in deinen Armen. "Dann müsste ich dir jetzt schreiben." Murmelte ich und dann lief Chrissi doch eine Träne über die Wange. Ich wischte sie mit dem Daumen weg und drückte ihm einen letzten Kuss auf die Lippen. "Tschüss. Ich liebe dich!" "Ich liebe dich auch." Lächelte Chrissi und meine Finger entglitten seinen. Ich zerrte meinen Koffer in den Zug und suchte mir einen Platz. Mein Freund stand auf dem Gleis und winkte traurig, ich kämpfte gegen die Tränen an. Doch als der Zug sich in Bewegung setzte, konnte ich nicht mehr und fing an, zu heulen.
Henning:
Am Nachmittag trafen wir uns alle im Proberaum, um alles, was wir auf der Tour gebraucht hatten, wieder wegzuräumen und generell mal Ordnung zu schaffen. Malte lag, mit einer Packung Tiefkühlerbsen auf der Stirn, auf der Couch und stöhnte gequält. Er hatte Kopfschmerzen. Welch Wunder. "Selber Schuld!" Schimpfte ich und Malte warf mir einen strafenden Blick zu. Sevi schraubte gerade sein Schlagzeug wieder zusammen. "Ehrlich. Ihr seid komplett durchgeknallt. Weiß nicht, ob ich Jonas bei sowas noch mal dabei haben will." Stimmte er mir zu. Ich war dabei, sämtliche Kabel ordentlich aufzurollen und im Schrank zu verstauen. Malte schmollte. "So schlimm war es gar nicht. Ihr übertreibt." Sein Handy vibrierte auf dem Tisch und er angelte danach. Ich konnte mir vorstellen, wer das war. "Oh man.. Chrissi ist wohl richtig fertig. Ob er noch kommt, ist fraglich." Erzählte mein Freund dann, ich warf ihm einen Blick zu. "Hat er geschrieben?" "Nee, Jonas." Wer hätte das gedacht? Mies gelaunt grummelte ich und widmete mich wieder den Kabeln. Seit gestern steckten die beiden dauernd zusammen und ja, es kotzte mich an. Ich wusste, dass es albern war. Aber ich konnte nichts gegen dieses Stechen tun, dass sich in meiner Brust ausbreitete, wenn nur Jonas Name fiel. Jonas hier, Jonas da. Die beiden hatten die Garderobe völlig verwüstet, betrunken wie sie gewesen waren. Bis Sevi irgendwann ein Machtwort gesprochen hatte und wir alle nach Hause gefahren waren. Dort war Malte todmüde ins Bett gefallen und ich hatte noch lange wach gelegen. Die Nacht hatte ich mir definitiv anders vorgestellt.
Chrissi tauchte an dem Nachmittag nicht mehr auf. Also beschloss ich, ihn am Abend zu besuchen. Alles in mir sträubte sich dagegen, Jonas zu begegnen, aber ich wollte unbedingt nach meinem besten Freund sehen. Ihm musste es echt dreckig gehen. Als ich klingelte, öffnete natürlich nicht Chrissi. "Hey, Henning! Komm rein. Chrissi ist in seinem Zimmer." Begrüßte mich Jonas, ich verdrehte die Augen und ging an ihm vorbei zur Treppe. "Alles gut? He, tut mir leid, wegen gestern Abend.. Ich mach's wieder gut." Zerknirscht schaute er mich an. "Vergiss es einfach." Fuhr ich ihn an und ging hoch. Und lass die Finger von meinem Freund. Chrissi saß auf seinem Bett und zupfte an den Saiten seiner Gitarre herum. Leise murmelte er irgendwelche Zeilen, die ich nicht verstand. Ich klopfte vorsichtig gegen den Türrahmen und er zuckte zusammen. "Oh. Hey." Sein Lächeln erreichte seine Augen nicht. "Hi..Dir geht's echt nicht gut, oder? Ich verstehe, wie du dich fühlst. Sie fehlt dir, mh?" Fragte ich und setzte mich neben ihn. "Ich kann dir nicht sagen, wie sehr. Ich hätte sie am Liebsten nicht gehen lassen. Ich möchte sie wieder hier bei mir haben." Geknickt schaute er drein. "Ihr seht euch bestimmt ganz schnell wieder. Ich meine.. Klar tut ihr das. Ihr gehört zusammen. Und sooo weit weg wohnt Jana nun auch nicht. Fahr doch nächste Woche zu ihr. Wir haben doch nichts vor bisher." Schlug ich vor und sein Gesicht hellte sich auf. "Nicht? Ich dachte, da war das Meeting mit dem Label?" "Jaa.. Aber wenn einer von uns fehlt, ist das glaube ich, nicht so schlimm." Winkte ich ab und fühlte mich selber gleich viel besser, als Chrissis Lippen sich zu einem Lächeln verzogen. Einem echten Lächeln. "Danke, man." Er klopfte mir auf die Schulter. "Ist doch klar. Dann.. Dann bist du jetzt also richtig verliebt, was?" Grinste ich und Chrissi lief rot an. "Und wie.. Es ist krass, wie schnell sowas gehen kann. Weißt du noch, was ich für ein Drama fabriziert habe, am Anfang der Tour? Und schwupps.. Bin ich bis über beide Ohren verknallt. Jana ist so toll.." Schwärmte er und mein Grinsen wurde noch breiter. "Und ihr zwei?" Fragte er dann und das Grinsen fiel mir prompt aus dem Gesicht. Chrissi zog eine Braue hoch. "Oh nein... Sag nicht, ihr habt Stress?!" Er klang vorsichtig. Ich seufzte. "Naja.. Stress würde ich es nicht nennen.. Malte hat ja nichts gemacht, eigentlich.. Bis auf diese Eskalation im backstage. Nein, es ist Jonas.. Ach, eigentlich ist es auch albern.. Sie sind Freunde.. Ich.. Ich bilde mir da irgendwas ein." Ich schüttelte den Kopf, als wollte ich die Gedanken rausschütteln. "Du bist eifersüchtig." Stellte Chrissi fest und sah mich prüfend an. Ich merkte selber, wie bescheuert das war. "Nein, ich.. Ich.. Ja." Murmelte ich und spielte mit meinen Fingern. "Henning, das ist doch quatsch. Jonas steht nicht mal auf Männer. Mach dir da keinen Kopf. Wie du schon gesagt hast, sie sind Freunde. Malte liebt dich, nur dich." Redete er auf mich ein und ich spürte zum ersten Mal seit gestern sowas wie Erleichterung. Er hatte sicher recht. Malte gehörte zu mir. Und ich gehörte voll und ganz zu ihm. Irgendwie fühlte ich mich jetzt schlecht, weil ich so hart zu ihm gewesen war, den ganzen Tag. Ich zog mein Handy aus der Tasche und tippte eine SMS an meinen Freund. Es dauerte keine zwei Minuten, bis die Antwort kam. "Du hast recht, Chrissi." Lächelte ich und steckte das Handy weg. "Er liebt mich." Mein Herz hüpfte vor Glück, als mir das wieder bewusst wurde. Er liebt mich.
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Vielleicht, vielleicht
Fanfiction> Fortsetzung von Sieben Jahre < Für die Kölner Band AnnenMayKantereit hat sich, seitdem Malte als Bassist hinzugekommen ist, das Leben um 180 Grad geändert. Der holprige Sommer 2014 liegt lange hinter ihnen. Das erste Studioalbum hatte eingeschlag...