28. Mai 2016 (Teil 3)

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Sevi:

Wir starrten den Arzt nervös an, er lächelte mitfühlend. "Was ist mit meinem Freund?" Platzte es aus Malte heraus, er knetete unruhig seine Hände. Seine Augen waren rot und seine Stimme brüchig. Er war total verheult. Ich schluckte. Es tut mir so leid, Malte. Ich legte ihm meine Hand auf die Schulter und drückte sie sanft, um ihn zu beruhigen. Doch er nahm sie gar nicht wahr, war voll und ganz auf den Arzt konzentriert, der anfing zu erzählen, was gemacht worden war. "Herr May hat durch den Aufprall mit dem Fahrzeug einen Milzriss erlitten, den wir aber sehr gut operieren konnten. Vier seiner Rippen auf der linken Seite sind gebrochen.. Dort trägt er jetzt eine Bandage, da die Rippen von alleine wieder ausheilen. Sein Arm allerdings.. Also, der linke Arm hat zwei Brüche, die recht kompliziert sind. Es wurden Schrauben eingesetzt und Herr May wird die nächsten Wochen einen Gips tragen müssen. Ansonsten hat er eine Gehirnerschütterung und mehrere Schürfwunden. Er hatte unglaubliches Glück, dass die Wirbelsäule nichts abbekommen hat. Herr May wird mit Sicherheit keine bleibenden Schäden davon tragen. Gott sei Dank! Tränen sammelten sich auch in meinen Augen, als Malte wieder anfing, zu weinen. Dieses Mal vor Erleichterung. "Wa.. Wann können wir zu ihm?" Stammelte er, der Arzt überlegte. "Ich denke, sobald er wach wird. Er wird wohl nicht viel sprechen können, weil er durch die Schmerzmittel und die Narkose sehr müde sein wird. Aber es tut ihm sicherlich gut, wenn Sie da sind." Lächelte der Arzt und Malte wirkte recht erleichtert. "Es dürfte noch etwa eine Stunde dauern. Sie können sich noch so lange in den Wartebereich setzen. Wir geben Ihnen dann Bescheid." Ich bedankte mich und zog Malte aus dem Raum. "Siehst du, er wird wieder. Keine bleibenden Schäden. Er wird wieder ganz, wie vorher. Wie du ihn kennst. Ich hab doch gesagt, er schafft das für dich." Versuchte ich, Malte aufzubauen und er warf mir ein kleines Lächeln zu. "Danke. Ich bin froh, dass du mit mir hier bist." Seine Worte taten mir genauso gut. Er war nicht sauer auf mich. Obwohl er allen Grund dazu hatte. "Da fällt mir ein.. Wir müssen Chrissi Bescheid sagen. Und Hennings Familie. Ich rufe seinen Vater an." Hastig zog er sein Handy aus der Hosentasche und wählte, bevor er es sich ans Ohr drückte und zum Fenster ging, um zu telefonieren. Nachdenklich schaute er nach draußen, es wurde bald dunkel. Ich suchte währenddessen Chrissis Nummer im Telefonbuch meines Handys und drückte auf Grün. Es tutete lange, bis er endlich dran ging. "Sevi, hey. Was gibt's?"  Begrüßte er mich, er klang verschlafen. "Hi.. Du, Henning... Also.. Henning.." Ich verstummte. Ich wollte ihn nicht von Jana los reißen. Schon wieder tat es mir leid. Schon wieder machte ich was kaputt. "Sevi, was ist mit Henning?" Sofort klang seine Stimme nicht mehr schläfrig, sondern alarmiert. "Er.. Hatte einen Autounfall.." Ließ ich die Bombe platzen, Chrissi schnappte hörbar nach Luft. "Hä.. Aber er kann doch gar nicht fahren." "Man, Chrissi! Er ist vor ein Auto gelaufen. Wir sind im Krankenhaus. Henning wurde.. Er wurde notoperiert." "WAS?" Schrie Chrissi fast ins Telefon, ich hörte Geräusche im Hintergrund und nahm Gesprächsfetzen von Jana und Chrissi wahr. "Was ist los?" "Tut mir leid.. dich nicht wecken.. Henning ist im Krankenhaus.. Unfall.. Sevi am Telefon.." "Oh.. schrecklich.. Klar fährst du hin.." Genau das hatte ich nicht gewollt. "Du musst nicht kommen, Chrissi. Bleib die zwei Tage noch wie geplant bei Jana. Henning ist eh noch nicht wirklich ansprechbar." Chrissi wehrte sofort ab. "Quatsch, natürlich komme ich nach Hause. Ich fahre morgen früh los. Sagt mir Bescheid, wenn sich sein Zustand ändert, ja?" Bat er, ich versprach es ihm. Mein Blick wanderte zu Malte, der sich über die Augen wischte, während er jetzt scheinbar mit Hennings Bruder sprach. Ich lächelte ihn aufmunternd an. Sein Lächeln, dass er mir zurück warf, erreichte seine Augen nicht. "..äh, Jana will dich sprechen. Sie macht sich auch Sorgen." Räusperte sich Chrissi am Telefon. Ich fand es lieb, dass sie sich auch nach Henning erkundigte und erzählte ihr in der Kurzfassung, was passiert war. "Das tut mir echt leid. Ich hab Chrissi gesagt, er soll fahren. Das ist viel wichtiger, als hier zu sein. Wir haben noch so viel Zeit, da soll er lieber bei Henning sein." Ich beobachtete Malte, der aufgelegt hatte und nun nervös im Zimmer auf und ab wanderte. Es machte mich wahnsinnig. "Das ist echt lieb von dir, Jana. Danke, für das Verständnis. Ich hab mich echt blöd gefühlt, euch auseinander zu reißen. Ihr habt euch so auf die Zeit gefreut." "Ach Quatsch, Sevi. Mach dir da keinen Kopf. Alles gut, wirklich. Ich.. Ich lege dann auf, ja?" "Ja, tschüss." Ich steckte mein Handy wieder weg. "Und?" Fragte ich Malte, der noch immer wie Falschgeld herum lief. Malte zuckte zusammen und sah mich erschrocken an. "Was?" "Kommen sie?" "Äh, ja. sein Dad kommt von der Arbeit und holt Hennings Bruder ab, dann kommen sie her. Was ist mit Chrissi?" Fragte er zurück, ich nickte. "Er kommt morgen früh. Ich hab gesagt, er muss nicht alles stehen und liegen lassen, aber du kennst ihn ja. Der kann jetzt nicht still sitzen, bis er hier ist." Seufzend ging ich zu ihm. "Und du versuchst jetzt auch mal, ein bisschen runter zu kommen. Ich weiß, du machst dir Sorgen, aber dein Rumgerenne hilft Henning nicht und mich macht es irre. Setz dich jetzt hin." Ich schob ihn zu einem Stuhl und drückte ihn darauf. Malte atmete durch. "Danke. Ohne dich wäre ich schon längst durchgedreht." Murmelte er. Ich zog die Augenbrauen hoch. "Ich verstehe dich nicht, Malte. Wieso bist du nicht sauer auf mich? Es ist doch meine Schuld. Alles meine Schuld. Wenn ich diesen komischen Typen nicht geschrieben hätte, dass ich mich mit ihnen treffen möchte, wäre das mit Henning nie passiert. Dabei wollte ich doch nur wissen, was für dreiste Leute das sind.. Ich würde euch doch nie, niemals verlassen.." Jetzt war es Malte, der mir seinen Arm um die Schultern legte. "Genau deshalb bin ich nicht sauer auf dich. Du kannst nichts dafür. Keiner kann was dafür. Es waren blöde Zufälle. Und wie du schon gesagt hast, heute. Henning ist sturer als 100 Maulesel. Wenn er dir zugehört hätte, anstatt diese fiesen Sachen zu sagen, wäre er jetzt nicht hier. Andererseits kann man es ihm wieder nicht übel nehmen. Ich wäre auch ausgerastet, wenn ich die Email gesehen hätte .. Er war doch nur so wütend, weil er dich gerne hat. Weil wir dich alle sehr gerne haben. Und wir dich brauchen. Und wir nicht wollen, dass du gehst. Du gehörst doch zu uns. Als bester Freund und als Drummer." Mein Herz machte Luftsprünge bei Maltes Worten. So albern und kindisch er auch sein konnte, so reif und erwachsen war er auf der anderen Seite. Er wischte alle meine Sorgen, dass sie lieber miteinander was machten, als mit mir, einfach weg. Ich drehte mich zu ihm und umarmte ihn einfach. "Danke. Du weißt nicht, wie viel mir das bedeutet." Flüsterte ich, er strich mir über den Rücken. "Ist doch klar. Hey, ich glaube da kommt jemand!" Aufgeregt löste er sich von mir und sprang auf, als tatsächlich eine Schwester herein kam. "Sind Sie für Henning May hier?" Fragte sie freundlich, wir nickten. "Ja! Können wir jetzt zu ihm?" Drängte Malte, die Schwester lächelte. "Ja. Er ist jetzt einigermaßen wach. Kommen Sie bitte mit." Ich stand ebenfalls auf und folgte Malte, der fast rannte, und der Frau die Gänge entlang, bis zu einem Zimmer. Maltes Hand zitterte, als er die Türklinke ergriff. "Na los. Geh zu deinem Freund." Lächelte ich ihn an und Malte wurde noch mehr rot, als er vom vielen Weinen eh schon war. Er lächelte verlegen und öffnete die Tür. Aufgeregt traten wir ein.

Henning:

"Malte?" Mein Hals brannte, als ich nach meinem Freund fragte. Was war passiert? Wo war ich überhaupt? Mein ganzer Körper tat schrecklich weh und ich stöhnte auf, als es beim Atmen ekelhaft in meiner Brust stach. Mir fielen das hupende Auto und die quietschenden Reifen wieder ein und dieser abartige Aufprall. Fuck! Ich schlug die Augen auf, als ich meinen linken Arm nicht bewegen konnte. Alles drehte sich um mich herum, ich blinzelte ein paar Mal, bis ich normal gucken konnte. Entsetzt stellte ich fest, dass mein Arm in einem fetten Gips steckte. Das war's dann wohl erstmal mit Ukulele, Henning. Ich sah mich um. War hier irgendwo ein Schalter oder sowas, mit dem ich jemanden rufen konnte? Ich entdeckte den roten Knopf an der Wand über dem Bett und hob den heilen Arm, um drauf zu drücken. Geschafft. Plötzlich schossen noch mehr Schmerzen durch meinen Körper, ich zuckte zusammen und ließ den Arm schnell wieder sinken. Sekunden später kamen ein Arzt und eine Schwester herein. "Sie sind wach, Herr May! Sehr schön. Wie fühlen Sie sich?" Er musterte mich, während die Schwester an dem Tropf und der Nadel in meiner Hand herumfuchtelte. "Ich würde ja.. jetzt sagen, wie überrollt.. aber das wäre wohl.. etwas merkwürdig." Krächzte ich, der Arzt sah mich schief an. Sag ich doch. Die Schwester hingegen unterdrückte ein Kichern. Ich grinste sie müde an. "Ich sehe, es geht Ihnen den Umständen entsprechend gut. Haben Sie starke Schmerzen?" Wollte er wissen, ich streckte mich und zuckte direkt wieder zusammen. "Aua! Ja, schon." Stöhnte ich auf. "Die Schwester gibt Ihnen noch was an Schmerzmitteln." Er nickte ihr zu und verabschiedete sich dann. "Genau. Und dann wollen Sie sicher Besuch empfangen, mh? Da sind schon seit Stunden zwei Herren im Wartezimmer, die sehr besorgt sind." Lächelte sie und sah mich vielsagend an. Malte! "Ja? Ich meine.. Ja!" Mein Bauch kribbelte. Sie nickte und stellte den Tropf ein. "Ich geh die beiden holen." Verkündete sie dann und verließ mein Zimmer. Ein paar Minuten später öffnete sich die Tür erneut. Erwartungsvoll schaute ich auf und dann kam der Mensch herein, den ich so sehr liebte. Seine Augen waren ganz rot und verquollen. Er hatte geweint. "Malte!" Stieß ich hervor, streckte meine Hand nach ihm aus. "Oh Gott, Henning!" Geschockt starrte er zwischen meinen Augen, dem Gips und den ganzen Schläuchen hin und her, an die ich angeschlossen war. "Hey.." Ich gähnte. Die Schmerzmittel wirkten schon. "Wie.. Wie geht es dir? Blöde Frage, ich weiß. Ich hab mir solche Sorgen gemacht.." Ich drückte seine Hand sanft. "Shhh. Ich bin okay. Das ist nichts, was nicht.. wieder heil wird." Ich räusperte mich. "In ein paar Wochen bin ich wieder wie neu." Die Erleichterung war ihm deutlich anzusehen. "Das haben wir ihm schon mehrfach versucht, klar zu machen. Aber er musste es wohl von dir hören." Erst jetzt bemerkte ich Sevi, der etwas weiter weg stehen geblieben war und mich unsicher anschaute. Ich musterte ihn skeptisch. "Es ist nicht seine Schuld. Es war ein Missverständnis. Er wird die Band nicht verlassen, Henning." Flüsterte Malte mir zu, streichelte meine Wange. Ich schloss die Augen und genoss die Berührung. "Du.. Nicht? Oh.. Fuck, ich bin so.. bescheuert. Tut mir leid, dass ich so.. ausgerastet bin, Sevi.. Dann war das hier wohl alles umsonst, mh?" Murmelte ich und zwang mich, die Augen wieder zu öffnen. Er kam zu mir und Malte rutschte ein Stück. Sevi strich mir vorsichtig durch die Locken. "Natürlich gehe ich nicht, du alter Sturkopf. Hättest du mich bloß ausreden lassen.. Ich bin so froh, dass es dir einigermaßen gut geht." "Tut mir leid.. Ich bin.. ein Idiot.." Die Augen fielen mir immer wieder zu. "Erzählt mir alles, wenn.. Wenn ich.." Wieder ein Gähnen. "Wenn du ausgeschlafen hast. Wir kommen dann morgen früh wieder. Mit Chrissi." Malte drückte meine Hand, streichelte sie liebevoll. "Ihr habt Chrissi zurückgeholt? Jetzt ist Ja..Jana bestimmt..sauer. Ich.. Erklären.." Nuschelte ich. "Alles gut. Schlaf jetzt, mein Schatz." Ich spürte, wie Malte sich über mich beugte und dann küsste er mich. Schwach erwiderte ich den Kuss. "Ich liebe dich." Flüsterte er, ich lächelte. "Ich liebe dich auch, Malte." Wie sie den Raum verließen, bekam ich schon nicht mehr mit.

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