06. September 2016

181 5 2
                                    

06. September 2016; Chrissi:

Jana machte ihren Job als Tourmanagerin verdammt gut. Sie nahm ihre Aufgaben sehr ernst, ertrug uns Idioten geduldig und ließ sich von den blöden Sprüchen anderer Männer auf den Festivals nicht unterkriegen. Wir waren immer sofort zur Stelle, wenn sie irgendwo Stress hatte, aber meistens regelte sie das ganz wunderbar alleine. Es war für Frauen ziemlich schwierig, in unserer Branche ernstgenommen zu werden. Es gab nicht viele rein weibliche Bands auf Festivals, und schon gar keine Frauen in Management-Positionen. Deshalb war ich verdammt stolz, dass sie sich so durch biss und den Ehrgeiz hatte, weiter zu machen. Aber in den letzten Tagen war sie ziemlich nah am Wasser gebaut. Und irgendwie schien sie sich nicht wohl zu fühlen. Sie war nicht mehr mit im Proberaum, zwischen den Festivals. Manchmal hörte ich sie weinen, wenn sie dachte, dass ich es nicht mit bekam. Oder sah ihr an, dass sie geweint hatte, wenn ich nach Hause kam. Wenn ich dann fragte, was los war, blockte sie ab. Ich war ratlos und redete viel mit den Jungs, doch die wussten auch nicht weiter. Selbst Malte bekam nichts aus ihr heraus. Dabei waren die beiden echt eng miteinander geworden. Vielleicht war sie traurig, weil die Saison bald zu ende war? Wir würden nur noch zu einem Festival fahren, in einigen Tagen. Ich ging zum Badezimmer, als ich Jana wieder schluchzen hörte. Öffnete die Tür und sie sah mich erschrocken an. Versteckte sie was hinter ihrem Rücken? Ich zog sie vom Badewannenrand hoch. Wollte sie in den Arm nehmen, aber sie verkrampfte sich, also ließ ich es. Ich wollte sie zu nichts zwingen. "Rede bitte mit mir. Was hast du?" Bat ich verzweifelt, sie schüttelte den Kopf. "Es ist okay. Geht schon wieder.. ich.." "Jana! Es ist nicht okay, verdammt! Ich ertrage es nicht mehr, dich dauernd heulen zu hören!" Fuhr ich sie ungewollt laut an, sie zuckte zusammen und brach wieder in Tränen aus. "Wieso schreist du mich an?" "Ich.. es tut mir leid.. ich mache mir doch bloß Sorgen um dich. Du lachst nicht mehr.. was ist nur passiert? Liegt es an mir? An den Jungs? Bist du.. bist du traurig, weil die Tour fast vorbei ist? Weil du wieder nach Frankfurt musst? Hör zu, du kannst weiter mit uns arbeiten, nach dem Abschluss.." "Das ist es nicht, Chrissi! Und jetzt hör auf! Hör auf, mich auszufragen!" Sie wischte sich über die Augen und stand auf. Machte sich von meinen Händen los. Verwirrt und verletzt ließ sie mich stehen und rannte ins Schlafzimmer. Die Tür knallte zu. Ich seufzte. Immer das Gleiche. Ich ging ihr hinter her und klopfte an die Tür. "Jana, bitte.. Vertraust du mir nicht mehr? Bin ich Schuld, dass es dir so schlecht geht?" "Nein.. Ja. Nein, ich.. Ich bin auch dran Schuld." Hörte ich sie hinter der Tür stammeln. Was hatte ich denn getan? "Was.. Was hab ich.. Was hab ich dir getan?" Wollte ich wissen und hörte, wie der Schlüssel sich im Schloss herum drehte. Zögerlich öffnete Jana die Tür. Mit roten Augen sah sie mich an. "Chrissi.. Ich.. Ich.." Es fiel ihr so schwer, es mir zu sagen. Meine Finger legten sich an ihre Wangen, ich schaute ihr tief in die Augen. "Schatz. Was ist los?" Fragte ich sie eindringlich, sie schloss die Augen und atmete durch. Schweigend zog sie ihre Hand hinter ihrem Rücken hervor. Und hielt mir mit zittrigen Fingern einen Schwangerschaftstest hin. Mein Mund klappte auf. Und wieder zu. Und wieder auf. "Das.. Du.." Mit großen Augen sah ich sie an. "Ich bin schwanger, Chrissi. Wir.. Wir bekommen ein Baby." Platzte es endlich aus ihr heraus. Der Schwangerschaftstest fiel zu Boden, meine Hände begannen zu zittern. Ich war komplett überwältigt. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich wollte sie nicht verletzen. "Jana.. Ich bin sprachlos.. Tut mir leid, ich.. Ich kann da gerade nicht mit umgehen." Ich drehte mich von ihr weg, wollte nach unten abhauen. Doch sie hielt mich fest. "Du kannst da nicht mit umgehen? DU? Was meinst du, wie es mir geht? Seit Tagen habe ich verdammt Schiss! So viel Schiss, dass ich mich nicht getraut habe, diesen dummen Test zu machen. Und jetzt.. Jetzt habe ich ihn gemacht und er ist positiv! Da wächst dein Kind in meinem Bauch, Christopher! Aber Hauptsache, DU kannst da nicht mit umgehen!" Schrie sie mich an und Tränen strömten ihre Wangen hinab. Sie stieß mich grob von sich, rannte ins Badezimmer zurück und schlug die Tür wieder zu. Fuck. Was hatte ich getan? Sie braucht dich, Chrissi. Ich seufzte. "Jana, es tut mir leid.. Ich will mich gar nicht raus reden.. Aber.. Darf ich nicht auch geschockt sein? Wie du schon gesagt hast.. Es ist mein Kind. Unser Kind. Ich.. Komm bitte raus. Ich möchte.. Lass mich dich in den Arm nehmen.. Für dich da sein.. Lass uns darüber reden. In Ruhe." Flehte ich und drückte die Türklinke runter. Sie hatte nicht abgeschlossen. Jana saß zusammengekauert neben der Badewanne und zitterte. "Schatz.." Flüsterte ich, sie sah mich völlig verwirrt an. "Was sollen wir bloß machen? Was sollen wir um Gottes Willen mit einem Baby?" Heulte sie, ich nahm ihre Hände und zog sie hoch. Ich war unglaublich erleichtert, als sie ihre Arme um meine Mitte schlang und in mein Shirt weinte. Wenigstens stieß sie mich nicht mehr weg. Ich legte meinen Arm um ihre Schultern und führte sie behutsam ins Schlafzimmer. Auf dem Bett kuschelten wir schweigend miteinander, ich streichelte sie sanft und verteilte kleine Küsse auf ihrem verweinten Gesicht. Langsam beruhigte sich Janas Atem und ihre Schluchzer verklangen. "Was sollen wir denn jetzt mit einem Baby?" Fragte sie wieder, ich seufzte. "Das.. Ich weiß nicht.. Geht ein bisschen zu schnell, mh? Ich meine.. Wir wollten doch erstmal zusammen ziehen und dann.. Alles auf uns zu kommen lassen.. Irgendwann mal Kinder.. Und jetzt bist du schwanger.." Versuchte ich, das alles selber zu verstehen. "Mhm.. Viel zu schnell. Ich.. Ich möchte dir nichts kaputt machen.." Sie zupfte an meinem T-shirt herum, sah mich nicht an. "Was machst du denn kaputt?" "Naja.. Wenn ihr unterwegs seid und die Band dich braucht, dann.. Dann stehe ich doch mit einem Baby im Weg." Glaubte sie das wirklich? "Schatz.." Fing ich an und hob ihr Kinn an, damit sie mich anschaute. "Du könntest niemals im Weg stehen. Ich liebe dich! Ich möchte dich immer bei mir haben. Und wenn das Baby bedeutet, dass ich öfter zu Hause bin, dann ist das doch was Schönes." Fand ich, sie machte große Augen. "So.. So habe ich das noch nicht gesehen. Aber du hast recht.." Eine lange Pause entstand. Ich legte meine Hand auf Janas Unterleib. Sie legte ihre auf meine. "Kannst du dir vorstellen, dass hier drin unser Baby wächst? Seit 7 Wochen.. Sagt zumindest der Test." Flüsterte sie, ich lächelte. "Nein, kann ich noch nicht. Man sieht ja noch gar nichts." "Gott sei Dank! Wann... Wann.. Also.. Ich möchte es Malte erzählen. Oh man, ich will es sofort Malte erzählen!"  Sie setzte sich auf, doch ich hielt sie zurück. "Hey, hey, nicht so hastig! Lass es uns erstmal selber begreifen. Meinst du nicht? Es.. Es genießen..?" Fragte ich vorsichtig, wollte ihre Freude nicht zerstören. Sie biss sich auf die Unterlippe. "Stimmt.. Ja." Murmelte sie, legte sich wieder hin. Schmiegte sich an mich. Es war verrückt. Eben gerade noch waren wir völlig aufgelöst gewesen und jetzt sprach ich davon, den Beginn von Janas Schwangerschaft zu genießen. Total verrückt, was so ein Baby mit einem machte, obwohl es noch nicht mal da war. Es war mein Baby. Unser Baby. Ich konnte nicht anders, als wieder den noch flachen Bauch meiner Freundin zu streicheln. Es war so unwirklich. "Chrissi.. Ich liebe dich. Über alles." Flüsterte Jana, ich beugte mich zu ihr hinab und küsste sanft ihren Hals. "Ich liebe dich auch." Hauchte ich und lächelte, als sie Gänsehaut bekam. Wir schauten uns in die Augen. Ich sah Liebe in ihren. Liebe und ein wenig Angst. "Keine Angst.. Wir schaffen das. Und die Jungs sind bestimmt prima Babysitter." Scherzte ich. "Jetzt hab ich noch mehr Angst." Grinste Jana, wir lachten. Unsere Blicke trafen sich, unser Lachen verstummte. Ich legte meine Hand an ihre Wange und küsste sie leidenschaftlich. Spürte ihre Finger in meinem Nacken, sie spielte mit meinen Haaren. Ich erschauerte und stöhnte wohlig auf. Ich liebe dich so sehr.

_______________________

Oh my God 😍😍💓

Vielleicht, vielleicht Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt