18. August 2016

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18. August 2016; Jana:

Seitdem ich Chrissi überrascht hatte, war zwischen uns alles wieder okay. Sogar mehr als okay. Wenn er in der Nähe war, vergaß ich meistens, warum ich überhaupt da war. So auch heute wieder, am letzten Tag vor dem ersten Festival. Morgen ging es für zwei Tage zum Highfield Festival nach Leipzig. Wir mussten heute Abend noch dort ankommen, weil die Anfahrt morgen zu knapp wäre. "Chrissi.. Ich muss arbeiten.." Lachte ich, als er mich beim Einladen des ganzen Krempels der Jungs um den Transporter herum zog und mich dagegen drückte. "Nur zwei Minuten.." Flüsterte er und küsste mich sanft. "Du machst es mir echt nicht.. Einfach." Seufzte ich, als er mit den Lippen an meinen Hals wanderte. "Jana! Müssen wir das hier mitnehmen oder haben die einen da?" Hörte ich Henning rufen und schob Chrissi von mir weg. Er grummelte frustriert. "Später. Versprochen." Ich drückte ihm einen Kuss auf die Wange und ging wieder rein, um Henning zu helfen. "Na, das ging aber schnell." Neckte mich Malte im Vorbeigehen. Er rollte eine Kiste vor sich her, auf der Sevis Name stand. Vermutlich das Schlagzeug. Ich wurde knallrot und grinste verlegen. "Halt die Klappe." Schnell lief ich die nach drinnen, um weiteren Sprüchen von ihm zu entgehen. Hier war alles soweit verpackt. Henning zeigte ratlos auf den Verstärker von meinem Freund. "Der kann hier bleiben. Die haben davon genug da. Ich glaube, wir haben alles. Wo ist Sevi denn? Er wollte doch fahren." Suchend sah ich mich um. "Auf Toilette. Der kommt gleich." Meinte Henning und nahm eine Kiste Wasser aus der Küche mit nach draußen. Ich folgte ihm und wir warteten auf Sevi und auch Martin. Zehn Minuten später ging es los. Martin saß vorne neben Sevi, während ich mit Chrissi auf der mittleren Bank saß und Henning und Malte ganz hinten. Mindestens fünf Stunden Fahrt lagen vor uns. Ich kuschelte mich an meinen Freund, während ich meine Emails checkte und aufschrieb, was ich bisher erledigt hatte und was noch zu tun war. Irgendwann schlief ich einfach ein. Geweckt wurde ich recht unsanft durch Henning, der auch ganz schön verschlafen aussah. Ich merkte, dass wir an einem Rasthof waren. Henning musste dringend zum Klo. "Maaan, jetzt macht doch mal die Tür auf! Jana!" Drängelte er, ich stöhnte genervt und öffnete sie. Henning kam in der letzten Reihe nicht an den Griff. Eilig düste er zu den Toiletten. Sevi stand mit Martin und Chrissi draußen und rauchte. Malte lag halb auf der Rückbank und pennte. Ich stieg aus und ging zu den anderen. "Hey." Gähnte ich und kuschelte mich an Chrissi, der mir seinen Arm um die Schultern legte. "Na, Schlafmütze? Ausgeschlafen?" Ärgerte er mich. "Pfff, von wegen Schlafmütze! Malte müsstet ihr sehen!" Protestierte ich entrüstet. "Wo sind wir eigentlich?" "Bei Göttingen. Noch zwei Stunden oder so." Erklärte Sevi. Ich schaute auf mein Handy. "Also kommen wir pünktlich an, wenn kein Stau mehr kommt. Ich hab uns für 20 Uhr angemeldet." Zufrieden steckte ich es wieder weg. Chrissi schmunzelte. "Was?" Fragte ich, schmiegte mich wieder an ihn. "Du machst das toll." Ich wurde rot. "Danke.." Murmelte ich, versteckte mein Gesicht an seiner Schulter. Ich freute mich sehr über das Kompliment. Chrissi trat seine Zigarette aus und umarmte mich. Streichelte meinen Rücken. Henning kam zu uns. "Was ist denn hier los? Kuschelparty?" Fragte er und legte seine Arme auch um mich. "Geh weg, May. Geh deinen eigenen Freund kuscheln." Schob Chrissi ihn grinsend weg. "Aber der schläft." Schmollte Henning. "Wer schläft?" Erklang es plötzlich hinter uns, ich fuhr herum. Ein völlig verpennter Malte kam angeschlurft. Henning begann zu strahlen und warf seine Arme um Malte. "Okay?!" Verdutzt umarmte Malte ihn. "Henning ist ein bisschen kuschelbedürftig. Ich wollte ja auch mit ihm kuscheln, aber Chrissi sieht das wohl etwas anders." Kicherte ich, Malte schnappte nach Luft und sah Henning empört an. "Du wolltest mir fremdkuscheln?" Henning sah schuldbewusst zu Boden und grinste dann Malte an. "Vielleicht?" "Wie konntest du?" Rief Malte theatralisch, ich verdrehte die Augen, während Sevi den Kopf schüttelte. "Dramaqueen." Henning nahm Malte einfach in den Arm um ignorierte seinen Protest. Schließlich gab Malte auf und hielt seinen Freund genauso fest an sich gedrückt. "Jungs, wir müssen weiter. Alle wieder in den Bus!" Scheuchte ich sie, als die letzte Zigarette aufgeraucht war. Zwei Stunden später erreichten wir endlich unser Hotel in Leipzig. Völlig geschafft ging ich zur Rezeption und checkte uns alle ein. Die Jungs saßen so lange in der Lobby. Mit den Schlüsseln kehrte ich zur Gruppe zurück. "So, ich hab hier 3 Schlüssel. Ist klar, wer mit wem ein Zimmer teilt, oder? Tut mir leid, dass ich dir deinen Zimmergenossen geklaut habe, Sevi!" "Ach, kein Problem. Jetzt kann ich ja Martin eine Kante ans Bein quatschen!" Lachte er und Martin verdrehte grinsend die Augen. "Juhu." Wir nahmen unsere ganzen Taschen und Koffer und machten uns auf den Weg zu unseren Zimmern. Als wir endlich im Bett lagen, kuschelte ich mich an Chrissi. "Endlich alleine.. Die Jungs sind so anstrengend!" Seufzte ich, Chrissis Brust bebte, als er leise lachte. "So schlimm?" "Ja!" "Du arme.. komm her, ich tröste dich.." Murmelte er mir ins Ohr und drückte seine Lippen an meinen Hals. "Mhm.. okay." Kicherte ich und legte meine Arme um seinen Hals, als Chrissi sich über mich drehte. Verlangend küsste er mich, schob seine Finger unter mein Top. Ich gab mich ihm hin.

Henning:

In der Nacht bekam ich kein Auge zu. Eine merkwürdige Angst breitete sich in meiner Brust aus. Angst vor dem, was auf der letzten Tour schon passiert war. Angst davor, dass mir irgendwer Malte wegnehmen wollte. So ein Quatsch, Henning. Ich wusste, dass es eigentlich total bescheuert war, das zu denken. Malte liebte mich. Doch ich konnte die grausamen Gedanken nicht abstellen. Jedes Mal, wenn ich die Augen schloss, sah ich vor mir, wie Malte von wem anders von mir weggezogen wurde.  Ich setzte mich im Halbdunkel des Hotelzimmers auf, griff nach der Wasserflasche und nahm einen großen Schluck daraus. Malte lag neben mir auf der Matratze und schlief seelenruhig. Doch er schien meine Unruhe zu spüren. Er regte sich, tastete nach mir und öffnete die Augen, als er merkte, dass ich nicht mehr neben ihm lag. "Henning.. Schatz, was ist los?" Fragte er leise, setzte sich ebenfalls hin, und machte die kleine Lampe neben dem Bett an. "Ich.. es ist albern.." Winkte ich ab, doch Malte umarmte mich liebevoll. "Das glaube ich nicht.. ich möchte nicht, dass du dich unwohl fühlst. Also..?" Seine blauen Augen musterten mich mit so viel Liebe. Sofort hatte ich das Bedürfnis, ihm meine Angst anzuvertrauen. Verdammt, wie kriegst du das immer hin? "Ich hab Angst.. also.. auf der letzten Tour hat doch.. Jonas.. dich.. also.." Ich stammelte total, brachte keinen Satz zustande. Frustriert fing ich an, zu schluchzen. Maltes Augen wurden immer größer, als er mich trotzdem verstand. "Hey.. ssshhh.. Du hast wieder Angst, mich zu verlieren, oder?" Ich nickte, es war mir so unangenehm. Malte atmete tief ein. "Hör mir jetzt gut zu, mein Schatz. Du verlierst mich an niemanden. Nichts und niemand nimmt mich dir weg. Ich liebe dich über alles. Gehöre nur dir. Hörst du?" Versuchte er, mich zu beruhigen. Mein Herz schlug in meiner Brust Purzelbäume und machte Luftsprünge. Ich schniefte und nickte wieder. "Ich.. ich liebe dich. Ich liebe dich wirklich, Malte." Mit dem Ärmel wischte ich die Tränen von meinen Wangen und nahm seine Hand, spielte mit seinen Fingern. "Du weißt gar nicht, was für ein wundervoller Mensch du bist.." Fing ich dann an, Malte erschauerte unter meiner Berührung. "Wie glücklich ich bin, dich gefunden zu haben.. naja.. eigentlich hast du ja eher mich gefunden." Ich lachte auf. "Wie glücklich ich bin, dass du mich gefunden hast.. Du machst mich zu einem besseren Menschen.. Ich.. Ich war oft aggressiv und impulsiv, bevor wir uns kennengelernt haben.. Das merkst du sicher manchmal noch. Aber dann kamst du vor zwei Jahren einfach in den Proberaum und.. und hast die Schmetterlinge in meinem Bauch, von denen ich dachte, es gäbe sie nicht mehr, zum Leben erweckt.. Ich hab mich einfach so in dich verliebt. Dabei wusste ich noch nicht mal, dass ich von beiden Ufern bin. Du beruhigst mich, wenn..  ich wütend bin oder traurig. Wenn ich nicht weiß, wohin mit meinem Frust. Du musst mich nicht mal berühren oder mit mir sprechen. Deine Blicke reichen meist schon aus, um mich wieder zu fangen. Wenn ich bei dir bin, fühle ich mich sicher. Heil. Bei dir bin ich ganz." Versuchte ich, ihm irgendwie zu erklären, was er mir bedeutete. Ich spürte, dass Tränen auf meine Hände tropften, aber es waren nicht meine. Ich schaute auf und merkte, dass Malte weinte. Ich legte meine Hand vorsichtig an seine Wange und wischte mit dem Daumen die Tränen weg. Dann fuhr ich fort. "Nur.. wenn ich.. wenn ich eifersüchtig bin, oder so.. was eigentlich totaler Quatsch ist, weil ich doch weiß, dass du mich liebst, dann.. kriege ich Panik. Obwohl ich das gar nicht will. Manchmal überkommt mich halt diese Angst.. ich kann nichts dagegen tun. Ich weiß nicht mal, wo es her kommt.. Vielleicht ist es, weil.. weil ich schon meine Mutter verloren habe?! Ich möchte nicht noch einen Menschen verlieren, den ich über alles liebe. Und das tu ich. Du bedeutest mir einfach alles." Ich holte Luft. Es war mir verdammt schwer gefallen, mich ihm derart zu öffnen und doch hatte es unglaublich gut getan, es mir von der Seele zu reden. Malte liefen noch immer die Tränen über die Wangen. Er schluchzte leise. "Henning.. Das war die schönste.. Liebeserklärung, die du mir machen konntest. Ich.. ich liebe dich!" Stammelte er, ich nahm sein Gesicht in meine Hände und presste meine Lippen auf seine. Wir küssten uns leidenschaftlich, gaben all unsere Gefühle in diesen Kuss. Irgendwann schnappten wir beide nach Luft und lächelten uns an. Malte zog mich in seine Arme und ich merkte, wie seine Körperwärme mich entspannte. "Ich liebe dich auch." Murmelte ich. Meine Augen wurden immer schwerer, als ich langsam einschlief.

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