08. April 2016

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08. April 2016; Severin:

Nach dem letzten Konzert vor der kleinen Tourpause freute ich mich echt auf Zuhause. Schlafmangel war in den letzten Tagen immernoch unser größtes Problem gewesen, denn Hennings und Maltes Versöhnung hatte man nach dem Konzert in Berlin wohl noch drei Türen weiter gehört, aber wenigstens gab es keinen Streit mehr. Gerade saßen wir im Wagen, es war kurz nach ein Uhr und Chrissi saß am Steuer. Martin saß auf dem Beifahrersitz und ich hatte mich mit Henning und Malte auf die Rückbank gequetscht. Es war zum Glück keine lange Fahrt. "Ich bin dafür, dass wir auf dem nächsten Tourpart im Hotel die Zimmer umbuchen. Ihr kriegt eins ganz am Ende des Flurs." Witzelte Chrissi und brachte mich, Martin und Henning damit zum Lachen. Es freute mich, dass Chrissi anfing, sich mit der Situation abzufinden. "Oder auf einer ganz anderen Etage." Warf ich ein, hielt mir den Bauch. Malte wurde rot und versteckte sich beschämt an Hennings Schulter. "Nein." Murmelte er, wir glucksten noch immer herum. "Klar. Mit Schallschutz." Lachte Martin und wieder brach allgemeines Gelächter aus. "Arsch." Beleidigt kickte Malte ihm in die Rückenlehne. "Ey, lass das!" Beschwerte sich Martin prompt, doch Malte dachte gar nicht daran. Giftzwerg. Martin griff sich die leere Getränkedose vom Armaturenbrett, drehte sich um und warf sie ihm an den Kopf. Henning pöbelte ihn direkt an, um Malte zu verteidigen. Malte schrie empört auf und warf sie zurück. Hilfe, dachte ich. Holt mich hier raus! Ich verdrehte die Augen und schaute Chrissi über die Schulter, um einen Blick aufs Navi zu werfen. 23 Kilometer bis Köln. Los, los, los. "Chrissi, fahr schneller." Seufzte ich ungeduldig, Chrissi trat ein bisschen mehr aufs Gas. "Jaja. Was.. HEY! Sagt mal, merkt ihr's noch!" Rief Chrissi, der fast das Lenkrad verrissen hätte. Der Wagen schlingerte kurz nach links. Die Dose war gegen die Windschutzscheibe geknallt und auf der Mittelkonsole gelandet. Chrissi war kreidebleich und umklammerte das Lenkrad. Martin provozierte Malte immer noch, als der nach der Dose griff. Ich riss sie ihm aus der Hand. "Schluss jetzt! Aufhören!" Schimpfte ich aufgebracht. "Manno." Schmollten sie nun beide. "Das ist genau der Grund, warum du nicht fährst, du Kleinkind!" Chrissi hatte sich wieder gefasst und warf Malte im Rückspiegel einen strafenden Blick zu. "Pfff!" Machte der nur und starrte mit vor der Brust verschränkten Armen aus dem Fenster. Als er merkte, dass wir ihn alle anschauten, begann er zu grinsen und dann brachen wir doch alle in Gelächter aus. Und dann waren auch die letzten paar Kilometer geschafft. Martin war der Erste, den wir rauswarfen. Dann setzten wir Chrissi bei sich zu Hause ab und ich fuhr Henning und Malte zu Maltes WG. Dann endlich fuhr ich nach Hause, holte meinen Koffer aus dem Kofferraum und schloss meine Haustür auf. Todmüde fiel ich Minuten später in mein Bett und schlief auf der Stelle ein.

Chrissi:

So leise wie möglich schlich ich ins Haus, um Jonas nicht zu wecken. Den schweren Koffer schleppte ich im Dunkeln durch den Flur. Doch natürlich war alle Mühe umsonst gewesen, als ich mit dem Ellenbogen gegen das Regal stieß und eines der Fotos von Jonas samt Rahmen zu Boden segelte und klirrend auf dem alten Holzboden zersprang. Fuck! Sofort ging oben eine Tür auf, das Licht wurde angeschaltet und Jonas kam die Treppen herunter. "Hey, du bist wieder da! Sorry, wollte eigentlich wach bleiben und auf dich warten, aber bin wohl eingepennt.. was ist passiert .. oh." Er grinste müde, als er die Scherben sah. "Hey, ja, da bin ich.. ähh ..sorry?!" Verlegen kratzte ich mich am Hinterkopf. "Wieso machst du auch kein Licht an?" Lachte er und kam die letzten drei Stufen hinab. "Schön, dass du wieder da bist, man!" Wir umarmten uns zur Begrüßung. "Danke! Ja, ich freu mich echt auf mein Bett!" Seufzte ich und ging in die Küche. "Du hast mir auch gefehlt." Verdrehte Jonas die Augen, ich lachte und boxte ihm freundschaftlich gegen die Schulter. "Sorry, so war das nicht gemeint. Naja.. wenigstens hast du die Bude nicht verwüstet. Aber wieso hast du kein Essen gemacht?" Ärgerte ich Jonas, als ich den Kühlschrank öffnete und ins Leere starrte. "Sei froh, dass du das Bild schon runtergeschmissen hast, sonst hätte ich es dir jetzt an den Kopf geworfen!" Beschwerte sich mein Mitbewohner. "Oh nee, bloß nicht! Ich hab genug von fliegenden Sachen. Malte und Martin haben im Auto die ganze Zeit eine Dose hin und her geschmissen, bis sie vor mir gegen die Scheibe geknallt ist. Ich hab mich noch nie so erschrocken. Stell dir mal vor, ich hätte die Kontrolle über den Wagen verloren." Ich nahm zwei Bier aus dem Kühlschrank und stellte sie auf den Tisch. "Quatsch, sowas darfst du gar nicht denken, Chrissi. Es ist alles gut gegangen und alle sind sicher zu Hause. Hier." Er öffnete die Flaschen und wir stießen an. "Prost!" "Prost, mein Lieber! Und jetzt erzähl mal, was ging so ab in den letzten Tagen? Wie waren die Gigs? Und wie geht's den Jungs? Du hast doch geschrieben, es gab Stress." War ja klar, dass er mich darauf ansprach. "Ja.. mh.. Ja, Stress gab es wirklich. Direkt am Anfang schon. Also wir haben das Konzert in Dortmund gespielt und das lief auch alles super, aber am Tag danach haben sich Henning und Malte abends richtig fett gestritten, weil.. naja.. du weißt doch, dass es mir vor der Tour schon nicht so gut ging." Ich wusste nicht so ganz, wo ich anfangen sollte. Jonas war nicht so ganz im Bilde, was die ganze Sache anging. "Ja..?!" Drängte dieser. "Ich dachte, das hätte sich erledigt, nachdem du mit Sevi gesprochen hattest?" "Naja.. es war in dem Moment befreiend, ja. Aber das hat ja meine Gefühle nicht einfach.. gelöscht, sage ich jetzt mal. Ich fühle mich seit längerer Zeit recht einsam." Verriet ich dann endlich. "Ahh, du wärst gerne verliebt!" Rief Jonas aus, ich verdrehte die Augen und nahm einen Schluck aus der Flasche. "Man, kannst du mich mal ernst nehmen?" "Sorry. Also, du bist einsam. Kann ich voll nachvollziehen, das Gefühl. Und was hat das mit den Jungs zu tun?" Fragte er weiter und zündete sich eine Zigarette an. Ich machte es ihm nach und überlegte, wie ich weiter erzählen sollte. "Naja.. ich war halt ziemlich neidisch auf die beiden. Also Henning und Malte. Weil die schon so lange so glücklich sind.. und hab das wohl ganz schön raushängen lassen. Total albern, ich weiß. Ist mir im Nachhinein total peinlich.." "Unsinn! Wenn es dir scheiße geht, können die anderen das doch ruhig wissen, ist doch normal." Unterbrach mich mein Mitbewohner. "Mh, ja klar, schon. Aber ich bin halt immer rausgegangen, wenn die zwei gekuschelt haben in der Garderobe oder so. Auch vorher schon. Den einen Abend vor der Tour auch schon, da bin ich bei Sevi einfach abgehauen, wegen den beiden." "Chrissi.." Seufzte Jonas, er schüttelte grinsend den Kopf. "Ja, ich weiß.. wie ein pubertierender Teenager." Ich lief rot an. Er zog eine Braue hoch. "So hätte ich das jetzt nicht gesagt. Aber man hätte damit sicher anders umgehen können, ja. Und wieso ist es dann zum Streit gekommen?" "Weil Sevi ihnen vorgeschlagen hat, sich zurückzuziehen für solche Momente und Henning war damit komplett nicht einverstanden. Du kennst ihn, er hat den schlimmsten Dickkopf. Aber so habe ich ihn noch nie erlebt. Er hat Malte dann noch richtig fertig gemacht, weil der in seinen Augen die Sache nicht so ernst genommen hat, was er aber natürlich doch hat. Malte war mega fertig danach." Ich zog an der Zigarette und stieß den Rauch aus. "Oh man.. das klingt irgendwie voll nach Klassenfahrt in der Achten." Witzelte Jonas und nun musste ich doch lachen. Irgendwie hatte er ja recht. "Stimmt.. ich bin jedenfalls froh, dass es vorbei ist. Alles ist wieder gut.. bis auf die Tatsache, dass ich mit meinem Problem immer noch nicht weiter gekommen bin. Es macht mich zwar traurig, aber naja.. man kann es nicht erzwingen." Mein Gegenüber nickte verständnisvoll. "Da hast du recht, Chrissi. Aber glaub mir, auch du wirst die große Liebe finden. Meistens kommt es ganz unerwartet. Achso.. haben sich Henning und Malte dann wieder vertragen? Haben sie sich ausgesprochen? Also, sie sind doch noch zusammen, oder?" Ich konnte mir das Grinsen dann doch nicht verkneifen. Und den Spruch dazu auch nicht. "Ja, klar, haben sie sich vertragen. Aber wie, mein Lieber, willst du nicht wissen. Genau so wenig, wie es der Hotelflur wissen wollte." "Okaaaay, verstehe. Danke, das reicht!" Wir lachten und tranken unsere Flaschen aus, ehe wir endlich schlafen gingen.


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