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Logans P.O.V.

Ich hatte kein Zeitgefühl mehr da drinnen. Waren es Stunden oder vermutliche eher Tage?
Keine Ahnung ...
Ich war erschöpft und kraftlos, nicht nur weil ich nichts zum Essen und Trinken bekam, sondern auch weil die unerträgliche Hitze und Stille so erdrückend waren.
Mühsam schluckte ich und wischte mir mit dem Handrücken über die Stirn.
Ich wusste nicht, ob das eine Bestrafung war oder bereits zum Austritt gehören sollte. Josh meinte zwar, dass er das auch durchgemacht hatte, aber vielleicht war das nur ein Vorgeschmack für die Prozedur.
Wenn es so sein sollte, wusste ich nicht, wie schlimm es noch werden konnte.
Plötzlich hörte ich ein Rums, gefolgt von Klicken, dann ging die Tür auf.
Schützend hielt ich mir die Hand vor die Augen. Ich konnte nur die Umrisse von zwei Männern erkennen.
"Drakeson", begann der eine mit einer tiefen Stimme. "Es wird Zeit."
Ich war zu erschöpft um nachzufragen. Die zwei Männer hoben mich auf die Beine und stützen mich leicht, trotzdem war das Stehen eine Qual.
Langsam gingen wir aus der Fabrik raus, stiegen in ein Auto, dass abgedunkelte Fenster hatte, und fuhren los.
Erneut hörte ich ein Klicken und sah auf meine Hände, Handschellen.
Ich hatte noch die Kraft und zu schnauben.
Wenn sie wirklich dachten, dass ich jetzt abhauen würde, wären sie noch dümmer als ich dachte.
In dem Van saßen vier Leute, einer am Steuer, einer neben mir und zwei vor mir. Alle schwiegen sich an, aber das war mir egal, ich kannte sie eh nicht und hatte dementsprechend auch nichts zu sagen.
Die ersten Meter verliefen ruhig, aber als wie aus der Stadt hinausfuhren, begannen die Männer zu tuscheln, was mich innerlich nervös machte.
Einer der Männer griff zur seiner Rechten und holte einen schwarzen Sack raus. Kurzer Hand zog er in mir über.
Keine Ahnung, wofür dieser gut war, immerhin wusste ich eh nicht, wohin wir fuhren.
Die Fahrt ging vielleicht eine halbe Stunde, dann hielten wir an. Ich wurde raus eskortiert, der Sack blieb jedoch da, wo er war.
An meinen Handschellen wurde ich in eine Richtung gezogen.
Jetzt merkte ich, wie meine Füße zitterten vor Entkräftung, doch ich riss mich zusammen.
Wir stiegen einen steilen Weg entlang. Ich wusste nicht, wo wir waren, ein paar Mal würde ich in die richtige Richtung gezerrt, ansonsten ging es nur geradeaus für mich.
Nach einer gefühlten Ewigkeit und mindestens zwei Blasen an jedem Fuß, blieben wir stehen. Ich vernahm Getuschel von mehreren Leuten.
Ruckartig wurde mir der Sack vom Kopf gezogen. Das Licht brannte in meinen Augen, sodass ich sie zusammenkniff. Irgendwann als ich mich an die Helligkeit gewöhnt hatte, sah ich mich um. Zehn bis zwölf Männer standen in einem Kreis um mich herum, ich erkannte auch Liam und Luke. Die beiden sahen auf den Boden, während alle anderen mich anstarrten.
Ich wusste, dass Joseph mir den Austritt nicht einfach machen würde, aber dass meine Freunde mich so sehen mussten, war hart.
Joseph kam mit einem zufriedenen Grinsen auf mich zu.
"Logan", begrüßte er mich. "Ich hoffe, die letzten vier Tage, genauso wie die Autofahrt und die Wanderung hierher, waren angenehm."
Ich sah ihn kalt an, antwortete aber nicht. Er wusste genau, dass das alles die Hölle war.
"Du sahst auch schon mal besser aus!", lachte er und alle stimmten ein, bis auch meine Freunde.
"Lass es uns hinter uns bringen", murmelte ich selbstsicher ohne mit anmerkenzulassen, dass ich am Ende war.
Josephs Miene wurde ernster. Er ging auf mich zu. Ein Mann schlug mir auf die Kniekehlen, sodass ich nach vorne
fiel.
"Freunde", begann er laut. Die Aufmerksamkeit lag voll und ganz auf mir und ihrem Anführer. "Es fällt mir immer schwer hier stehen zu müssen, um euch zu verkünden, dass ein Mitglied aus unserem Bunde austreten möchte. Trotz unserer Gemeinsachaft und Liebe, will dieser Junge seine Familie verlassen und weil jeder, der hier Mitglied wird, einen Schwur leisen muss, denn er aber gebrochen hat, begeht er Hochverat."
Ein Raunen ging durch die Menge.
"Logan Drakeson." Er schaute mich kurz an. "Du hast das höchste aller Gesetzte gebrochen und damit solltest du mit dem Tode bestraft werden."
Liam und Luke sahen mich panisch an, aber ich blieb ruhig und sah geradeaus.
"Trotzalledem wollen wir dir die Chance geben, dein Leben zu retten, indem du den Leidensweg der ersten Mitglieder gehen wirst.
Damit du dich an deinem Treuebruch für immer erinnern wirst, bekommst du ein Mal der Schande, unfähig unser Symbol tragen zu können."
Plötzlich wurde ich nach oben gezogen, die Handschallen würden geöffnet, aber mich hielten zwei Männer an beiden Armen fest.
Ich sah, wie eine heiße Eisenstange an Joseph übergeben wurde.
"Mit diesem Brenneisen symbolisiert sich der Austritt unseres Bundes", sagte er laut und deutlich. Keine Sekunde später drückte er mir das heiße Eisen auf meine tätowierte Unterarm.
Ich schrie aus, presste aber meine Zähne wieder zusammen.
Der Schmerz durchflutete mich. Das Brennen war unerträglich, jede einzelne Zelle wollte sich losreißen, aber es ging nicht. Irgendwann roch ich verbranntes Fleisch, bis ich merkte, dass es mein eigenes war.
Augenblicklich wurde mir übel.
Nach einer Ewigkeit nahm er die Eisenstange von meinem Arm und legte sie bei Seite.
Ich war am Ende meiner Kräfte, mein Körper schrie vor Erschöpfung, aber der Prozess war noch nicht beendet.
Es folgten einige Minuten der Stille. Meine Augen schlossen sich, mein Herz raste immer noch.
"Logan Drakeson" Josephs Stimme war kalt. "Du wirst nur die Leiden der ersten Mitglieder durchleben. Das Elend, dass sie für unseren Bund geopfert haben, damit unsere Gang den Stand hat, wie sie jetzt ist."
Mein Blick war starr auf den Boden gerichtet. Richtig zuhören konnte ich nicht, ich konzentrierte mich auf die letzten Minuten, in denen ich noch Kraft tanken konnte.
Josh hatte mir erzählt, was passieren würde:
Jedes Mitglied würde entweder mit Waffen oder mit den Händen, die Sünde aufzwingen.
Plötzlich wurde ich auf die Beine hochgezogen. Ich musste mich kurz fassen, um nicht umzukippen.
"Der letzte Schritt", murmelte Joseph zu allen und nickte.
Alle Mitglieder bewegten sich auf mich zu. Keiner wollte beginnen, aber je schneller die anfingen, desto schneller war die Sache rum.
Auch Joseph schien das Zögern in der Gruppe zu merken, was ihn ungeduldig machte.
"Fangt schon an!", knurrte er wütend.
Sofort spürte ich einen Schlag in meiner Magendgrube, was mich zusammen gucken ließ.
Weitere Schläge landeten auf meinem Körper, aber ich hielt mich auf den Beinen.
Ich konnte, bereits Blut in meinem Mund schmecken, aber ich leider lieber im Stillen. Nicht würde ich mehr verabscheuen, Joseph mich leiden zu sehen.
Abrupt spürte ich ein Stich in meiner Hüfte, ein Messer.
Ich biss die Zähne zusammen, alles schmerzte.
Jedes Mitglied verletze mich immer gewaltsamer, bis ich einmal auf die Knie vor Schmerzen fiel, aber sofort wurde ich nach oben gezogen.
Wieder spürte ich ein heftigen Schlag an meiner Rippe, dass vernahm ich ein lautes Knacken.
Genauso bei meinem rechten Bein merkte ich, wie etwas in die Brüche ging.
Ruckartig wurde ich an meinen Harten nach hinten gezogen, sodass meine Kopfhaut schmerzte
Es war hart, härter als alles, was ich je erlebt hatte.
Müde stand ich mit zitternden Beinen vor den Mitgliedern.
Ich konnte nicht mehr. Alles in mir schrie nach Erlösung. Ich wollte nicht aufgeben, aber ich merkte, wie mein Körper langsam runter fuhr.
Ein Tritt in die Kniekehlen und ich fiel auf die Knie.
Schlagartig krallte sich eine Hand in meine Haare und zog meinen Kopf nach hinten. Zischend sog ich die Luft ein.
Es war immernoch hell, sodass ich meinen Augen zusammen kneifen musste. 
Joseph grinste mich zufrieden an.
"Du bist ganz schön hartnäckig, Logan", flüsterte er so leise, dass nur ich es hören konnte. "Ich schätze in die Steckt doch noch etwas von dem widerstandsfähigen Blaike-Blut." Sein Blick war eindringlich, aber ich erkannte etwas, dass ich noch nie in seinem Augen sah, aber ich konnte nicht sagen, was es ist.
"Logan Drakeson ist nun kein Mitglied unserer Gang mehr." Er wandte sich wieder zu den anderen, die wieder in einem Kreis um uns herum standen.
"Er ist nun ein Außgestoßener, ein Feigling, ein Niemand für uns."
Ruckartig stieß er mich nach vorne auf den Boden. Meine Hände waren die ganze Zeit gefesselt gewesen, sodass ich mich nicht auffangen konnte.
Mit dem Gesicht schlug ich auf den harten Boden auf, aber mir war das egal.
"Red Eye hat nun ein Mitglied weniger, aber es wird jemand anderes Logans Platz einnehmen", sagte er überzeugt. "Kommt, Freunde! Es wird an der Zeit, Logan dich seinem Schicksal zu überlassen!"
Ich merkte, wie alle um mich herum gingen und den Ort verließen. Irgendwann vernahm ich Autos, dann hörte ich nur noch meinen eigenen schwachen Atem.
Meine Augen hatte ich geschlossen. Ich wollte so wenig, wie möglich von diesem Ort in Erinnerung behalten.
Mein Körper fuhr langsam aber sicher runter, die Erschöpfung war einfach zu groß.
Meine letzten Gedanken schweiften zu Annabelle rüber. Es ist zu lange her, dass ich sie gesehen hatte. Ich vermisste sie, alles an ihr.
Ihre Stimme, ihr Lachen, ihre perfekten Lippen und ihren wunderschönen Körper, selbst nach ihren Grüppchen sehnte ich mich.
Ich liebe sie von ganzem Herzen, wie ich jemanden noch nie zuvor lieben durfte. Alles an mir hatte sich geändert, sie hatte mich verändert.
Ich wusste nicht, ob ich Annabelle je wieder sehen würde, aber die Erinnerungen an sie beruhigten mich.
Unsere Berührungen, unsere Küsse, selbst unsere gemeinsame Nacht.
Ich hatte alles, was man sich erträumen konnte, ich hatte Annabelle. Denn ich liebe sie.
Die Dunkelheit zog mich zu sich und ich fiel.

Good Badboy ?!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt