Vorführung der Tribute

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Als der Zug endlich gänzlich zum Stehen gekommen war, wurden James und ich unseren Styling Team übergeben, man hatte mir meine Kleidung genommen und mich von oben bis unten gemustert wie etwas, das sie zum ersten Mal zu Gesicht bekommen hatten.
Ich war ungehalten und verlangte meine Kleidung zurück, doch war es, als würde man mich vollkommen ignorieren.
Ich war noch nie vor jemand anderen nackt gewesen und ich schämte mich wenn ich ehrlich war, aus diesem Grund wurde ich schließlich wütend, was natürlich niemanden interessierte.
Haymitch hatte mir schon gesagt, dass es mir nicht gefallen würde, aber das es so sein würde, hatte er nicht gesagt.
Man wurde behandelt wie ein Gegenstand, ich wurde von einem Mitglied meines Teams an den nächsten weitergereicht und jeder hatte etwas anderes mit mir getan.
Ich wurde gewaschen, mir wurden die Nägel geschnitten und gefeilt, ich bekam eine Bein- und Achselenthaarung, welche nebenbei bemerkt höllische geschmerzt hatten, man hatte mir das Haar gewaschen und Frisiert und doch, war mein Stylist Jackson immer noch nicht zufrieden.
Was hatte er denn vor, mich so aussehen zu lassen, wie sich selbst?
Er hatte eine grelle, grüne Perücke auf, ein weißes Hemd, darüber eine ebenfalls grünglitzernde Jacke und eine Hose in derselben Optik.
Sein Gesicht war wie das von Effie weiß Geschminkt und darauf spielten sich sämtliche Farben ab.
Vermutlich überlegte er noch, was er mit mir tun sollte, es war schließlich so üblich, das jeder Tribut ein Kostüm trug, das seinem Distrikt entsprach.
Ich wusste zum Beispiel, das einmal, die Tribute aus meinem Distrikt völlig nackt und nur mit schwarzen Puder bedeckt -das die Kohle darstellen sollte- zum zentralen Platz gefahren wurden um sich der Öffentlichkeit zu präsentieren und mögliche Sponsoren zu beeindrucken.
Ich konnte nur hoffen, dass das bei mir nicht ähnlich ablaufen würde.
Nachdem ich überall enthaart wurde, fühlte ich mich wund und hatte schmerzen.
„Cremt sie nun ein" Sagte Jackson und schüttelte den Kopf, als sei ich ein hoffnungsloser Fall.
Ich ließ es über mich ergehen und hoffte das es nun endlich zu Ende sein würde, ich würde immerhin noch früh genug den Leuten vom Kapitel vorgeführt werden.
„Wenn ihr fertig seid, war's das, aus der ist nichts mehr rauszuholen. Schminkt sie noch und dann steckt sie in ihr Kostüm!" Jackson, mein Stylist verließ ungehalten den Raum.
„Mach dir nichts draus, der ist immer so. Muss nun schon das zweite Jahr infolge Distrikt 12 Stylen, obwohl er eigentlich um einen anderen Distrikt gebeten hat" Ich blickte auf eine Frau, die wahrscheinlich in meinem Alter war, doch konnte ich es unter all der Schminke nicht richtig erkennen. Sie hatte Bonbonfarbende Korkenzieherlocken und trug auch sonst nur rosa, ihr Name war Malone.
„Wenn du mich fragst, ist er einfach nur nicht fähig etwas außergewöhnliches für diesen Distrikt herzustellen, er hat einfach dieselben Kostüme wie letztes Jahr für dich und deinen Mittribut angefertigt" Erwiderte Jordan, ein Mann Mitte zwanzig, mit brauner Haut, blauen kurzen Haaren und einem ebenfalls blauen Blitz auf der Wange.
Er trug etwas, das für mich fast schon aussah wie ein Kleid, ich wollte allerdings nicht weiter darüber nachdenken, wieso ein Mann ein Kleid trug und dachte darüber nach, was die Tribute letztes Jahr anhatten.
Ich schloss die Augen, als es mir wieder einfiel.
Die Tribute trugen letztes Jahr Bergarbeiteroutfits, bestäubt mit schwarzem Pulver, man hatte von ihren Gesichtern so gut wie nichts mehr erkennen können.
Einerseits war ich erleichtert, das ich nicht nackt sein würde, andererseits war ich auch ebenso wütend und gefrustet, wie sollte man in solchen Kostümen Sponsoren für sich einnehmen?
Ich atmete tief durch und versuchte mich zu beruhigen, ehe ich in dieses dämliche Kostüm gesteckt wurde.

Wo zum Teufel war Haymitch, müsste er als Mentor nicht dafür sorgen, das wir vernünftige Kostüme bekamen?
Sicherlich betrank er sich wieder in irgendeiner Ecke!
James und ich standen auf unserem Wagen und ich war mir sicher, dass es für außenstehende fast unmöglich sein dürfte, zu unterscheiden, wer von uns beiden das Mädchen und wer der Junge war, so ähnlich sahen wir uns in diesem Moment.
Ich hasste es!
Die Wagen der Distrikte fuhren nacheinander zum zentralen Platz im Kapitol vor, da wir Distrikt 12 waren, fuhren wir auch als letzte hinaus.
Es war ein furchtbares Gefühl, ich kam mir völlig erniedrigt und fehl am Platze vor, unsere Gesichter wurden beim hineinfahren auf riesigen Bildschirmen abgebildet und ich wusste, man erwartete von mir zu lächeln, fröhlich zu sein, doch wie sollte ich das?
Die zwölf Wagen füllen den Kreisverkehr des zentralen Platzes, an den Fenstern der Häuser ringsum, drängten sich die angesehensten Bürger des Kapitols und wollten uns sehen.
Wir blieben genau vor der Residenz von Präsident Snow stehen, welcher kalt zu uns herabblickte.
Ich wusste das dieser Mann kein Herz besaß und seine Augen spiegelten genau dies wieder.
Er war ein Dünner Mann, mit schlohweißem Haar und er hieß uns von seinem Balkon aus willkommen.
Der Präsident hielt eine Rede und dabei war es Tradition, das die Gesichter der Tribute eingeblendet wurden, bei Distrikt 12 verweilten sie kürzer als bei den anderen, sicherlich lag das daran, das es niemanden gefiel, zwei Mal dieselben Kostüme hintereinander zu sehen.
Als der Präsident seine Rede geendet hatte, umkreisten die Wagen noch zweimal den Platz und fuhren dann zum Trainingszentrum.
Kaum schlossen sich die Türen hinter uns, wurden James und ich von unseren Vorbereitungsteams umkreist, ich hörte ihnen jedoch nicht zu, zu sehr war ich von den hämischen Gesichtern der anderen Tribute eingenommen.
Man führte uns aus dem Raum und wir bekamen unsere zukünftigen Trainingssachen aufgedrückt, danach fuhren wir mit einem Aufzug zu unserer Suite hinauf.
Als die Fahrstuhltür sich öffnete, kam uns bereits Effie Trinket entgegen, sie Grinste James breit an und sagte: „Hervorragend, du hast dich meisterlich Präsentiert, immer gelächelt, hast gewunken und bist mit erhobenem Haupt durch die Menge gefahren, selbst mit diesem abscheulichen Kleidern sahst du fantastisch aus!" Damit wandte sich Effie nun zu mir und ihre Begeisterung war wie weggefegt.
Ihr Mund presste sich verstimmt zusammen und in ihren Augen zeigte sich echtes bedauern.
„Sarah, du hättest dich an James halten sollen, immer wenn die Kamera auf dich gerichtet war, hast du zu Boden geblickt, wie soll dich da jemand wahrnehmen? Du wirktest richtig schlecht gelaunt. Wie sollen wir dir helfen, wenn du...."
„Nun mach mal halblang süße. Sieh sie dir doch an, wie soll sie in solch einem Kostüm in Erinnerung bleiben? Wenn du mich fragst, ist es vielleicht besser, wenn die Leute sie nicht wahrgenommen haben" Haymitch kam aus einem angrenzenden Zimmer, in der Hand eine Flasche Wein, welche er natürlich an die Lippen ansetzte und trank.
Innerlich war ich dankbar für seine Verteidigung, doch was sollte mir das nun noch helfen?
„Hätte einer von euch das nicht verhindern können?" Fragte ich aufgebracht und trat in den Wohnraum ein. Es war ein riesiger Raum, mit Sofas, einem Balkon, einem Kronleuchter und vielem mehr und obwohl die Decke so hoch und der Abstand der Wände so breit war, kam ich mir vor als würde ich erdrückt.
Ich gehörte einfach nicht hierher.
„Was?" Fragte Effie pikiert.
Ich zeigte wütend an mir herab und meinte dann: „Das! Dieser Stylist war doch nicht mehr ganz dicht! Du sagtest ich solle alles über mich ergehen lassen, doch was hat es mir gebracht?"
Haymitch musterte mich mit zusammengepressten Lippen, er schien nun auch Wütend, sicherlich gefiel ihm nicht das ich ihm die Schuld gab.
„Hör zu kleine, was eure Stylisten mit euch machen, darauf habe ich keinerlei Einfluss. Ich bin euer Mentor und kümmere mich um euer Training, wie auch um Sponsoren. Mach mich nicht an, nur weil dir das Outfit nicht gefällt!" Zischte er.
„Du willst ein Mentor sein? Dann solltest du dich vielleicht auch mal wie einer verhalten!" Damit rauschte ich an ihm vorbei, die Treppe hinauf, ich hoffte dort oben die Zimmer der Tribute zu finden und hatte Glück.
Verzweifelt und wütend schloss ich mit einem Knall die Tür hinter mich, schloss die Augen und Atmete erst einmal tief durch.
Sicherlich hatte er Recht, er hatte kein Mitspracherecht was die Kleidung betraf, aber dennoch war absolut keine Hilfe.
Was sollte all das Theater überhaupt, die Leute vom Kapitol mussten doch merken, dass er kein richtiger Mentor war, das er sich nicht bemühte, warum konnten sie einem nicht jemand anderes zur Verfügung stellen?
Ich trat von der Tür weg und sah mich im Zimmer um, alles war in recht sterilen Farben gehalten, merkwürdig, wenn man bedachte, das alle im Kapitol herumliefen wie bunte Vögel.
Da standen ein riesiges Bett, ein Schrank, vermutlich gefüllt mit einer unfassbaren Anzahl von Kleidern, die ich vermutlich sowieso nie alle anziehen würde können, ein großes Fenster nach draußen und eine weitere Tür, welche in ein Badezimmer führte.
Ich legte die Trainingskleidung auf das Bett, da ich sie die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte und ging ins Bad.
Es war sehr groß, ebenfalls in Weiß gehalten, mit einer Dusche, einem Waschbecken, einer Toilette und einer Badewanne.
Ich entkleidete mich und betrat die Dusche mit ihrem enormen Bedienfeld.
Ich konnte den Wasserdruck, die Temperatur und die Shampoos, sowie Öle und Massageschwämme einstellen, es war alles mit nur einem Knopfdrück möglich und ich begann mich abzuduschen.
Als ich endlich befreit war von all dem schwarzen Puder und der Schminke die man sowieso nicht gesehen hatte, drückte ich auf einen weiteren Knopf, woraufhin mein Körper trocken gepustet wurde.
Danach betätigte ich einen weiteren Knopf, welcher bewirkte, das mein Haar ebenfalls mit Luft getrocknet, gescheitelt und gekämmt wurde, nun floss es in einem glänzenden, hellen braun an mir herab.
Alles fühlte sich fremd an, sogar ich fühlte mich fremd.
Ich verließ die Dusche und ging zurück in den Schlafbereich, dort programmierte ich den Wäscheschrank auf ein Outfit, welches mir dann automatisch aus der Menge an Kleidung herausgesucht wurde.
Es war ein dunkelblaues Kleid, welches am Nacken zusammengehalten wurde, es hatte einen V-Ausschnitt, es ging mir bis zu den Knien, lag oben eng an und floss ab der Hüften fließend wie ein Wasserfall von mir ab.
Es war eines der wenigen Kleider, die eher schlicht waren.
Ich stand vor einem Spiegel und betrachtete mich selbst, das was ich sah, war nicht das unscheinbare Mädchen, welches sich täglich darum kümmern musste, das Essen auf dem Tisch stand, dies war eine Frau und ich fühlte mich erneut fremd, wie schon die ganze Zeit über.
Es klopfte an der Tür und ich hörte Effies Stimme, welche mir sagte, das das Essen serviert wurde und das ich doch bitte runter kommen soll.
Noch einmal blickte ich in den Spiegel und sah diese mir fremde Person an, ehe ich mich abwandte und das Zimmer verließ.

Unten angekommen, dachte ich mir, das ich mir doch lieber bloß meine Trainingskleidung angezogen hätte, denn ich wurde von allen angestarrt, als sei ich etwas abnormales.
Effie schien als einzige begeistert zu sein, sah ich doch endlich ihrem Maßstab getreu aus.
James blick wirkte begierig und ich fühlte mich unwohl in meiner Haut, ich hätte am liebsten den Raum wieder verlassen, doch Haymitch's Stimme hielt mich zurück.
„Setz dich" Er wirkte ein wenig verkniffen und sah mich auch nicht an, er starrte geradezu auf den Tisch und griff erneut nach einer Flasche Wein um sich etwas davon in sein Glas zu gießen.
Ich hatte das Gefühl, er war nicht einmal ansatzweise so betrunken wie zuletzt im Zug, zudem, war er nun sauber und gepflegt, was darauf schließen ließ, das er auch einen Stylisten hatte, aber der Abend war ja noch lang, sodass er noch genug Zeit hatte sich zu betrinken.
Serviert wurden alle möglichen Gerichte und Nachspeisen, noch immer hielt ich mich an Haymitch's Rat und aß so viel ich konnte, auch wenn es schwerfiel.
Während des Essens, unterhielt hauptsächlich Effie alle anderen, obwohl man dazu sagen musste, das James eh nicht zuhörte, er schien viel zu sehr eingenommen, von seinem Teller und Haymitch war auch viel zu beschäftigt mit seiner Flasche Wein, ich hingegen hatte das Gefühl das mir der Appetit vergangen war.
„Ich werde Morgen mit deinem Stylisten ein Wort reden, bei den Interviews, will ich das du vorzeigbar bist, ihr beide.
Ihr sollt nicht aussehen wie Zwillinge, die man in den Minen vergessen hat" Dies war der Moment, wo Haymitch mir das erste Mal in die Augen sah und ich wusste, das er dies nur tat, weil ich ihn so angefahren hatte.
„In Ordnung...danke" Das Danke rang ich mir schnell noch ab, obwohl es schwerfiel.
Ich erhob mich vom Tisch, da ich die letzte Nacht im Zug nicht geschlafen hatte, war ich Müde und angespannt, vielleicht würde etwas Schlaf und Erholung dazu beitragen, das ich ein wenig umgänglicher wurde.
Ohne ein weiteres Wort, verließ ich den Tisch und ging wieder hinauf in mein Zimmer.

The Hunger Games-Sarah Riley and her life as a tributWo Geschichten leben. Entdecke jetzt