Wassersuche

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Ich war zurück in den Wald gegangen und hatte mir einen kräftigen und stabilen, relativ geraden Ast gesucht, welchen ich mit meinem Messer an der einen Seite spitz schnitzte.
Ich versuchte aus dem Ast einen Speer zu machen, da ich im Umgang mit solchen Waffen geübter war, als mit einer Machete.
Immer wieder befühlte ich die Spitze und als ich sie schließlich für spitz genug erachtete, ging ich wieder zurück zum Waldrand.
Mittlerweile waren soweit ich wusste, drei Tage vergangen an denen ich kein Wasser getrunken hatte, das bisschen Regenwasser konnte man leider nicht mitzählen.
Ich spürte die Schwäche jede Stunde mehr und ich wusste, ich durfte nicht länger warten.
Ich hielt Ausschau nach den Karrieros und als ich sah, wie drei von ihnen sich in den Dschungel aufmachten, nutzte ich meine Chance.
Schnell bewegte ich mich durch den weichen Sand auf das Füllhorn zu, einer von ihnen war noch da, auch wenn ich ihn von meiner Position aus nicht sehen konnte, was für mich vom Vorteil war, immerhin konnte er mich so auch nicht sehen.
Den Speer fest mit beiden Händen haltend verlangsamte ich meinen Schritt als ich nah genug dran war, dann warf ich noch einmal einen Blick hinter mich um sicherzustellen, das niemand plötzlich aus dem Nichts auftauchte, erst dann schlich ich langsam um das glänzende Füllhorn herum.
Ich brauchte mindestens eine Flasche, in der ich Wasser auffüllen konnte, welches ich mir anschließend von der Oase holen musste, doch noch besser wäre eine der Taschen, vielleicht war dort ja etwas brauchbares drin.
Ich leckte mir über meine trockenen und aufgesprungenen Lippen, versuchte sie wenigstens etwas zu befeuchten, doch half es nichts.
Mein Verstand war nicht richtig klar, ich war nicht im Stande einen festen Gedanken zu fassen.
Ich sah um das Füllhorn herum und erspähte einen Jungen, er war mittelgroß, hatte blonde Locken und war stark gebräunt, ich vermutete, das er aus Distrikt 4. kam, da dies der Distrikt war, der für die Fischerei zuständig war, also viel mit Wasser und Sonne, daher die braune Haut.
Neben ihm lag ein relativ kleiner Haufen an Vorräten, ein Paar Äpfel in einem Netz, welche schon ziemlich gammelig aussahen, mehrere Wasserflaschen, drei Rucksäcke, einige Waffen, Schlafsäcke und einige andere Lebensmittel, es war eine karge Ausbeute, doch es war trotzdem mehr als ich hatte.
Ich lehnte mich an das heiße Füllhorn und versuchte nachzudenken, wenn ich jetzt einfach dort hineinrennen würde um mir einen Rucksack zu schnappen, konnte es sein, das ich nicht die Zeit hatte mir auch eine Wasserflasche zu holen und sie dann auch noch aufzufüllen, sollte diese Leer sein.
Zudem konnte es möglich sein, das ich im Sand ausrutschte, da er keinen festen Halt bot.
Ich atmete tief durch und wischte mir den Schweiß von der Stirn, ich hatte das Gefühl zu kochen.
Die Sonne strahlte unbarmherzig auf mich herab und blendete mich, stach mir in die Augen.
Ich könnte auch einfach zurück in den Dschungel gehen und hoffen, dort eine fließende Wasserquelle zu finden, dazu brauchte ich keine Flasche, aber wie wahrscheinlich war es, das ich eine fand?
Vielleicht, wurde es von den Spielemachern extra so gehalten, das die Oase die einzige Möglichkeit war sich etwas zu trinken zu besorgen, so konnten sie wenigstens sicher gehen, das die Tribute irgendwann aufeinandertrafen ohne das sie groß nachhelfen mussten.
Ich schloss kurz die Augen, und drückte mir mit meinem Daumen und meinem Zeigefinger auf die Nasenwurzel, der Schmerz in meinem Kopf saß tief und die Schmerzen, die von meiner aufgeplatzten Lippe kamen, waren auch nicht leicht zu ignorieren.
Ich öffnete wieder meine Augen und entschloss mich es einfach zu versuchen, ich würde mich diesem Tribut stellen, wenn ich es schaffte, hatte ich genug Zeit mir Vorräte und Flaschen einzupacken und sie dann zu füllen, es sei denn die Karrieros kamen vorher zurück, doch wer nicht wagt der nicht gewinnt.
Der Junge im Füllhorn hatte einen Morgenstern in der Hand und wenn ich mich recht erinnerte, dann konnte er schon während des Trainings sehr gut damit umgehen.
Er war ein Karriero, vermutlich wurde er spezielle für diese Waffe ausgebildet.
Ohne weiter groß darüber nachzudenken, wie ich vorgehen sollte, trat ich hinter dem Füllhorn vor und hielt meinen Speer in der Hand.
Der Junge sah mich erst überrascht an, dann breitete sich ein grinsen in seinem Gesicht aus.
Ich wusste, wenn sein Morgenstern auf meinen Speer traf, würde dieser einen Treffer nicht überstehen, aber wenn ich schnell genug war ihm auszuweichen und ihn selbst zu treffen, wie bei dem Mädchen im Wald, konnte es vielleicht klappen.
„Ich hatte schon Angst, ich bekomme heute nichts mehr zu tun"
Immer wieder hob er seine Waffe an und ließ sie dann wieder in die Handfläche der anderen Hand fallen.
„Bist du sicher dass du mich nur mit einem Stock angreifen willst kleine?"
Ich sagte nichts, es gab nichts zu sagen, ich musste meine Kräfte einteilen und dazu gehörte schließlich auch das Sprechen.
Kurz blickte ich auf den Haufen mit den Vorräten und sein Grinsen wurde breiter.
„Ist nicht viel oder? Du wirst also sicher verstehen, dass ich dir davon nichts abgeben werde"
Ich machte einen Schritt auf die Rucksäcke zu, was ihn dazu veranlasste, seine Waffe in Anschlag zu nehmen, sich bereit zu machen.
„Noch hast du die Chance zu fliehen, ich jage dir liebend gern hinterher. Das würde das Spiel nur noch interessanter machen, meinst du nicht?"
Leicht ließ ich meine Hand zu meinem Messer gleiten, die andere hielt noch immer den Speer fest umklammert.
Als ich das von der Sonne gewärmte Metall an meinen Fingern spürte, schloss ich sie blitzschnell um den Griff des Messers, zog es aus meinem Gürtel und warf damit nach dem Jungen, wie das Mädchen aus Distrikt 7. es bei mir getan hatte, erstaunlicherweise, traf ich ihn auch.
Das Messer hatte sich in seinen Oberschenkel gebohrt und er schrie auf vor Schmerz.
Sein Von Wut verzerrtes Gesicht richtete sich auf mich, ehe er auf mich zustürmte, mit seinem Morgenstern ausholte und mich fast damit traf.
Ich schaffte es gerade noch so auszuweichen, ansonsten hätte er mein Bein getroffen.
Er war schneller als das Mädchen am Vortag, stärker.
Wenn ich mit ihm ringen müsste, so wie mit ihr gestern, dann hatte ich keine Chance, er könnte mir sogar mit Leichtigkeit das Genick brechen, das wusste ich.
Er drehte sich wieder zu mir, holte erneut aus und traf abermals nur den Sand.
Ich knickte leicht ein, da meine Beine zitterten und ich das Gefühl hatte keine Kraft mehr zu haben.
In diesem Füllhorn war es heißer als in der prallen Sonne draußen, da sich die Wärme hier speicherte, kein Wunder, das meine Kleidung bereits wieder getrocknet war und das die Äpfel hier so schnell gammelten.
Immer wieder schlug er auf mich ein, ich hoffte das er irgendwann müde werden würde, doch wurde anscheinend nur ich von uns beiden müde, also versuchte ich es mit Gegenangriff.
Ich sprang auf ihn zu, machte eine Rolle an ihm vorbei und zog ihm dabei das Messer wieder aus dem Bein.
Erneut schrie er auf.
Ich steckte das kleine Messer in meinen Gürtel zurück und schlug ihn mit meinem Speer gegen den Arm.
Er zuckte vor Schmerz zurück, doch schien ihn diese Aktion nur noch wütender zu machen, denn er griff sofort wieder an, diesmal mit noch mehr Kraft.
Wieder rollte ich mich an ihm vorbei und rammte ihm dabei meinen Speer in die Seite, Blut spritzte mir entgegen, in mein Gesicht, auf mein Shirt.
Der Junge stöhnte vor Schmerz auf und beugte sich nach vorne.
Erneut schlug ich ihn mit meinem Speer, doch dieses Mal gegen den Hinterkopf, sodass er vornüber viel.
Kurz wartete ich noch, ob er wieder aufstehen würde, doch tat er dies nicht, er blieb reglos im Sand liegen.
Kein Kanonenschuss erklang und ich wusste, das er noch lebte, zudem war mir klar wenn ich ihn jetzt tötete, das die Karrieros dann vermutlich sofort zurückkehren würden, angelockt durch den lauten Schuss, aus diesem Grund wandte ich mich von ihm ab, griff nach einem Rucksack, alle waren sie Leer und füllte ihn mit allem was ich dachte, dass ich es brauchen würde.
Ich packte Kräcker, getrockneten Rindfleisch, Jod, Streichhölzer ein und mehrere zwei Literflaschen.
Einen Schlafsack brauchte ich nicht, da ich nicht vorhatte in der Wüste zu übernachten, denn nur in diesem Bereich der Arena würde die Temperatur so weit absinken, das man im Schlaf erfror.
Dann richtete ich mich wieder auf, blickte noch einmal zu dem Jungen am Boden und begab mich dann auf schnellsten Weg zur Oase.
Am Wasserrand kniete ich mich nieder, befüllte meine Flaschen und trank auch schon etwas um mich zu stärken, dann sah ich mir die Pflanzen genauer an und erkannte einige Dattelpalmen.
Am liebsten hätte ich mir davon auch noch welche eingepackt, doch hätte ich dafür erst einmal an den spitzen Dornen vorbeigemusst, die daran wuchsen und dafür hatte ich einfach keine Zeit.
Mit einem nun vollen Rucksack, rannte ich zurück in den Dschungel, die Augen stets wachsam auf alles gerichtet, was knackte oder sich bewegte, immerhin waren hier drin irgendwo die anderen Tribute.
Als ich plötzlich Lachen hörte, blieb ich abrupt stehen und lauschte.
Die Geräusche waren nicht unweit vor mir und ich lief leise darauf zu.
„Na hast du etwa Angst? Oh, das tut mir aber leid" Erklang eine höhnische und mädchenhafte Stimme.
„Keine Sorge, es wird bald vorbei sein"
„Will einer von euch es tun, oder soll ich?" Fragte ein Junge.
Ich trat zwischen den Bäumen und Sträuchern hindurch, bis ich eine kleine Gruppe von Menschen erkannte.
Es waren die Karrieros, zwei Jungen und ein Mädchen und sie hatten allem Anschein nach ein weiteres Opfer gefunden, ein kleines Mädchen mit braunen Haaren, sie erinnerte mich ein wenig an meine Schwester, an ihr schien nichts bösartig oder stark zu sein.
Sie hatte Angst und flehte die drei an sie nicht umzubringen, doch brachte es die Karrieros nur zum Lachen.
„Wir könnten es auch alle zusammen machen" Meinte einer der beiden Jungen mit einem boshaften Grinsen.
„Hehe, in Ordnung, das wird sicher spaßig" meinte das kleine Mädchen.
Alle drei holten mit ihren Waffen aus und schlugen und stachen auf das Mädchen ein, welches laut aufschrie.
Ich musste meinen Blick abwenden, zu schrecklich waren diese Bilder, zu real.
Solche Dinge hatten sich vermutlich am ersten Tag auch beim Füllhorn abgespielt.
Ich lief leise weiter, wollte schnell von den Karrieros fort, solange sie beschäftigt waren.
Irgendwann hörte ich ihre Stimmen nicht mehr, hörte die schreie nicht mehr, hörte das Lachen nicht mehr und dann erklang laut und deutlich in der gesamten Arena der Kanonenschuss.
Wieder zuckte ich zusammen, obwohl man meinen müsste, das ich mich endlich daran gewöhnt haben sollte.
Ich hatte eine Gänsehaut und meine Hände waren eiskalt, entweder es war der Schock oder ich hatte einen Sonnenstich.
Ich konnte nur hoffen das es ersteres war, ein Sonnenstich auszukurieren, dafür hatte ich einfach nicht genug Zeit, ruhe und ich hatte auch keine Mittel, die mir helfen würden.
Auch heute kam wieder kein Fallschirm von Haymitch und das obwohl ich fast verdurstet wäre, ich hatte also recht gehabt, kein Sponsor konnte sich für mich erwärmen nachdem was ich in meinem Interview zu Caesar gesagt hatte.
Als ich einen Platz gefunden hatte, der ruhig genug war, hockte ich mich auf den Boden und holte ein paar Kräcker raus, die ich dann mit hast aß.
Dann nahm ich erneut einige Schlucke von meinem frisch erbeuteten Wasser und genoss das Gefühl des kalten Nass, wie es meine Speiseröhre runterlief und mich erfrischte.
Seelig schloss ich kurz meine Augen bis ich erneut einen Kanonenschuss vernahm und mich fragte, wen es nun getroffen hatte.
Ich versuchte mich daran zu erinnern, wie viele wir nur noch waren und wie viele wir jetzt noch waren, aber irgendwie viel es mir schwer.
Als es wieder Dunkel wurde und der Nebel sich wieder ausbreitete, suchte ich mir erneut eine stelle, von wo aus ich den Himmel sehen konnte und wartete auf die Hymne von Panem, das Bild des Mädchens, das die Karrieros getötet hatten wurde aufgezeigt, sie war fünfzehn gewesen, hieß Dakota und war aus Distrikt 10. Nie würde ich vergessen, was die Karrieros ihr angetan hatten, nie würde mich der Gedanke loslassen, was sie auch mir antun würden, ich biss fest die Zähne zusammen und konzentrierte mich auf den Himmel, solche Gedanken schwächten einen und machten einen angreifbar, das durfte ich einfach nicht sein.
Das Bild des blondgelockten Jungen aus Distrikt 4. Wurde aufgezeigt, entweder war er an den Folgen seiner Verletzungen doch noch gestorben, oder was wahrscheinlicher war, die Karrieros waren zu ihm zurückgekehrt und hatten ihn umgebracht, weil ihre Vorräte verschwunden waren.
Eins von beidem ging nur und ich setzte mich wie in der ersten Nacht auf den Boden und bedeckte mich mit Erde.
Vielleicht würde ich ja in dieser Nacht ein wenig Schlaf finden, auch wenn ich mich davor fürchtete.
Das Geräusch der Zirpenden Insekten wiegte mich schließlich in den Schlaf.

The Hunger Games-Sarah Riley and her life as a tributWo Geschichten leben. Entdecke jetzt