interviews

580 27 0
                                    

Die weiteren Einzel Trainings mit Haymitch waren eine volles Desaster, es war einfach zu schwierig mit ihm auszukommen.
Bei Effie hingegen lief es schon besser, doch denke ich das auch dieses Training ausbaufähiger gewesen wäre, sie lehrte mich wie man richtig saß, stand, ging, sich in einem Kleid verhielt, was unter anderem bedeutete, das man es niemals über die Knöchel heben durfte und das man immer schön lächeln sollte.
Sie hatte allerdings gut reden, musste ihr doch das Grinsen ins Gesicht getackert worden sein.
Zudem hasste ich hohe Schuhe, ich war mir sicher, dass ich der erste Tribut sein würde, der auf der Bühne umknickte und fiel.
Aber immerhin, lächerlicher als bei der Vorführung im Bergarbeiterkostüm konnte ich mich bestimmt nicht mehr machen.
Sicherlich hatte Haymitch es auch nicht geschafft, den Stylisten zu überzeugen, mir ein vernünftiges Kostüm für die Interviews zu machen.
Als der Tag der Interviews mit Caesar Flickerman dann kam, spürte ich wie mein Herz den ganzen Morgen schon zu zerspringen drohte.
Mir war schlecht und schaffte es nicht einmal etwas zu Frühstücken, die Vorstellung Essen in mich hineinzustopfen verursachte nur noch mehr Übelkeit und ich konnte es nun wirklich nicht gebrauchen, Caesar während des Interviews meinen Mageninhalt zu präsentieren.
Es war zwar nicht das erste Mal, das ich vor so vielen Menschen stehen würde, doch es war das erste Mal, das ich im Mittelpunkt des Interesses stehen würde, alle würden auf meine Reaktionen und Antworten auf eventuelle Fragen warten.
Und mein Verhalten, die Dinge die ich sagen würde, all das würde sich darauf auswirken, wie viele Sponsoren sich für mich interessieren würden.
Nach einer Ewigkeit, so schien es mir, klopfte Effie an meine Tür und holte mich ab.
Wir fuhren mit dem Fahrstuhl sämtliche Stockwerke hinunter und ich spürte die ganze Zeit den Blick von Haymitch auf mir.
Ich konnte mir schon denken, was er für ein Problem hatte, sicherlich war er nicht zufrieden, das ich nichts gegessen hatte, immerhin war es schließlich so, dass wenn Haymitch sich schon dazu herabließ mir einen Rat zu geben, dann wollte er, das man ihn auch einhielt.
Zudem, wollte er vermutlich abschätzen, ob ich nervös war.
Sicherlich war ich das, doch versuchte ich dies nach außen hin nicht zu zeigen, meine Miene war reglos, mein Körper angespannt wie immer.
Als der Fahrstuhl stehen blieb, kamen mir und James gleich unsere Stylingsteams entgegen und brachten uns jeweils in einen anderen Raum.
Am Anfang, wurden mir meine Kleider genommen und ich wurde gewaschen, sicherlich würde ich mich nie daran gewöhnen können, das andere Menschen mich nackt sahen und einfach taten, als sei ich ein Puppe, aber ich würde sicherlich sowieso nicht mehr dazu kommen müssen.
Danach zog man mir einen Morgenrock über, trocknete und frisierte mir das Haar, lackierte mir die Nägel und langsam, als alle soweit ihre Beschäftigungen beendeten, betrat Effie den Raum.
Freudestrahlend wie immer, hielt sie ein hellgrünes Kleid in den Händen und reichte es mir.
Fragend blickte ich auf den feinen Stoff herab: „Was ist das?"
„Das ist dein Kleid liebes. Auch wenn ich mir gewünscht hätte, das es etwas.... Naja mehr wäre" Sie machte eine allumfassende Geste bei dem Wort mehr. „Haymitch hat darauf bestanden es etwas schlichter zu halten. Er meinte, du wärst nicht der Typ für Prunk und viele Farben. Pah, als ob der Ahnung davon hätte"
Überrascht blickte ich zu Effie auf, die in ihren hohen Absätzen im Moment etwas größer war als ich und fragte dann: „Wieso Haymitch? Ich dachte er hat mit der Wahl des Kleides nichts zu tun?"
Effies Lächeln wurde wieder breiter und sie ging zurück zur Tür, von der sie kam: „Sicher hat er die nicht, aber nach eurem Auftritt in diesen schrecklichen Sachen, hatte er dir doch gesagt, dass er mit dem Stylisten sprechen würde. Er hat ihm soweit ich weiß ziemlichen Druck gemacht und schließlich genau gesagt, was er bei dir und James sehen will"
Sie verließ den Raum genauso schnell und prunkvoll, wie sie gekommen war und ließ mich wieder mit meinem Stylingteam allein.
Diese Halfen mir das Kleid anzuziehen und steckten mir etwas in den Haaren fest, erst dann, durfte ich mich im Spiegel betrachten.
Mein Haar, war locker in einem Kranz geflochten, aus dem viele einzelne Strähnen gelöst und lockig mein Gesicht und Nacken umrahmten, zudem hatte man einen weißen kleinen Blumenkranz darin festgesteckt, an dem zwei kleine Ketten mit weißen und hellgrünen Perlen hingen.
Das Kleid, war aus einem weichen, fließenden Stoff und floss gestuft an mir herab, an der Rückseite reichte es bis zum Boden, wohingegen es vorne allerdings schon kurz über dem Knie endete, was Effies Rat völlig nutzlos machte, das es nicht über die Knöchel gezogen werden durfte.
Es war Trägerlos und lag an der Brust und am Bauch eng an, wobei es am Bauch gerafft wurde und an der Seite von einer einzelnen glitzernden weißen Spange gehalten wurde.
Es war schlicht und entsprach vermutlich wirklich in keinster Weise Effies Vorstellungen, aber Haymitch hatte recht, prunk passte nicht zu mir.
Die Schuhe, die man mir angezogen hatte, waren in demselben silberweißen Ton, wie die Spange am Kleid und glitzerte ebenso wie diese.
Mein Make-up hatte man ebenfalls schlicht gehalten, alles in allem jedoch, hatte ich das Gefühl mich selbst nicht wiederzuerkennen, nie zuvor hatte ich so etwas besessen oder angehabt.
Es war ein Komisches Gefühl.
Es Klopfte an der Tür und Effie trat wieder ein, kurz blieb sie überrascht stehen und musterte mich, offensichtlich gefiel ihr was sie sah, denn sie klatschte erfreut in die Hände und meinte dann mit einem Lächeln: „Du siehst hinreißend aus meine liebe. Das Kleid ist meiner Meinung nach immer noch fad, doch du lässt es gleich viel heller strahlen"
Ich runzelte kurz die Stirn und fragte mich, wie man ein Kleid zum Strahlen bringen konnte, da winkte sie mich schon mit sich mit.
Am Aufzug trafen wir wieder auf James und Haymitch, James sah gut aus, das musste man auch seinem Team lassen, er hatte einen ebenfalls schlichten Anzug an und man hatte sein Haar zurückgegelt.
Haymitch sah auch sehr gut aus, vermutlich hatte man sich auch wieder um ihn gekümmert, Er Trug eine dunkle Anzughose, die passende Weste dazu, und ein Hemd, nur seine Haare hingen wild an ihm herab.
Die beiden kamen auf uns zu und musterten mich von oben bis unten, James anzüglich und Haymitch als sei ich ein geglücktes Experiment.
Als sich die Türen des Aufzugs wieder öffneten, wurden wir zu den anderen Tributen in eine Reihe gestellt, in der Folge, wie wir drankommen sollten.
Ich war die vorletzte, was logisch war, immerhin war ich aus Distrikt 12 und der Junge kam immer nach dem Mädchen dran.
Das Betreten der Bühne war für mich wie eine Tortur, mein Herz schlug ungeheuer schnell und ich hatte das Gefühl das ich in dem Kleid einfach nur lächerlich aussah.
Ich schüttelte den breit grinsenden Caesar Flickerman die Hand, welcher in diesem Jahr die Haare grün gefärbt trug und auch seine Kleidung in dieser Farbe angepasst hatte und setzte mich.
„So, Sarah aus Distrikt 12. Verrate uns, was hat dich hier im Kapitol seit deiner Ankunft am meisten beeindruckt?"
Seine Zähne hatten ein unnatürliches weiß und durch das breite grinsen, die grünen Haare und die Dunkle Haut, wirkte er irgendwie wie eine Schlange, die mich gleich verschlingen wollte.
„Ich weiß nicht, die Gleichgültigkeit der Menschen hier vielleicht?"
Ich sah in meinem Augenwinkel, wie Haymitch, der neben Effie am Bühnenrand stand, wütend die Augen verdrehte und wie in der Menge der Zuschauer Gemurmel entstand, vermutlich hätte ich das nicht sagen sollen.
Caesars Gesichtsausdruck verlor zwar nicht sein Grinsen, jedoch wirkte er ein wenig verwirrt, was vermutlich noch nie vorgekommen war.
„Das musst du uns etwas genauer erklären"
War es nicht offensichtlich wie es gemeint gewesen war?
Ich setzte ein feines Lächeln auf und meinte dann ein wenig dümmlich: „Oh, vermutlich habe ich mich ungeschickt ausgedrückt, ich meinte natürlich, das die Menschen hier im Kapitol sehr tolerant sind, was die Andersartigkeit der Tribute aus den verschiedenen Distrikten anbelangt. Sie nehmen uns so an, wie wir sind und seien wir doch mal ehrlich Caesar, wir sind nicht einmal ansatzweise so gut gekleidet wie ihr"
Ich konnte nur hoffen, das es überzeugend genug klang, das ich nicht alles schon vorab verdorben hatte.
Als würde mich die Kleidung interessieren, die ich am Leib trug, Hauptsache sie hielt mich und meine Geschwister im Winter warm.
„Oh, ich verstehe. Sicherlich hast du recht, aber wie ich sehe haben deine Stylisten auch ganze Arbeit geleistet. Du bist heute Abend gar nicht wieder zu erkennen. Ich muss gestehen, bei der Vorführung habe ich dich und deinen Mittribut gar nicht wahrgenommen"
Sicher hatte er das nicht, James und ich sahen ja auch absolut identisch und dämlich aus.
Innerlich brodelte es in mir, doch versuchte ich es äußerlich zu verstecken, indem mein Lächeln breiter wurde.
Ich tat als wäre ich schüchtern und blickte zu Boden.
„Danke. Ich kann nur hoffen das ich meinem Stylingteam nicht allzu viel Ärger gemacht habe"
„Das kann ich mir nicht vorstellen, du bist so ein liebreizendes Mädchen. Findet ihr nicht auch?" Fragte Caesar in die Menge und alle begannen aufgeregt zu Klatschen.
Ein wenig überrascht blickte ich auf und verstand nicht, wie man meinem schlechten Schauspiel nur glauben konnte.
„Und nun zu deiner Trainingsbewertung, du hattest eine acht, was für einen Tribut aus deinem Distrikt schon recht viel ist, verrate uns doch, was genau hast du getan"
Ich Blickte kurz zu Haymitch um zu sehen, was er von der Frage hielt und ob ich reden oder lieber schweigen sollte, doch aus seinem Gesicht war nichts zu lesen und ich sah wieder verlegen lächelnd zu Caesar.
„Nun, ich denke nichts anderes als die anderen Tribute auch. Zeitweise habe ich sogar geglaubt mir würde keiner zusehen. Doch scheinbar habe ich mich da getäuscht"
„Kannst du uns das etwas genauer erklären?" Caesar gab sich alle Mühe, um aus mir etwas brauchbares herauszuholen, doch mittlerweile denke ich, das ich nicht für solche Dinge geschaffen war wie Interviews geben.
„Nun, ich will doch nicht vorab meine Stärken preisgeben, ich kann nur sagen, lassen sie sich überraschen"
Gelächter erklang aus dem Publikum und Caesar erhob wieder seine Stimme: „Nun, ich sehe schon, du bist ein harter Brocken und mehr dazu bekomme ich vermutlich wirklich nicht aus dir heraus. Also eine andere Sache, am Tag der Ernte, als dein Name gezogen wurde, da wirktest du nicht im mindesten überrascht oder geschockt, was ging dir in diesem Moment durch den Kopf, hattest du gar keine Angst?"
Ich spürte wie meine Nase zu kribbeln begann und ich zwang die Tränen zurück, die sich in meinen Augen bilden wollten.
Ich durfte keine Schwäche zeigen, nicht vor all diesen Menschen.
„Ich habe... an meinen Bruder gedacht und gehofft, das sein Name nicht gezogen wird"
Geräusche die Mitleid bekunden sollten gellten durch die Zuschauermengen, aber sie prallten an mir ab, keinem dieser Menschen kaufte ich es ab, sie alle wollten doch bloß eine spannende und gute Show und so was bekam man eben nur mit Tributen, die in eben dieser Show einen Kollateralschaden bildeten.
Es wäre ihnen im Endeffekt egal gewesen, ob ich oder mein Bruder.
„Dein Bruder, war sicherlich der kleine Junge, der das weinende Mädchen festgehalten hat, oder?
„Ja, meine Schwester" Sagte ich, das Lächeln war mittlerweile aus meinem Gesicht verschwunden.
„Was hast du ihnen gesagt, als ihr euch voneinander verabschiedet habt?" Fragte Caesar.
„Ich versprach ihnen, das ich versuchen würde zu gewinnen"
„Und das wirst du auch!" Damit stand Caesar ruckartig auf und hielt mir freundlich eine Hand hin um mir aus meinem Sitz zu helfen.
„Tut mir leid, unsere Zeit ist um. Viel Glück Sarah Riley, Tribut aus Distrikt 12"
Applaus ertönte und ich verließ die Bühne und sah mir James seinen Auftritt auf einem Bildschirm an.
Er hielt sich Souverän, spielte den Erfahrenen und Charmanten, für mich wirkte er irgendwie aalglatt.
Aber im Großen und Ganzen, interessierte mich sein Auftritt auch nicht, ich fühlte mich hilflos und wütend, ich hatte das Gefühl, das mein Herz erfüllt war von Hass.
Hass auf die Spielemacher, Hass auf die Menschen hier im Kapitol, Hass auf den Präsidenten, Hass auf mich selbst, weil ich solch eine Farce veranstaltete, nur um mögliche Sponsoren von mir zu überzeugen.
„Was sollte das eben?"
Haymitch kam gerade auf mich zu und er wirkte alles andere als erfreut.
„Was genau meinst du?" Fragte ich ihn kalt.
„Du kannst doch nicht bei einem Interview, live im Fernsehen sagen, das dich die Gleichgültigkeit der Menschen hier begeistert hat! Mal abgesehen vom sarkastischen Hintergrund den diese Aussage hatte, verärgerst du damit die ganz großen Jungs und das könnte für dich ganz schnell das Ende in der Arena bedeuten"
Ich blickte weiterhin stur auf den Bildschirm vor mir und versuchte den aufgebrachten Haymitch neben mir zu ignorieren.
Sicher hatte er recht und ich hatte ja auch versucht diesen Fehler wieder gut zu machen, aber Fakt war doch, was einmal gesagt wurde, war gesagt. Es konnte nicht mehr rausgeschnitten werden, ganz Panem hatte es gehört und das würde den Präsidenten nicht gefallen. Vermutlich, war es wie Haymitch schon sagte, nun sowieso zu spät für mich, die Arena würde mein Ende bedeuten.
„Hörst du mir überhaupt zu süße?"
Kurz schloss ich die Augen und sprach als ich sie wieder öffnete.
„Es geht doch im Endeffekt nicht darum, ob und wann ich in der Arena sterbe Haymitch, es geht nur darum, wie. Ich habe nicht vor kampflos aufzugeben, aber wir beide wissen doch schon längst, das keiner von uns beiden, weder ich noch James aus dieser Sache lebend rauskommen"
Jetzt drehte ich mich zu ihm um und blickte ihm geradewegs in die grauen, gefährlich aussehenden Augen.
Zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, konnte ich so etwas wie Kampfgeist und Verachtung darin erkennen.
„Wenn du mich gefragt hättest, ich hätte dir gesagt, dass ich für dich sehr wohl eine Chance gesehen habe. Aber die hast du mit deinem Auftritt, egal wie gut er später auch gewesen war, versaut. Herzlichen Glückwunsch süße, du hast erreicht was du wolltest"
Damit ging er an mir vorbei und verließ den Raum.
Allein blieb ich zurück und wusste nicht was ich denken oder fühlen sollte, hatte er wirklich an mich geglaubt? Hatte er wirklich gedacht, ich hätte eine reelle Chance?
Er war wirklich ein Narr, wenn er das gedacht hat.
Als dann auch James Interview zu Ende ging, kamen er und Effie auf mich zu und zusammen gingen wir wieder zurück in unsere Unterkünfte.
Haymitch habe ich an diesem Abend nicht wieder gesehen.

The Hunger Games-Sarah Riley and her life as a tributWo Geschichten leben. Entdecke jetzt