Arena

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Sechzig Sekunden, so lange mussten die Tribute auf ihren Plattformen ausharren, wer vorher seine Plattform verließ, dem werden die Beine weggesprengt.
Sechzig Sekunden, in denen man auf dem Bildschirm die Arena zu sehen bekommt, bevor es richtig losgeht.
Das riesige, goldene Füllhorn, mit seinem gebogenen Ende, dessen Öffnung mindestens sechs Meter groß war und überquoll mit allen möglichen Dingen, die die Tribute zum überleben in der Arena brauchen würden.
Es stand zu allen in der gleichen Entfernung und würde für die Tribute doch so weit entfernt sein wie der Mond.
Rings um das Füllhorn verstreut lagen in unterschiedlichen Entfernungen noch mehr Vorräte, deren Wert immer mehr abnimmt, je weiter sie vom Horn weg liegen.
Die Tribute starteten in einem flachen, offenen Gelände.
Eine Ebene aus festgestampfter Erde.
Hinter den Tributen fiel die Erde in einem steilen Hang ab, rechts von ihnen liegt ein See, links lichter Kiefernwald.
Ich konnte nur hoffen, das die Kinder auf den Rat hören und nicht zum Füllhorn, sondern in den Wald rennen würden.
Mein Herz pochte wie verrückt, ich hatte das Gefühl, das ich diese Sechzig Sekunden nicht aushalten würde, doch mit einem Mal ertönte der Gong und alle stürmten los.
Katniss schien zu stocken, es war als wäre sie abgelenkt gewesen, doch nun kam auch sie in Bewegung nur leider in die falsche Richtung.
Wehrend Peeta in den Wald rannte, schnappte sich Katniss die nahegelegene Plastikplane und ein Brot, dann rannte sie weiter auf einen knallorangenen Rucksack zu.
„Was tut sie denn?" Murmelte ich.
„Vermutlich konnte sie den Gedanken nicht ertragen ohne irgendwas loszustürmen" Gab Haymitch zurück.
Warum musste Katniss auch so stur sein, verdammt!
Ich ballte unbewusst meine Hände zu Fäuste, ich war zu angespannt und hatte Angst, das sie vielleicht jetzt schon sterben würde.
Aber wer weiß, vielleicht war es ja auch besser so?
Nein, ich sollte so nicht denken, Katniss und Peeta, waren mir beide wichtig geworden, auch wenn es so nicht sein sollte, ist es passiert und sie, wie all die anderen Tribute vor ihnen sterben zu sehen, würde mich zerstören.
Ich wäre nie wieder ich selbst.
Der Junge aus Distrikt 9 erreichte den Rucksack zur selben Zeit wie sie und beide zerren eine Weile daran, bis er plötzlich begann zu husten und Katniss mit Blut vollgespritzt wurde.
Ein Messer steckte in seinem Rücken, einige der anderen Tribute hatten das Füllhorn erreicht und schwärmten zum Angriff aus.
Zehn Meter von Katniss entfernt stand Clove, das Mädchen aus Distrikt 2, sie hatte kurz zuvor mit dem Messer auf den Jungen geworfen und rannte nun auf Katniss zu.
Katniss warf sich den Rucksack über die Schulter und rannte auf den Wald zu, Clove warf erneut mit einem Messer und Katniss zog zum Glück instinktiv ihren Rucksack hoch um ihren Kopf zu schützen, wobei sich die Klinge in den Rucksack bohrte.
Katniss rannte weiter, Clove hingegen, ging zum Füllhorn zurück, bevor die guten Sachen alle weg waren.
Ungefähr ein Duzend Tribute hacken aufeinander ein, einige lagen schon tot am Boden, erst wenn man einen besseren überblick hatte, würden die Kanonen ertönen und für uns, die Zuschauer die Wiederholungen gezeigt werden.
Nun jedoch wo Katniss und Peeta im Wald verschwunden und vorerst in Sicherheit waren, schloss ich die Augen.
Ich musste mir dieses Gemetzel nicht unbedingt mit ansehen, ich hatte schon genug für Tausend Leben gesehen.
Es war später Nachmittag, als die Kanonen endlich ertönen, anscheinend hatte das Töten nun ein Ende gefunden.
Elf. Elf Tote. Also waren noch dreizehn im Spiel.
Der Tag zog sich ereignislos dahin, die geflohenen Tribute machten sich für die Nacht bereit, während die Karrieros auf der Jagd waren.
Sie zeigten, wie Katniss auf einen Baum kletterte, sich den Gürtel abzog um sich an den Baum festzubinden, dann zog sie den Schlafsack aus dem Rucksack und hüllte sich darin ein, die Nächte waren kühl und vermutlich war ein Schlafsack nicht das schlechteste was ihr passieren konnte.
Peeta hingegen, wurde eher weniger gezeigt, von ihm bekam man nicht mit, wie und wo er die Nacht verbrachte.
Dann ertönte auch schon die Hymne von Panem und kurz darauf wurden die Bilder der Gefallenen am Himmel gezeigt.
Zuerst zeigten sie das Mädchen aus Distrikt 3. Kalia, sie wurde von dem Jungen aus 1 Getötet, als er mit einem Messer zweimal auf sie eingestochen hatte.
Dann der Junge aus 4. Ethan, er wurde von Cato aus Distrikt 2 mit einem Schwert getötet.
Aus Distrikt 5 starb ebenfalls der Junge, Chris, sein Kopf wurde von Samuel aus Distrikt 8 gegen eine Kiste geschlagen.
Beide Tribute aus 6, das Mädchen, Kara, wurde von Marvel aus 1 mit einem Speer getötet, Ashton, wurde von dem Mädchen aus Distrikt 4 schwer verletzt und bekam von Cato dann den Rest.
Beide Tribute aus 7. Leghia, sie wurde ebenfalls von Marvel getötet und Samly wurde von Clove mit einem Wurfmesser getötet.
Der Junge aus Distrikt 8. Beide aus 9 und das Mädchen aus Distrikt 10.
Auch wenn ich die beiden schon gesehen hatte, war ich doch irgendwie zusätzlich erleichtert, das ihre Bilder nicht am Himmel zu sehen waren.
Ich war wahnsinnig Müde, doch hatte ich Angst, das Katniss oder Peeta sterben könnten, während ich nicht zusah, ich hatte Angst, am nächsten Morgen wieder hier vor dem Bildschirm zu sitzen und nichts mehr von ihnen zu sehen.
Doch irgendwann musste ich wohl doch eingeschlafen sein, denn als auf einmal die Kanone ertönte, schreckte ich aus dem Schlaf auf und sah geschockt und schwer atmend zum Bildschirm.
War einer der beiden etwa getötet worden?
„Keine Panik Süße, die beiden sind noch am Leben. Das Mädchen aus Distrikt 8. Hat ein Feuer gemacht um sich zu wärmen und wurde dabei von den Karrieros überrascht"
Ich hatte das Gefühl, das es nicht alles war, was er mir hätte sagen müssen, doch hakte ich nicht nach, ich vermied auch den Blick auf die Leinwand.
Ich wünschte, die Spiele wären schon vorbei, doch wusste ich es besser, manchmal konnten sich die Spiele über Wochen hinziehen, das meine damals nur sieben Tage gedauert hatten, war Glück gewesen.
„Du solltest dich ausruhen gehen, es ist spät und ich denke nicht, das sie einen der beiden heute noch finden werden" Meinte Haymitch.
Ich schüttelte entschlossen den Kopf: „Nein, es geht schon"
„Das denke ich nicht Süße, also ich für meinen Teil werde mich nun hinlegen, damit ich morgen, Sponsoren für sie an Land zeihen kann" Er erhob sich ächzend und sah mich lange an, als wartete er darauf, das ich mich doch noch umentschied.
„Haymitch, machst du dir keine Sorgen?" Ich mied seinen Blick, wollte nicht die eventuelle Gleichgültigkeit darin sehen, wollte eigentlich gar nicht wissen, ob ich von uns beiden die einzige war, die sich Emotional wieder zu sehr auf die Tribute eingelassen hatte.
„Sicher, aber es hilft ihnen nicht, wenn wir uns hier vor dem Bildschirm kauern und dann wenn es wichtig ist zu müde sind um richtig zu verhandeln"
Er hatte ja recht, wir wären heute Nacht für die Beiden ohnehin keine Hilfe.
Ich stand schließlich ebenfalls auf und ging langsam mit ihm zu den Aufzügen.
„Wo ist eigentlich Effie hin?" Fragte ich Haymitch verwundert.
„Die ist schon vor einer Weile gegangen, wollte noch auf irgendeine Feier anlässlich der Spiele"
Ich nickte verstehend und betrat mit ihm den Aufzug und fuhr nach oben, denn auch im Hauptquartier der Spiele, lagen unsere Räume in der zwölften Etage.
„Mach dir keine Sorgen, Peeta ist stark und Katniss sitzt soweit oben in einem Baum, die findet eh keiner" Versuchte er mich aufzumuntern, doch fühlte ich mich dadurch kein Stück besser.
Ich wusste schon jetzt, das ich auch in dieser Nacht wieder von schrecklichen Albträumen heimgesucht werden würde, doch dieses Mal, würde ich mir vermutlich ausmalen, auf welche grausamen Arten die beiden da draußen starben.
„Das kann so nicht weitergehen" Gab ich leise von mir und Haymitch sah mich schweigend an.
„Die Spiele, das Töten... es muss doch endlich aufhören!"
„Das wird es auch, irgendwann" Er sagte es, als wüsste er etwas, das ich nicht wusste und das verunsicherte mich.
Als wir oben ankamen und ausstiegen, war mein Bedürfnis nach langem reden gleich null, also wünschte ich ihm eine gute Nacht und verschwand in meinem Zimmer.
Abwechselnd heiß und kalt, duschte ich mich ab, versuchte meine Nerven zu beruhigen, doch half dies nichts.
Als ich aus der Dusche trat, trocknete ich mich ab, zog mir meinen Schlafanzug an und legte mich mit noch feuchten Haaren ins Bett.
Vorher jedoch vergewisserte ich mich, ob mein Messer unter dem Kopfkissen lag, es beruhigte mich, wenn ich wusste, das es da war, erst dann versuchte ich zu schlafen.
Dieser Tag war lang und anstrengend gewesen, doch für Katniss und Peeta war er noch länger und härter gewesen, ich fühlte mit ihnen und drückte ihnen die Daumen, auch wenn ich wusste, das einer von ihnen oder sogar beide nicht wieder lebend diese Arena verlassen würden.
Als ich am nächsten Tag wieder in der Halle vor dem großen Bildschirm von Distrikt 12 saß, konnte ich nicht fassen, was ich sah, eine schwache Katniss, die zwar ein Kaninchen gegessen hatte, aber so gut wie nichts getrunken hatte und Peeta.
Peeta, der offensichtlich mitten in der Nacht zu den Karrieros übergewechselt war.
Ich konnte es nicht glauben, es ergab einfach keinen Sinn, warum sollte Peeta auf einmal auf der Seite der Karrieros sein und Katniss jagen?
Als Haymitch zu mir traf, stand ich empört auf und sah ihn wütend an.
„Du wusstest es!"
„Was wusste ich Süße?" Er sagte es so gelassen, das mir sofort klar wurde, das er es mir wirklich verschwiegen hatte.
„Du wusstest gestern Abend schon, das Peeta sich auf die Seite der Karrieros geschlagen hat. Wieso? Wieso hast du es mir nicht gesagt?" Ich war wütend, fühlte mich ein wenig verraten, das hier war Haymitch, der Mann, von dem ich immer dachte, dass er mir die Wahrheit sagen würde und das auch nur, weil er einfach ein Mensch war, der gerade heraus sagte was er dachte.
Ich hatte ihm vertraut und nun war ich hintergangen worden.
„Wenn ich es dir gesagt hätte, als du wach geworden bist, Süße, dann wärst du nicht ins Bett gegangen um dich auszuruhen" Er setzte sich mit einem seufzen neben mich auf das Sofa, Effie war noch nicht erschienen und es war fraglich ob sie es auch würde, da an diesem Tag wieder eine Feier anstand.
„Verdammt Haymitch! Du sollst mich nicht bemuttern!" Zischte ich wütend, was ihn dazu veranlasste mit einem gelassenen Grinsen im Gesicht zu mir zu blicken.
„Ich bemuttere dich nicht, Süße. Es gibt einen anderen Grund dafür, warum ich gewisse Dinge tue und andere wieder nicht"
Ich wusste, das es keinen Sinn machte ihn zu fragen, was er meinte, er würde es mir ohnehin nicht sagen.
Manchmal redete Haymitch in Rätseln und das ärgerte mich, weil ich offenbar nicht klug genug war um sie zu verstehen oder zu entschlüsseln.
Verärgert sah ich auf den Bildschirm.
„Was glaubst du warum er das getan hat? Ich mein, er Liebt sie wirklich, also warum verrät er sie?"
Haymitch schüttelte neben mir unmerklich den Kopf: „Ich weiß es nicht, aber eins ist sicher, die Zuschauer werden ihn von nun an verachten, es wird völlig unmöglich sein ihm jetzt noch Sponsoren zu besorgen"
Das hieß soviel wie, konzentrieren wir uns also auf das Mädchen.
„Und was ist mit Katniss, sie ist am Verdursten, warum hast du noch nicht versucht ihr Sponsoren zu besorgen, damit sie ihr Wasser schicken?"
Es war mir unangenehm, das ich nach all den Jahren nicht wirklich gut mit Menschen reden konnte, sie überzeugen konnte, ihrem Liebling in der Arena etwas zukommen zu lassen.
Aber Haymitch wusste das und aus diesem Grund machte mich seine Antwort ziemlich sauer.
„Warum hast du es nicht getan?"
Fest biss ich die Zähne zusammen, versuchte mich zu beruhigen.
„Du weißt warum" Presste ich angestrengt hervor.
„Natürlich, Süße. Weil du einfach eine zu feindselige Ausstrahlung hast. Aber der Grund, warum ich mit noch keinem Sponsor gesprochen habe, ist, weil sich eine wasserquelle wie du siehst, unmittelbar in ihrer Nähe befindet, sie läuft nur immer daran vorbei. Sie ist besser dran, wenn sie alleine weiß, wo sie Wasser herbekommt, sie kann sich nicht immer darauf verlassen, das ihr jemand etwas schickt"
Natürlich konnte sie das nicht, das verstand ich und dennoch machte es mir Sorgen.
„Und was ist, wenn sie deine Gedankengänge nicht nachvollziehen kann? Wenn sie nicht versteht, warum du ihr kein Wasser zukommen lässt?"
Er Lachte belustigt auf, so als hätte ich die Lösung des Ganzen einfach übersehen.
„Süße, Sie wird es ganz sicher verstehen, sie ist schlau"
Außerdem ist sie wie du. Schoss es mir durch den Kopf.
Natürlich würde sie es früher oder später verstehen, da sie und Haymitch ein schlag sind.
Der Tag verging ereignislos, keine Tribute wurden getötet, in der Nacht wurde nur das Mädchen mit dem Lagerfeuer am Himmel gezeigt, da diese in den frühen Morgenstunden, kurz bevor Haymitch und ich schlafen gegangen sind, gestorben war.
Haymitch verbrachte somit viel Zeit bei den anderen Mentoren, unter anderem bei Chaff, dem Mentor aus Distrikt 11, einem sehr guten Freund von ihm. Dieser hatte einst die 45. Hungerspiele gewonnen.
Sie Lachten, scherzten und tranken, Haymitch hatte mich sogar gebeten mit ihm zu kommen, doch hatte ich nur den Kopf geschüttelt und verneint. Ich war nicht besonders gesellig, vor allem nicht mit Fremden.

The Hunger Games-Sarah Riley and her life as a tributWo Geschichten leben. Entdecke jetzt