Kummer und Sorgen

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Das Interview mit Peeta und Katniss verlief ganz gut, Haymitch und ich hatten damit allerdings eher wenig bis gar nichts zu tun, was auch der Grund war, warum wir nur als Zuschauer anwesend waren.
Am späten Nachmittag dann, machten wir uns auf zum Zug, es gab am Abend ein schönes Abendessen, das erste mit dem alten Team.
Effie, Haymitch, Peeta, Katniss, Cinna, Portia und ich.
Danach ging ich schon zu Bett, auch wenn ich einen kurzen Mittagsschlaf bei Haymitch hatte, fühlte ich mich noch immer ausgelaugt und müde.
Das einzige Problem war nur, das ich nicht einschlafen konnte, also zog ich mir einen Morgenmantel über und verließ mein Abteil.
Ich wusste, das Haymitch wieder bis spät in die Nacht bleiben würde, er schlief nie gerne, wenn es draußen dunkel war.
Leise schlich ich durch die Gänge und blieb ein wenig irritiert stehen, als ich Katniss an seine Tür klopfen sah.
Ich versteckte mich wie ein Spion hinter der nächsten Wand und lauschte.
Grimmig öffnete Haymitch sein Tür und grummelte: „Was willst du?"
Sicherlich schlug ihr in diesem Moment der Weindunst ins Gesicht, denn sie verzog ein wenig das Gesicht.
„Ich muss mit dir reden" Flüsterte sie.
„Jetzt?" Sie nickte.
„Hoffentlich hast du einen guten Grund" Er wartete, doch sagte sie nichts.
„Und?" Er klang schroff und ich runzelte die Stirn.
Der Zug bremste ab, vermutlich brauchten wir wieder Treibstoff.
„Hier im Zug ist es so stickig" Begann Katniss, es war offensichtlich, das sie nicht mit ihm zwischen Tür und Angel reden wollte, vermutlich hatte sie Angst, das der Zug abgehört wurde.
„Dagegen weiß ich was" ich vernahm torkelnde Schritte, dann wie eine Tür geöffnet wurde und schließlich spürte ich die Kälte um meine Beine wehen, als Haymitch die Waggon Tür geöffnet hatte.
Ein Diener des Kapitols kam herbei, doch Haymitch schickte die Frau wieder weg: „Brauch nur ein bisschen frische Luft. Nur einen kleinen Moment"
„Entschuldigung. Er ist betrunken. Ich hole ihn rein" Erwiderte Katniss.
Ich spähte leicht um die Ecke und sah, wie Katniss aus dem Waggon trat und nun vermutlich mit Haymitch draußen entlanglief um zu reden.
Es dauerte einen Moment, zumindest kam es mir so vor, erst dann traten sie wieder in den warmen Waggon und schlossen die Tür hinter sich, schlossen die Kälte und den Schnee aus.
Haymitch klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter und sagte: „Du könntest es viel schlechter treffen" Dann ging er wieder in sein Abteil und schloss die Tür hinter sich und Katniss ging ebenfalls nach kurzen Zögern zurück in ihr Abteil.
Ich verharrte ebenfalls einen kurzen Augenblick, ehe ich mich aus meinem Versteck löste und auf die dunkle Tür zuging.
Ich befeuchtete meine Lippen, zögerte einen Moment, dann klopfte ich zaghaft an.
Erst passierte gar nichts und ich nahm mir schon vor einfach wieder zu gehen, denn anscheinend hatte er mich nicht gehört, doch dann wurde mit einem Mal die Tür vor mir aufgerissen, das Licht der Lampe auf einem Tisch blendete mich und er schnauzte mich an: „Was denn noch?"
Verdutzt blickte er auf mich herab: „Du?"
Verlegen, was ich nun sagen sollte, blinzelte ich.
„Süße, was willst du hier? Und dann auch noch ohne Schuhe?"
Verwirrt über seine Aussage, sah ich an mir herab und stellte ernüchtert fest, das ich wirklich vergessen hatte mir Pantoffeln anzuziehen.
„Komm rein, du holst dir hier draußen noch den Tod" Er trat beiseite und ich drückte mich an ihm durch den engen gang vorbei in sein Abteil.
Es war schön warm, jedoch roch es unangenehm nach Alkohol und ich entdeckte die fast Leeren Flaschen auf dem Tisch und neben seinem Bett.
„Ich weiß ja nicht welcher Idiot meinte auf dem Gang lüften zu müssen, aber..." Begann er im Scherz, doch unterbrach ich ihn, noch immer mit dem Rücken zu ihm stehend: „Ich weiß das du es warst Haymitch. Was wollte Katniss von dir? Ist etwas passiert?"
Er kam um mich herum, ein zynisches Grinsen zierte sein Gesicht, als er sich auf einen Sessel fallen ließ, nach einer Flasche griff und einen schluck nahm.
„Seit wann belauscht du andere Gespräche?"
Ich könnte mich jetzt verteidigen, ihm sagen das ich nicht gelauscht hatte, sonst wüsste ich ja worum es ging, aber das wäre gelogen, zum Teil zumindest.
„Ich habe es nicht mit Absicht getan, ich kam nur zufällig vorbei"
„Sicher Süße. Und wieso warst du zufällig mitten in der Nacht hier draußen im Gang unterwegs?" Ich drehte mich nun vollends zu ihm um, sah ihm fest in die Augen und sprach: „Ich konnte nicht schlafen und ich wusste, das du noch wach sein würdest"
Etwas funkelte in seinem Blick, brachte seine blauen Augen zum leuchten, als er ganz langsam die Flasche auf dem Boden abstellte und mich eindringlich musterte.
„Und was hattest du vor, dich von mir ein wenig ablenken zu lassen?"
Verwirrt runzelte ich die Stirn, ich verstand nicht was er meinte, war es denn so schlimm wenn ich zu ihm wollte, weil ich nicht allein sein wollte oder konnte?
Ihn hätte es doch gar nicht weiter stören müssen, er hätte weiter getrunken und mich gar nicht wahrgenommen, ich hätte auf seinem Sofa mit einer Decke schlafen können, oder es zumindest versucht, war das wirklich verwerflich?
„Ich wollte nicht alleine sein, ich hätte dich auch nicht weiter gestört, glaub mir" Das Funkeln seiner Augen verlosch und er lachte auf, allerdings schien es, als würde er über sich selbst lustig machen.
Ich sah zu Boden, von seiner Reaktion merkwürdigerweise verletzt und wandte mich zur Tür: „Ich hätte nicht herkommen sollen, entschuldige"
Ich öffnete die Tür einen spaltbreit, doch schlug er sie mit einem ausgestreckten Arm hinter mir wieder zu.
Es war wie schon am Mittag, in seinem Schlafzimmer und ich fühlte mich leicht in die Enge getrieben.
Ich konnte seinen warmen Körper hinter mir fühlen, seinen Atem in meinem Nacken und ich wünschte mir, ich hätte keinen Zopf, der meine Haare hochhalten und meinen Nacken freilegen würde.
Etwas lief hier gewaltig schief und ich begriff nicht, wie es dazu hatte kommen können.
„Du musst dich nicht entschuldigen Süße. Ich sollte mich eher bei dir entschuldigen"
Überrascht drehte ich mich wieder zu ihm um, doch dachte ich gleich das es ein Fehler war, denn nun blickte ich direkt in sein Gesicht, welches wieder dieses Funkel aufwies.
Noch nie war ich Haymitch so nahe gewesen, sicher, wir hatten einander umarmt oder an den Händen gehalten, doch diese Situation war anders.
„Wofür?" Brachte ich hervor.
„Dafür, das ich dir so etwas vorgeworfen habe"
Was denn vorgeworfen? Ich verstand die Welt nicht mehr.
Er ließ seinen Arm sinken, musterte mich noch kurz eingehend und trat dann zurück, setzte sich wieder auf seinen Sessel und schien wieder völlig der Alte zu sein.
Mein Herz pochte wie wild und schrie nach seiner Nähe, doch rang ich diesen Impuls nieder, versuchte zu vergessen, was hier eben und auch schon in seinem Schlafzimmer in Distrikt 12 geschehen war.
Es ergab alles keinen Sinn.
„Katniss war vorhin hier, weil Präsident Snow sie bei ihr zu Hause besucht hat" Begann Haymitch dann wie aus dem nichts zu erzählen.
Ich runzelte die Stirn, erstaunlicherweise waren die vergangenen Minuten schon wie vergessen, obwohl ich dachte, es würde mir schwerer fallen dies zu schaffen.
„Was wollte er?"
„Er hat ihr gedroht, das er ihre Familie und all jene die sie liebt, töten würde, wenn sie ihn nicht überzeugen kann, das sie in Peeta wirklich verliebt ist"
Ich schüttelte den Kopf.
„Wie soll sie das machen, wenn er doch eh schon weiß, das es eine Lüge war?"
„Tja, das ist der Knackpunkt, sie wird es nicht schaffen, egal was sie tun wird"
„Und was hast du dann zu ihr gesagt?" Ich verstand seine Ruhe dabei nicht.
„Ich brauchte gar nichts sagen, sie selbst hat gesagt, dass sie Peeta dann Heiraten müsse"
Das war vermutlich auch der Grund, warum Haymitch ihr im Flur gesagt hatte, sie hatte es schlechter treffen können.
Ich runzelte stark die Stirn, ließ mich auf seinem Sofa nieder und starrte ihn an.
„Ja aber, wenn es doch eh nichts bringt, wieso bist du dann so ruhig dabei?"
„Ganz einfach, Süße. Wenn Snow extra den weiten Weg vom Kapitol auf sich nimmt, nur um so etwas aussichtsloses von ihr zu verlangen, dann geht ihm der Arsch auf Grundeis"
„Was?" Was zum Teufel redete er denn da?
„Er hat Angst! Vermutlich ist in den anderen Distrikten schon ein aufbegehren aufgetreten, eine Rebellion gegen das Kapitol" Erzählte er weiter und nun verstand ich.
„Natürlich, er versucht dies wieder unter Kontrolle zu bekommen, doch scheint es nicht zu funktionieren, weshalb er nun zu ihr gekommen ist. Aber Tot sehen, will er sie sowieso"
„Ja, aber er kann sie nicht einfach umbringen. Er würde eine Märtyrerin schaffen, etwas, das er im Moment überhaupt nicht gebrauchen kann, das bedeutet, vorläufig ist sie noch sicher" Es sollte mich beruhigen, doch tat es das nicht.
„Aber wie lange?"
Er verzog ein wenig das Gesicht: „Vermutlich nicht lang genug" er hob erneut die Flasche vom Boden auf, trank wieder ein- zwei Schlucke ehe er mich wieder ansah.
„Du hast einen Plan?" Fragte ich unverbindlich.
„Ich bin dabei" Und dann würde ich mir überlegen müssen, auf welcher Seite ich stand.
Ich konnte schließlich nicht immer einen Rückzieher machen, mich nicht für immer verstecken und vor dem Präsidenten kuschen, denn, vermutlich hatte Haymitch recht, mit dem was er einst sagte, mein Bruder war wahrscheinlich schon lange tot.
Es gab keinen Grund mich wegen ihm zu verstecken.
„Du kannst heute Nacht hierbleiben" Murmelte Haymitch, sah mich dabei jedoch nicht an.
„Danke" Meine Stimme war leise und klang vermutlich auch ein wenig überrascht, doch schien er mich dennoch gehört zu haben.
„Du kannst das Bett haben, ich werde vermutlich eh nicht schlafen" Nein, das würde er vermutlich wirklich nicht tun.
Doch wollte ich wirklich in seinem Bett liegen?
„Es geht schon, ich kann auf dem Sofa..." Er unterbrach mich harsch.
„Nimm das Bett, du weißt selbst wie scheiß unbequem diese Sofas sind"
Ich musste ein wenig schmunzeln, nuschelte ein weiteres Danke und legte mich dann in sein Bett.
„Das machst du noch immer viel zu selten" ich runzelte fragend die Stirn.
„Was?"
„Lächeln oder Lachen im allgemein" Erwiderte er, doch noch immer sah er mich nicht an, er blickte aus dem Fenster, jedoch wusste ich, das er nichts weiter als die schnell vorbeifliegenden Schneeflocken sehen würde.
Ich sagte nichts dazu, konnte dazu nichts sagen, stattdessen drehte ich mich auf den Rücken und sah zur Decke.
Nach einer weile fragte ich ihn, ohne großen Sinn, warum er nicht verheiratet war, immerhin hätte er als Sieger jede Frau im Distrikt haben können.
Zudem war er nicht hässlich, sicherlich gab es die ein oder andere Frau, die unglücklich in ihn verliebt gewesen war.
Doch hatte er die Abgeschiedenheit und den Alkohol bevorzugt um die Welt auszublenden.
Nach einer weile antwortete er mir, zuerst jedoch dachte ich, er würde es nicht tun, zu lange hatte ich auf eine Reaktion von ihm warten müssen.
„Es gab da mal ein Mädchen, doch ist sie jetzt nicht mehr da. Nach meinen Hungerspielen, hat mir das Kapitol alles was ich liebte genommen. Meine Familie und..."
Sie.
Beendete ich seinen Satz in Gedanken.
Haymitch hatte nie über seine Vergangenheit oder die Zeit nach seinem Sieg gesprochen, das einzige was ich wusste, war, das er einmal erzählt hatte, das die Art wie er damals gewonnen hatte zu nichts gutem geführt hatte.
Ich musste nur eins und eins zusammenzählen um zu wissen, das Sie getötet wurden, eben weil er das Kraftfeld benutzt hatte um das Mädchen damals zu töten.
Snow schien in seinen Methoden immer gleich vorzugehen, um jemanden zu bestrafen, vernichtete er immer erst alles, was der Person wichtig und teuer war.
Es tat mir in der Seele weh, ihn so zu hören, so verletzt, so einsam, so... gebrochen.
Ich wünschte ich könnte etwas tun, doch wusste ich nicht was, also schwieg ich und dies schien ihm nur recht zu sein, denn er nahm einen weiteren, diesmal viel längeren Schluck aus seiner Flasche und starrte dann weiter aus dem Fenster.

The Hunger Games-Sarah Riley and her life as a tributWo Geschichten leben. Entdecke jetzt