Als die Hymne endete, kamen die Friedenswächter und nahmen uns in ihre Mitte, dann eskortierten sie uns in das Gerichtsgebäude.
James und ich wurden getrennt, in verschiedene Räume gebracht und alleine gelassen.
Der Raum war prächtig, mit breiten, dicken Teppichen, einem Sofa und Stühlen, die mit Samt bezogen waren.
Ich blieb in der Mitte des Raumes stehen und wartete unentschlossen.
Ich denke das ich unter Schock stand, im Moment war es so, dass ich nichts fühlte, nichts an mich heranlassen wollte oder konnte.
Mit einem Mal wurde die Tür geöffnet und meine beiden Geschwister kamen herein, Tommy war wie schon auf dem Platz völlig ernst und irgendwie teilnahmslos und Alice weinte herzzerreißend.
Ich ging in die Hocke, nahm sie in die Arme und drückte sie fest an mich und strich ihr beruhigend über das aufgelöste Haar.
Würde meine Mutter noch leben, dann würde sie es genauso machen, das wusste ich.
Ich sah über ihr braunes Haar hinweg zu meinem Bruder, er wirkte verbissen, aber wandte seinen Blick nicht von mir ab.
Ich wusste dass wir nicht viel Zeit hatten, also versuchte ich mich zu beeilen und schob Alice ein Stück von mir weg, sah ihr in die Augen und strich ihr Haarsträhnen aus dem nassen Gesicht.
„Hör zu Alice, du wirst schön auf deinen Bruder hören, er ist der ältere und passt auf dich auf!" Sie schniefte und nickte, dann sah ich wieder zu Tommy.
„Ich weiß dass es hart wird, aber ich weiß auch das du das schaffst. Wenn du nicht weißt wo du etwas zu Essen herbekommen sollst, dann frag Greasy Sae, oder geh zu Anna, ich bin mir sicher sie werden dir helfen. Ich will, dass du nicht zu viele Tesserasteine benutzt, versuche deinen Namen so wenig wie möglich einzusetzen" Ich biss mir auf die Unterlippe und überlegte.
„Ich werde das Schaffen Sarah, keine Sorge" Versicherte er ihr ernst.
Verzweifelt streckte ich meine Hand nach ihm aus und zog ihn zu mir heran, ich drückte ihn fest an mich und atmete seinen vertrauten Duft ein.
Nach einigem Zögern, schloss auch er seine Arme um meinen Körper und ich hörte ein verhaltenes Schniefen.
Ich schloss die Augen, damit ich nicht zu viel von meinen aufgewühlten Gefühlen und meiner Angst, sie alleine zu lassen, preisgab.
„Pass auf Alice auf" Flüsterte ich an seiner Seite und ich spürte wie er nickte: „Versprochen!"
Ich schob beide von mir und sah sie eindringlich an, ich versuchte mir ihre Gesichter einzuprägen, jedes noch so kleine Detail in mich aufzunehmen, denn ich wusste, dass ich die Beiden nie wieder sehen, nie wieder in den Armen halten würde können.
„Versprich mir, dass du gewinnst" Murmelte Alice und eine weitere Träne lief ihr über die Wange.
Ich strich sie ihr behutsam weg und rang mir ein Lächeln ab, wusste ich doch, dass ich nicht gewinnen würde.
„Ja, ich verspreche, dass ich es versuchen werde"
Tommy sah mich an, als würde er an diesem Versprechen zweifeln, er war alt genug um zu begreifen, dass Tribute aus unserem Distrikt nie gewannen.
„Ich hab dich lieb!" Schluchzte Alice auf und schlang mir erneut ihre Arme um den Hals.
„Wenn du es nicht schaffst, wenn du keinen Ausweg mehr kennst, dann wende dich an Bürgermeister Undersee, er weiß dann was zu tun ist"
Er würde die beiden in ein Heim stecken, sicherlich nicht das schönste was geschehen kann, doch mit Sicherheit immer noch besser als zu verhungern.
Er schüttelte wütend den Kopf, er wusste auch was es bedeuten würde, sich an ihn zu wenden.
„Nein, ich sagte doch dass ich das schaffe!" Ich nickte rasch und strich ihm über seine Wange, dann wurde auch schon die Tür wieder aufgerissen und Friedenswächter traten ein, ich ließ Alice los und stand auf.
„Nein, ich gehe nicht weg, ich lass dich nicht allein!" Schrie sie verzweifelt und klammerte sich an mir fest.
Einer der Friedenswächter packte sie grob und löste ihre Umklammerung um meinen Körper, dann brachte er sie raus, doch verfolgten mich ihre Schreie noch immer.
Tommy sah mich noch einmal lange an, ehe er dem anderen Friedenswächter von selbst hinausfolgte.
Die Tür schloss sich hinter ihnen und ich war wieder allein.
Verzweifelt schloss ich erneut die Augen und atmete tief durch um mich zu beruhigen.
Wieder öffnete sich die Tür und Anna stürmte hinein, sie schlang ihre Arme um meinen Körper und flüsterte immer wieder: „Es tut mir so leid"
Steif stand ich da, ich konnte diese Umarmung nicht erwidern, ich war noch viel zu aufgelöst von der Tatsache, meine Geschwister nie wieder zu sehen.
Sie schob sich von mir und sah mich mit Tränen in den Augen an, die sie aber versuchte zurückzuhalten.
Sie wusste, dass es mir meinen Abschied nur noch erschweren würde.
„Ich verspreche dir, dass ich mich um sie kümmern werde! Ich werde Vater bitten, sie zu uns zu holen, solange du fort bist"
Solange ich fort bin? Sogar sie musste doch wissen, dass es keine Widerkehr geben würde.
Doch die Tatsache, dass sie sich um meine Geschwister kümmern wollte, beruhigte mich ungemein, ich wusste, dass sie dieses Versprechen einhalten würde, das tat sie immer.
„Danke" Flüsterte ich kaum wahrnehmbar.
Ihre hellen Augen schwammen in Tränen und ich sah das sie schwer schluckte, keiner von uns sagte noch ein Wort, was gäbe es auch zu sagen?
„Ich zähl auf dich" sagte sie leise und nun war es an mir zu schlucken.
Wieder öffnete sich die Tür und Anna verließ mit einem betrübten Blick zurück den Raum.
James und ich fuhren mit einem Auto zum Bahnhof, es war ein komisches Gefühl, da ich noch nie mit so etwas gefahren bin.
In Distrikt 12 konnte man sämtliche Strecken zu Fuß bewältigen, außerdem war ein Auto auch etwas, das ich mir nie würde leisten können.
Ich setzte ein verschlossenes Gesicht auf, denn am Bahnhof wimmelte es nur so von Reportern mit ihren Kameras und ein paar Minuten lang müssen wir in der Tür des Zuges stehen, damit die Kameras unsere Gesichter einfangen konnten.
Doch endlich durften wir hinein und die Türen schlossen sich hinter uns und ich hatte das Gefühl das mein Herz vor der Tür zurückgeblieben war.
Sofort setzt sich der Zug in Bewegung und die Geschwindigkeit raubte mir Anfangs den Atem.
Ich war auch noch nie mit einem Zug gefahren, warum auch, das Reisen zwischen den Distrikten war, außer zu offiziell genehmigten Arbeiten, verboten.
Der Zug war noch prächtiger als die Räume im Gerichtsgebäude und obwohl die Reise ins Kapitol nicht einmal einen Tag dauern würde, hatte jeder von uns sein eigenes Schlafabteil, mit angrenzenden Badezimmer und Ankleidezimmer.
„Du kannst tun was du willst, Anziehen was du willst, alles steht dir zur Verfügung" sagte Effie aufgeregt und ließ mich allein.
Ich war ein wenig überfordert mit den vielen neuen Eindrücken, Aus diesem Grund verließ ich mein Schlafabteil und lief James in die Arme.
„Wow, Sarah. Vorsicht" Er griff wie aus einem Reflex nach meinen Armen um mich zu halten, sollte ich stürzen, doch wusste ich, dass dies kein Reflex war.
Ekel packte mich und ich schüttelte seine Hände ab und trat zurück, er folgte mir und ich stand nun mit dem Rücken zur Wand.
Ich sollte keine Angst haben und noch hatte ich auch keine, doch ich wusste, dass er in der Arena mein gefährlichster Gegner sein würde, denn er hatte es speziell auf mich abgesehen.
Er war groß, größer als ich und sah auch gut aus, dennoch hasste ich ihn.
„Sag, hast du nicht vielleicht Lust mit in mein Abteil zu kommen? Dort könnten wir die Zeit bis zu unserer Ankunft gut überbrücken"
Ich verzog mein Gesicht: „Man sollte meinen, das du ein wenig in Sorge bist"
Er blickte verwirrt auf mich herab.
„In Sorge? Wieso sollte ich in Sorge sein?" er lachte dabei und klang recht selbstverliebt.
„Wir müssen in die Arena, hast du davor keine Angst?"
Ein grimmiges Lächeln umspielte sein Gesicht, als er antwortete: „Nein, schon mit dem ziehen meines Namens, war mein Leben vorbei. Ich brauche vor gar nichts mehr Angst zu haben, auch nicht vor etwaigen Konsequenzen meiner Taten"
Ich wusste worauf er hinauswollte, er wollte mir damit zu verstehen geben, dass er im Prinzip alles tun und lassen konnte, er würde ohnehin sterben.
Ich versuchte mich noch ein wenig mehr von ihm wegzudrücken, doch folgte er mir unerbittlich.
„Verdammt, ihr steht ihm Weg!" Grummelte eine aufgebrachte und eindeutig betrunken klingende Stimme, erleichtert schloss ich die Augen und blickte zu Haymitch unserem Mentor, der anscheinend auf dem Weg zum Abendessen war.
Als James sich nicht bewegte, hob Haymitch eine seiner Augenbrauen und packte James am Kragen und schob ihn an die gegenüberliegende Wand.
Haymitch Abernathy war anderthalb Köpfe größer als James, hatte dunkelblonde, etwas längere Haare und gefährlich aussehende, graue Augen. Alles in allem könnte er sehr gut aussehen, doch lief er immer ungepflegt herum und betrank sich ständig, was in mir eine ziemliche Abscheu verursachte.
Er lief weiter, blieb jedoch noch einmal stehen und blickte zu uns zurück, seine grauen Augen durchbohren mich und ich hatte ein unangenehmes Gefühl.
Er kam noch einmal zu mir zurück und blieb dicht vor mir stehen, seine Augen kniffen sich fest zusammen, als müsse er versuchen unter seinem starken Alkoholeinfluss, klar zu sehen.
„Du...Du gefällst mir kleines. Hast mumm und lässt dich von dem da nicht unterkriegen. Hast nicht einmal vor den Kameras gezeigt was du wirklich fühlst" Woher wollte er wissen was ich gezeigt hatte und was nicht? Hatte er etwa doch zugesehen bei der Ernte, ich hatte geglaubt, er sei zu betrunken gewesen, aber offensichtlich...
„Da seid ihr ja alle, kommt, es gibt Abendessen" Als Effie, die gerade zu uns gestoßen war, mich sah, verzog sie leicht das Gesicht und murrte dann: „Sarah, du hättest dich schön machen sollen, du hast so viele Kleider in deinem Abteil, war da etwa keines dabei, was dir gefallen hat?"
„Pah" Haymitch schwang zu Effie herum und ging auf sie zu, während er sprach: „Solange sie nicht aussieht wie ein Flamingo!" Als er dies sagte, sah er Effie bedeutungsschwer an.
Empört öffnete Effie Trinket ihren Mund um etwas zu erwidern, wurde jedoch von Haymitch aufgehalten, indem er ihr einen Kuss auf die Lippen drückte.
Für mich sah es ziemlich grob aus, er tat dies allem Anschein nur um Effie zu ärgern, was auch funktionierte, denn diese plusterte sich auf wie ein Fisch.
„Bleiben sie ganz ruhig süße, war nur ein spaß. So und wo ist jetzt der Alkohol?" damit ging er an Effie vorbei und verschwand im angrenzenden Zimmer.
Ich war mir bis zu diesem Zeitpunkt nicht sicher gewesen, wie Haymitch uns hätte helfen sollen, doch nun wusste ich es... gar nicht.
Haymitch war ein Trinker und es war ihm völlig gleich ob wir sterben würden oder nicht.
Nun, was James betraf, war es mir auch egal, aber dennoch bedeutete dies, dass ich völlig auf mich gestellt sein würde.
Haymitch, der eigentlich für Sponsoren zuständig war, würde in seinem jetzigen Zustand nicht einmal wissen wen er um Sponsorengeschenke bitten sollte.
Ich würde sterben und ich war mir ziemlich sicher, dass es gleich zu Beginn der Hungerspiele sein würde.
Ich war kein Stratege, kein Kämpfer, kein Jäger, kein Überlebenskünstler, zudem wusste ich ja nicht einmal in was für einer Arena wir kämpfen mussten.
Alles war möglich, außer meinem Sieg.
Als wir mit dem Essen und Haymitch mit dem Trinken fertig waren, wechselten wir in ein anderes Abteil, um uns die Zusammenfassungen der Ernte anzusehen.
In Wahrheit interessierte es mich nicht sonderlich, mir ging es schlecht und das lag bestimmt daran, dass ich beim Essen so sehr reingehauen hatte.
Das kommt wohl davon, wenn man sonst nie genug hat.
Nacheinander sahen wir uns die Ernten an, hören die Namen und sahen Freiwillige vortreten.
Ich versuchte mir die Gesichter der Kinder, die meine Konkurrenten sein würden, einzuprägen, doch es funktionierte nicht, zu ähnlich sahen sie sich.
Zumindest die, die nicht freiwillig Tribute wurden, denn die waren alle dünn und sahen müde und erschöpft aus.
Nur die Karrieros sahen wirklich fit und gut ernährt aus.
Effie ärgerte sich über ihr Aussehen und meinte dann: „Euer Mentor muss noch viel über Moderation lernen. Und darüber, wie man sich im Fernsehen benimmt"
Es klang als hätte er raue Manieren, die sich mit ein paar kleinen Tipps korrigieren ließen, doch Wahrheit war, das er betrunken war, da half auch das geben von Tipps nichts.
James lachte auf und man hörte deutlich den Spott in seiner Stimme: „Der ist doch immer betrunken, dem werden sie nie zeigen können wie man sich richtig benimmt"
„Ich finde es merkwürdig, dass du das so amüsant findest, euer Mentor ist in diesen Spielen eure Rettungsleine zur Welt. Er ist derjenige, der euch eure Sponsoren organisiert und bestimmt, wann ihr eure Geschenke erhaltet. Haymitch kann für euch der Unterschied zwischen Leben und Tod sein!"
Ich blickte auf dem in einem Sessel schlafenden Haymitch und verzog das Gesicht, nein, es machte keinen Unterschied ob er nüchtern war oder nicht, zumindest für mich nicht.
Ich saß auf meinem Bett in meinem Schlafabteil und dachte nach.
Ich hatte meiner kleinen Schwester versprochen es zu versuchen, ich hatte ihr Versprochen wieder heim zu kommen und doch hatte ich bereits vorher aufgegeben.
Ich presste meinen Kiefer fest zusammen und entschloss mich dazu zu kämpfen, ich würde es wenigstens versuchen und ein Schritt in diese Richtung bedeutete, Haymitch als Mentor fit zu bekommen und wenn dies nicht funktionierte, dann musste ich eben alleine da durch!
Ich wusste, dass in dieser Nacht an Schlaf nicht zu denken war, obwohl meine Augen furchtbar brannten und ich total Müde war.
Ich saß einfach da und versuchte mir klar darüber zu werden, was ich für eine Chance hatte zu gewinnen.
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The Hunger Games-Sarah Riley and her life as a tribut
RomantizmDas Kapitol hatte Sarah Riley mit ihrem Eintritt als Tribut in die 68. Hungerspiele alles genommen. Sie war allein und musste versuchen in der Arena gegen dreiundzwanzig andere Tribute zu bestehen, nicht einmal ihr Mentor Haymitch war eine große Hil...