~ Ophelia ~
Ich drängele mich lang durch die Massen hindurch, bis mich ein dumpfer Knall zusammenzucken lässt. Die Menschen um mich herum scheinen es ebenfalls gehört zu haben und blicken sich in alle Himmelsrichtungen um, um die Quelle ausfindig machen zu können. Auf einmal ertönt lautes Geschrei aus einer der zahlreichen Nebenstraßen und Menschen strömen daraus mit panischen Gesichtern. An einigen Leuten klebt sogar Blut an Gesicht und Kleidung, sodass ich ein ungutes Gefühl bekomme. Verzweifelt suche ich nach Ralph oder Lucian, kann jedoch keinen von ihnen finden. Dabei auch noch so zu wirken, als würde ich nichts weiter im Schilde führen, macht es nicht leichter.
Auf einmal schreitet ein Krieger in goldener Rüstung an mir vorbei. Die Leute machen ihm ehrfürchtig Platz - sämtliche Panik ist einzig durch sein Erscheinen verflogen. Doch wieso habe ich noch nie von ihm gehört? Wenn er so bekannt und... toll sein soll, wieso spricht dann niemals jemand von ihm?Aus der Seitenstraße preschen drei Draken hervor. Panik macht sich nun auch in mir breit, doch der Krieger stellt sich ganz gelassen vor diese Bestien und begutachtet sie erst einmal.
Plötzlich holt einer mit seinen Krallen aus - und schlägt dem Krieger den Helm vom Kopf. Der Menschenmenge entfährt ein entsetzlicher Schrei, doch der Krieger hat sich kein bisschen vom Flecken gerührt. Sein blondes, kurz geschorenes Haar erstrahlt wie seine Rüstung fast so hell wie die Sonne.
Nun zieht er sein Schwert, das er über den Rücken trägt. Es ist ein Zweihänder, dessen Klinge reicht verziert und wohl fast so lang ist wie ich.
„Na dann macht mal Bekanntschaft mit meinem Schwert, ihr Bestien!", ruft er den Draken mit einer für einen Mann sehr weichen Stimme zu. Fast schon zu weich und hoch.
Kämpferisch und rau zwar, doch... nicht... wie die Stimme eines Mannes...
Ich beobachte das Kampfgeschehen weiter und verstehe, warum ich noch niemals von diesem Krieger gehört habe:
Es ist eine Frau! Gekonnt wehrt sie die Angriffe ihrer Gegner ab und durchtrennt ihnen alle möglichen Gliedmaßen, die sich ihr eben gerade in den Weg stellen. Unglaublich!
„Das ist gar nicht gut, dass sie hier ist."
Erschrocken drehe ich mich um. Ralph und Pavel stehen hinter mir.
„Woher kommt ihr denn...? Und... wer ist sie? Wieso darf sie hier einfach so kämpfen? Als Frau?"
Pavel verschränkt seine Arme.
„Irina. Über ihre Herkunft weiß keiner Bescheid. Aber irgendwie hat dein Vater damals darauf bestanden, sie mit in die Armee aufzunehmen. Und rausgekommen ist diese wahnsinnige Mörderin."
Erstaunt beobachte ich, wie sie dem letzten Draken den Kopf abschlägt. Jetzt sehe ich auch, dass nur die rechte Hälfte ihrer Haare kurz geschoren ist. Die andere ist dagegen ziemlich lang.
„Allerdings darf sie tun, was sie da gerade tut, ohne sich Gedanken um Zuschauer zu machen", meint Ralph nun mit einem düsteren Hauch in der Stimme.
„Und das macht sie sozusagen zu unserem Gegner. Sobald sie uns erwischt, sind wir dran."
Pavel schnalzt verächtlich.
„Ich weiß schon, warum ich Frauen mit Waffen nicht mag."
Irina also. Die Überreste der Draken beachtet sie nun nicht mehr und geht einfach weiter, scheinbar, um nach weiteren Biestern zu suchen. Dabei kreuzt sie unseren Weg. Als wir auf einer Höhe sind, überkommt mich ein kalter Schauer und irgendwie habe ich das Gefühl, als würde sie mich anstarren und langsamer laufen. Doch wieso? Hat sie bereits durchschaut, was wir sind? Kann sie das mit ihren eisblauen Augen einfach so erkennen?
![](https://img.wattpad.com/cover/197991270-288-k284138.jpg)
DU LIEST GERADE
Drachenblut - Der erste Tropfen
FantasySeit Jahren hielt man sie für tot, doch eines Tages trifft Darius bei einem Auftrag auf die kriegerische Ophelia, die seit sieben Jahren allein im Wald lebt, um so den strengen Gesetzen Albias zu entkommen. Doch schon bald lernen sie die magische We...