~ Kapitel 32: Wendepunkt ~

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~ Ophelia ~

„Wie geht es deiner Schulter?"

Verwirrt blicke ich umher und sehe direkt in die Augen meines Bruders, der mich warm anlächelt. Träume ich? Und wo bin ich?

„Was ist hier los? Wieso ..."

Schnell legt Somin eine Hand auf meine gesunde Schulter und drückt mich sanft nach unten.

„Bleib bitte ruhig, es ist etwas kompliziert, weißt du?"

Ich seufze und erkenne jetzt auch, wo ich bin: Daheim im Hause meines Bruders. Aber wieso bin ich in Idiun? Sollte ich nicht in Eoroth sein? Verdammt, wieso bin ich ausgerechnet bei den Menschen?

„Dann... erklär es mir bitte."

Er bietet mir etwas Wasser an, das ich jedoch ablehne. Erst muss ich wissen, was passiert ist.

„Eines vorweg: Niemand hat diese Schlacht gewonnen. Die Verluste sind auf beiden Seiten in etwa auf dem gleichen Niveau."

Das beruhigt mich sogar.

„Der Ausgang des Kampfes... kam nur etwas unerwartet. Kannst du dich noch an etwas davon erinnern?"

„Ich weiß nur noch, dass Irina plötzlich erwacht ist. Also... ihre Magie... und ich irgendwie gegen sie ankommen musste. Als sie dann am Ende ihrer Kräfte war, habe... ich...dich geheilt...?"

Somin nickt und zeigt mir die Stelle, an der ich ihn beinahe tödlich verwundet hätte.

„Man sieht überhaupt nichts mehr. Selbst meinen zertrümmerten Oberschenkel hast du geheilt. Dafür bin ich dir wirklich dankbar."

Ich zucke mit den Schultern. Irgendwie bin ich mir noch nicht ganz im Klaren darüber, was das für mich und meine Fähigkeiten bedeutet.

„Jedenfalls ist... unsere... Mutter plötzlich aufgetaucht. Sie war zunächst auf dem Weg zu dir, doch ich war drauf und dran, sie von dir fernzuhalten."

„Wieso das?", will ich wissen, da er sie doch bis zuletzt noch in Schutz genommen hat. Er wirft mir einen eindringlichen Blick zu, der mir deutlich macht, dass er einfach alles verstanden hat.

„Auf einmal hielt sie aber inne und... nahm Irina mit sich. Zusammen mit den Draken, die noch lebten. Einen Moment lang sah sie wehmütig zu dir herüber, zog dann aber ab. Ich weiß leider nicht, was sie die ganze Zeit mit ihren Leuten gesprochen hat, denn diese Sprache verstand ich nicht und ..."

„Warte! Sie... hat mich nicht mitgenommen, Irina aber... schon? Wieso... das denn?"

Somin seufzt.

„Wieso überhaupt willst du wieder dorthin?"

„Das fragst du noch? Die Draken... sie sind... so viel besser. Gerechter, gutmütiger, sie sind echt! Noch dazu wurde ihnen ihr Land unrechtmäßig von den Menschen genommen. Deshalb hinterfrage ich ihre Absichten auch nicht."

Somin steht auf und geht etwas auf und ab.

„Ich weiß das. In den Tagen, in denen du geschlafen hast ... „

„Tage?! Wie lang...?", falle ich ihm ins Wort.

„Drei. Jedenfalls habe ich nach alten Büchern gesucht, in denen die Geschehnisse von damals aufgezeichnet wurden. In der Tat wurde ich fündig."

Er dreht sich zu mir um und hat einen ernsten Gesichtsausdruck.

„Die Draken sind kein harmloses Volk, so viel steht fest. Vor langer Zeit lebten sie tatsächlich mit den Bewohnern Albias in Frieden. Doch Draken sind und waren schon damals Dämonen. Und von allen existierenden Dämonen waren sie jene, die sich von Blut genährt haben. Zu Beginn des Konfliktes nährten sie sich vom Vieh der Bauern und rissen zahlreiche Kühe, Schafe und Schweine. Das stiftete bereits einen gewissen Unfrieden."

Drachenblut - Der erste TropfenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt