~ Ophelia ~
Meine Kindheit war nie einfach für mich gewesen. Schon immer wurde ich von meiner Mutter nur zu allem gezwungen, sollte feine Kleidchen und unbequeme Schuhe tragen. Sollte mich vornehm verhalten und nie ein Wort zu viel sagen. Ich sollte eben genau wie alle anderen Frauen werden. Doch es fühlte sich nicht richtig an. Etwas in mir schrie nach Abenteuern, nach Gefahr und Spaß.
Meinen Bruder Somin beneidete ich schon immer. Er wurde von klein auf von unserem Vater im Schwertkampf und allgemeinen Kriegswesen ausgebildet, damit er eines Tages dessen Platz einnehmen könnte. Doch er war immer solch ein Angsthase gewesen. Er wollte das alles gar nicht. Und ich, die danach gierte, in genau diesen Dingen unterrichtet zu werden, wurde auch nur bei dem Gedanken ausgeschimpft oder sammelte fleißig Ohrfeigen bei meiner Mutter, die mich lieber neben einem reichen Edelmann sah als neben einem Schwert.
Wie oft nur stritten wir darüber? Ich hatte irgendwann aufgehört, es zu zählen. Dann, als ich zwölf Jahre alt wurde und die jungen Männer begannen, sich reihenweise um mich zu scharen, wusste ich, dass mir keine weitere Zeit zur Flucht blieb. Sonst hätte ich in den nächsten paar Jahren geheiratet und hätte jetzt wohl schon zwei Kinder oder mehr.
Im Wald konnte ich endlich Ich sein. Konnte ein Schwert schwingen, ohne dabei gerügt zu werden. Ohne mit einer Haftstrafe rechnen zu müssen. Um dennoch etwas unauffälliger zu bleiben, erschuf ich Felix. Die Leute glaubten mir sofort, dass ich nur ein junger Bursche wäre, der gerade auf dem Weg ins Erwachsenendasein war.
Die beiden Narben in meinem Gesicht sind mittlerweile auch schon alt und stammen nicht einmal aus einem Kampf, sondern von einer Katze. Sie strich an meinen Beinen umher und ich wollte sie auf den Arm nehmen, um mit ihr zu schmusen, da verpasste sie mir einige Kratzer und floh sofort in den Wald. Dass daraus solche Narben wurden, war letztlich meine Schuld, da ich ständig an den Wunden kratzte. Aber das war mir egal.
Damals gehörten auch Henry und Lars zu meinen Verehrern. Sie rannten mir den ganzen Tag hinterher und... belästigten mich einfach nur. Prinz Darius dagegen, an dessen Namen ich mich gar nicht mehr erinnern konnte, schien mich schon damals immer gemieden zu haben. Offenbar mochte er mich damals wie heute nicht sonderlich. Wobei dies immer auf Gegenseitigkeit beruhte. Wohl schon aus diesem Grund war er mir nicht im Gedächtnis geblieben.
„Ihr seid also gekommen, um mich zurück zu meiner Mutter zu bringen, was?"
Darius blickt mich skeptisch an.
„Was denn? Habe ich seltsamen Ausschlag oder warum blickt Ihr mich so an?"
„Ach nichts. Ich frage mich nur, wie Ihr die ganzen Jahre über allein im Wald überleben konntet."
Ich stemme meine Hände in die Hüften.
„Schon traurig, dass ihr Männer uns Frauen wirklich nichts zutraut. Frauen können genauso gut kämpfen wie Männer auch."
Lars und Henry machen große Augen.
„Seid Ihr schon vergeben? Oh bitte, heiratet mich!", ruft Lars, doch ich stoße ihn nur sanft an der Schulter.
„Ich bin nicht mehr das kleine Mädchen von damals, also braucht Ihr es gar nicht erst zu probieren. Noch dazu interessieren mich Männer und Liebe nicht. Ich lebe nur für das Kämpfen, mehr nicht."
Er lächelt, schließlich war ihm klar, welche Antwort ich ihm darauf geben würde.
„Können wir dann bitte wieder zum Ernst zurückkehren? Wir haben eine Aufgabe zu erfüllen", ermahnt uns Darius mit ernster Miene, was mir erst recht Grund gibt, ihn nicht zu mögen. Er ist so steif... so... ordentlich. Vielleicht noch auf jugendliche Weise verspielt, aber dennoch zu vernünftig.
DU LIEST GERADE
Drachenblut - Der erste Tropfen
FantasíaSeit Jahren hielt man sie für tot, doch eines Tages trifft Darius bei einem Auftrag auf die kriegerische Ophelia, die seit sieben Jahren allein im Wald lebt, um so den strengen Gesetzen Albias zu entkommen. Doch schon bald lernen sie die magische We...