~ Ophelia ~
Am Fuße des Hügels sind wir schließlich am Stadttor angekommen. Dieses wird ebenfalls von vielen Kriegern bewacht. Hier gibt es sicherlich niemals Eindringlinge. An diesen Männern und Frauen kommt niemand vorbei. Ich grüße sie mit einem Kopfnicken, woraufhin sie sich leicht verneigen.
„Jeder hier weiß bereits, wer du bist", meint Lucian mit einem Lächeln auf den Lippen und führt mich durch die Stadt.
Von der großen Hauptstraße, die mit Sandstein gepflastert ist, der an einigen Stellen schon ziemlich glatt und rund getreten ist, gehen noch viele kleine Gassen ab. In diesen befinden sich zahlreiche Eingangstüren in die eher klein wirkenden Steinhäuser. Auch diese scheinen aus Sandstein zu bestehen. Die teilweise bunten Fensterrahmen sind mit zahlreichen Blumen geschmückt, die längst über ihre Töpfe hinausgewachsen sind und nun an den Hauswänden herabhängen. Hier und da spannen sich Leinen über unsere Köpfe, an denen manchmal Wäsche hängt. Viele fremde Düfte strömen auf mich ein und aufgeregt blicke ich mich umher, um sie alle auffangen zu können.
Die Leute auf den Straßen unterhalten sich rege, lachen und helfen sich gegenseitig. Sobald sie mich erblicken, verneigen sie sich demütig, was mir etwas unangenehm ist, aber nun gut.
„Woher weiß hier jeder, dass ich die Tochter Daphnes bin?", frage ich Lucian leise, der nur kichert und auf meine rechte Handfläche deutet.
„Das Symbol lässt dich eine gewisse Aura ausstrahlen, weißt du?"
Ich nicke, obwohl ich es nicht so ganz nachvollziehen kann.
„Wieso sehen Draken aus wie Menschen? Doch nicht etwa, um ihnen unbemerkt schaden zu können?", will ich nun wissen und suche in all dem Trubel nach irgendeiner Person, die den Abbildungen in den Büchern der Menschen ähnelt: Hörner, lange spitze Zähne, Klauen, Schuppen oder lederne rissige Haut, glühende Augen, Flügel, Fell...
„Ich selbst habe es nicht gesehen, wie Draken einst aussahen, doch man erzählt sich, dass sie sich den Menschen angepasst haben, um besser mit ihnen leben zu können. Um ihnen zu zeigen, dass sie nicht die Feinde sind. Selbst ihre Sprache haben wir uns angenommen. Zwar ist die eorische Sprache unsere Muttersprache, wie du an unserem Akzent sicher schon gehört hast, doch wir beherrschen die Sprache der Menschen nahezu perfekt und üben uns regelmäßig darin, sie sprechen zu können. Sogar ihre Magie haben unsere Vorfahren in den letzten Jahren vor den Menschen versteckt, sodass kein Mensch mehr an Draken gedacht und sie völlig vergessen hat."
Zögernd nicke ich.
„Bevor diese Angriffe auf die Menschen vor einigen Wochen begonnen haben, wusste ich nicht einmal von den Draken. In Büchern liest man nur von Dämonen, mehr nicht."
Lucian seufzt und tritt einen kleinen Stein davon.
„Es wurde von den Menschen totgeschwiegen. Selbst jetzt wissen nur Krieger und jene, die unmittelbar mit Farus zu tun haben, dass es sich bei uns um Draken handelt. Obwohl ich daran zweifle, dass sie von unserer Magie wissen. Oder daran glauben. Sie wissen lediglich, dass wir , also ihr Feind, aus Eoroth stammen. Alle anderen einfachen Bürger nennen uns weiterhin ‚Monster', ‚Ungeheuer' oder eben ‚Dämonen'. Bei dem Wort läuft es mir immer noch kalt den Rücken herunter."
So schlimm finde ich das Wort gar nicht. Tatsächlich finde ich sogar, dass es einen eleganten Klang hat, doch... das will hier wohl niemand hören. Ich bin eben nur ein dummes Gör, das zur Hälfte Mensch ist und bei den Menschen aufgewachsen ist. Die Denkweise eines Draken kenne ich kaum.
„Warum aber? Es muss doch etwas vorgefallen sein zwischen beiden Seiten?"
Lucian hat plötzlich ein seltsames Glitzern in seinen Augen und lächelt seltsam. Es hat etwas... Wehmütiges an sich.
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Drachenblut - Der erste Tropfen
FantasiaSeit Jahren hielt man sie für tot, doch eines Tages trifft Darius bei einem Auftrag auf die kriegerische Ophelia, die seit sieben Jahren allein im Wald lebt, um so den strengen Gesetzen Albias zu entkommen. Doch schon bald lernen sie die magische We...