~ Ophelia ~
Vögel zwitscherten lautstark vor meinem Fenster und kündeten von dem herannahenden Frühling. Langsam öffnete ich meine Augen, doch eigentlich hätte ich gern noch länger geschlafen. In meinem Traum hatte ich doch tatsächlich eine Rüstung getragen, schwang ein Schwert und kämpfte Seite an Seite mit meinem Vater! Es war so wundervoll! Und jetzt zog mich der unbarmherzige Sonnenschein aus dieser schönen Welt...
Ich seufzte und erhob mich aus meinem Bett. Da fiel mein Blick auf einen Brief auf meiner Kommode. Neugierig nahm ich ihn auf und erkannte auf dem Umschlag die Schrift meiner Mutter. Allerdings war ich dem Lesen nicht im besten Maße mächtig, weshalb ich auch nur etwa die Hälfte des Geschriebenen verstand.
„Wie gern würde ich doch richtig lesen können", sagte ich enttäuscht und legte das Papier vorerst zur Seite. Dass ich überhaupt ein paar Wörter lesen konnte, verdankte ich meinem Bruder, der mir heimlich ein paar davon beibrachte.
„Guten Morgen, Ophelia", begrüßte mich Mutter mit ihrer typischen strengen Stimme. Nicht einmal ein Lächeln hatte sie für mich übrig.
„Du hast dich noch nicht angekleidet? Wieso verlässt du dein Zimmer überhaupt, wenn du noch dein Schlafgewand trägst?"
Ich blickte an mir herunter. Meine Güte, was war schon falsch mit diesen Sachen? Ich war nun einmal neugierig, was in diesem Brief stand.
„Entschuldige, ich werde mich sofort umziehen."
Sie seufzte.
„Schon gut. Hast du den Brief gefunden? Der König lädt ein, seinen Geburtstag mit uns zu feiern. Heute Abend ist diese Feierlichkeit bereits und du wirst dich dort gefälligst benehmen, um bei seinem Sohn Eindruck zu schinden."
Ich blase meinen Wangen auf.
„Wie bitte? Nein! Ich hasse ihn! Er ist so hochnäsig und... so...nobel. Darauf habe ich keine Lust."
Mutter trat an mich heran.
„Mädchen, was du willst und was nicht, spielt keine Rolle. Es geht hier um unser Überleben, das weißt du."
Ich atmete tief ein und aus, ergab mich aber schließlich. Was blieb mir schon übrig...? Nachdem ich mich umgezogen und etwas gegessen hatte, ging ich nach draußen. Wir lebten im westlichen Teil Idiuns und hatten es dort recht ruhig fernab der großen Straßen, fernab des Marktplatzes. Von Weiten erkannte ich meinen Bruder Somin und meinen Vater, die gerade in Richtung des Schlosses gingen. Sofort rannte ich ihnen hinterher, um sie noch einholen zu können.
„Vater! Somin! Bitte wartet!"
Verwundert drehten sie sich um, doch Vater schüttelte lächelnd mit dem Kopf.
„Ach meine Kleine, wie oft müssen wir dir noch sagen, dass du nicht so schnell laufen sollst in dieser Kleidung?"
Ich verdrehte die Augen, doch Vaters herzlicher Blick machte es wieder wett.
„Guten Morgen jedenfalls, mein Kind."
Somin lächelte ebenfalls, doch ich merkte ihm an, dass ich ihm wohl wieder peinlich war. Welcher angehende Ritter wollte auch schon so eine rebellische Schwester haben?
„Geht ihr wieder trainieren?", wollte ich fragen, doch Vaters Schweigen war mir bereits Antwort genug.
„Ich darf sicher wieder nicht mitkommen..."
Ich konnte die Enttäuschung in meiner Stimme nicht verbergen. Zu gern hätte ich wenigstens zugesehen...
Vater blickte zum Schloss.
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Drachenblut - Der erste Tropfen
FantasíaSeit Jahren hielt man sie für tot, doch eines Tages trifft Darius bei einem Auftrag auf die kriegerische Ophelia, die seit sieben Jahren allein im Wald lebt, um so den strengen Gesetzen Albias zu entkommen. Doch schon bald lernen sie die magische We...