~ Kapitel 8: Aufbruch ~

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~ Ophelia ~

Grinsend gehe ich zum Übungsplatz herüber, auf dem Henry und Lars verschnaufend liegen. Darius tippt mit der Fußspitze gegen die Schultern beider.

„Los, aufwachen. Ihr seid nicht die Einzigen hier, die gegeneinander kämpfen wollen."

Henry schreckt sofort hoch und blickt mich ungläubig an.

„Mein Prinz, wieso... ist sie hier?"

Ehe er antworten kann, entreiße ich den Freunden des Prinzen beide Schwerter und schwenke sie sanft umher.

„Die fühlen sich so anders an als die rostigen Dinger der Banditen."

Lars springt auf und küsst meine Hand.

„Es ist immer wieder eine Freude, Euch sehen zu können, Mylady", schleimt er, bekommt aber eine Kopfnuss von Darius dafür.

„Schluss damit. Jemand muss den Gang sichern, damit niemand hierherkommt. Wenn jemand sieht, wie Ophelia kämpft, wird sie wohl bald einen Kopf kürzer sein."

Dass er sich überhaupt darum sorgt, erstaunt mich ziemlich. Aber vielleicht ist er wirklich kein so übler Kerl. Vielleicht könnte ich sogar gut mit ihm auskommen.

Lars verschwindet sofort im Gang und Henry stellt sich an das Holzgeländer, das den Platz einrahmt. Auch andere Krieger, die gerade geübt hatten, beobachten unser Schauspiel. Darius gibt ihnen jedoch ein eindeutiges Zeichen, niemandem je davon zu erzählen, woraufhin sie wortlos nicken. Wahrscheinlich sind sie schon lang miteinander vertraut.

„Wie lauten die Regeln?", fragt Darius und zieht schnell und elegant seine Klinge.

„Es gibt keine Regeln", beschließe ich und ziehe meine hohen Schuhe aus, ehe ich auf ihnen mörderlich umknicke.

„Wir dürfen uns nur nicht gegenseitig umbringen, ansonsten ist alles erlaubt."

Er grinst, da er wohl schon an einen Sieg glaubt.

Ich atme durch und beobachte meinen Gegner aufmerksam. Darius trägt wieder den Lederharnisch, den er schon bei meiner ‚Rettung' trug. Auch seine Schulter- und Armschoner sind ledern.

Um ihn zu täuschen, drehe ich meinen rechten Fuß ein Stück, denn so wirkt es, als würde ich zum ersten Angriff ansetzen wollen. Sofort versucht er, dies zu vereiteln und springt mir entgegen. Ich mache einen Schritt zurück und blocke seinen Angriff mit beiden Schwertern, ehe ich einen weiteren Schritt zurück mache und nach links springe. Mit beiden Klingen hole ich aus und ziele auf seinen Oberschenkel, doch Darius erkennt es sofort, wendet sich zu mir herum und schlägt mir sein Schwert entgegen. So geht es nun ziemlich lang. Keine Seite scheint nachgeben zu wollen. Gleichzeitig macht es mir aber auch jede Menge Spaß, sodass ich grinsen muss. Darius scheint wohl das Gleiche zu empfinden – auch er lächelt während des Kampfes.

Unsere Beobachter schwiegen zu Beginn des Kampfes, da sie mir wohl nicht viele Chancen ausrechneten. Doch jetzt, wo ich mich als würdiger Gegner des Prinzen herausgestellt habe, jubeln sie mir sogar zu.

„Sieht aus, als wäret Ihr ziemlich beliebt bei den Männern, was?", sagt er, während wir unsere Klingen aneinander drücken.

„Nur liegt es dieses Mal nicht an meinem Aussehen, sondern an meinen Kampfkünsten", erwidere ich grinsend und springe einen Schritt zurück. Nach so vielen Jahren, in denen ich mich allein mit Banditen und anderen Kriminellen allein herumschlagen musste, wäre es auch eine Schande, wenn ich heute nicht kämpfen könnte.

„Das kann ich wahrlich nicht abstreiten. Ihr seid ein würdiger Gegner!"

Gerade wollen wir zum nächsten Schlag ausholen, als plötzlich lautes Geschrei aus dem Gang kommt und ein furchteinflößender Mann auf uns zustürmt. Wir halten in unseren Bewegungen inne und beobachten ihn skeptisch. Kenne ich ihn von früher und kann mich nur nicht an ihn erinnern?

Drachenblut - Der erste TropfenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt