~ Ophelia ~
„Hast du wieder mit deinen Haaren gespielt? Sie sind völlig verheddert", schimpfte meine Mutter, während sie mein rötlichs Haar kämmte. Ich schwieg und ließ es über mich ergehen. Im Laufe der Zeit hatte ich gelernt, ihr weder Widerworte zu geben noch auf solche Fragen zu antworten. Wenn ich schwieg, hatte sie zumindest keinen Grund, weiter mit mir zu schimpfen.
Nachdem sie alle Strähnen sorgfältig gekämmt hatte, begann sie nun, diese einzuflechten. Links und rechts der Schläfen verliefen zwei dicke Strähnen bis nach hinten, die immer wieder mit neuen Strähnen verflochten waren. Am Hinterkopf angekommen wickelte sie meine Mutter um einen Dutt, der so akkurat wie nur irgend möglich war. Ihre Perfektion war beinahe unheimlich, zumal sie sich selbst kaum um ihr Äußeres kümmerte. Ihre Haare waren immerzu zu einem strengen Dutt zusammengebunden, doch um weitere Äußerlichkeiten scherte sie sich wohl nie.
„Dass du dir deine Frisur nur nicht kaputt machst", ermahnte sie mich, ehe sie mir einen Spiegel reichte, in dem ich mich komplett betrachten konnte. So sehr ich es hasste, an diesem Abend zu dieser Feier zu gehen - ich liebte es, wie ich aussah. Mein Kleid war hellblau und reichte mir bis zu den Knöcheln. An der Taille befand sich ein samtenes Band, das am Rücken von einer hübschen Schleife zusammengehalten wurde. Die Schulterbereiche waren mit Spitze verziert, die jedoch nicht zu aufdringlich war, sondern trotzdem recht schlicht wirkte. Der Stoff selbst war eher schmucklos und war aus dem gleichen Stoff wie das Band. Meine Schuhe passten natürlich farblich perfekt, doch sie waren so unbequem, dass ich sie gern auf der Stelle ausgezogen hätte. Mit Sicherheit würde ich an diesem Abend nicht tanzen. Selbst wenn ich wollte, könnte ich es nicht.
Mittlerweile waren mein Vater und Bruder wieder daheim angekommen. Somin badete sich gerade, mein Vater schien wichtige Dokumente zu lesen. Allerdings wirkte er sehr nervös und begrüßte mich nur mit einem knappen Kopfnicken, als ich den Raum betrat.
„Was steht denn da drin?", wollte ich wissen, doch Vater lächelte nur und winkte ab.
„Ach, das ist nichts Besonderes. Jemand berichtet nur von beinahe schon zauberhaften Begegnungen in einem anderen Reich."
Ich machte große Augen.
„Meinst du etwa... Magie? So richtige Magie? Wie in den ganzen Geschichten?"
„Daran wird mit Sicherheit nichts wahr sein. Die Männer, die mir davon berichten, haben vielleicht fremde Beeren genascht, in denen sich Gift befindet und haben dann halluziniert."
Fast schon enttäuscht seufzte ich und gab mich mit der Antwort zufrieden. Heute weiß ich, dass es sich bei diesen Begegnungen um Markus und meinen Vater Fevros handelte, den er damals im Wald fand und für die ersten Jahre auch mit ihm im Wald lebte. Einige Menschen trafen hin und wieder auf sie und beobachteten, wie sie zauberten.
Nach einer gefühlten Ewigkeit konnten wir dann endlich ins Schloss gehen. Somin trug ein rötliches Hemd, das an Kragen und Ärmeln von einer grauen Bordüre verziert war. Mutter trug ein dunkelblaues Kleid, das meinem recht ähnlich war. Es war jedoch bodenlang und der Stoff war mit Stickereien verziert, die wohl Blumen darstellen sollten. Um die Schultern trug sie einen seidenen Schal, den sie in ihre Armbeugen klemmte. Vater hingegen trug eine glänzende Rüstung. Dafür hatte er extra einen Diener kommen lassen, der ihm beim Ankleiden half. Sie war blank poliert und mit goldenen Ornamenten übersät, doch ich glaube nicht, dass sie je einen Kampf durchlebte. Nicht einmal jetzt, da Somin sie selbst zu solchen Anlässen trug. An den Schultern befand sich ein dunkelroter Umhang, der schwer nach unten fiel und so meinem Vater ein viel imposanteres Aussehen verlieh.
Am Schlosstor angekommen geleiteten uns Diener in den Ballsaal, wo bereits zahlreiche Gäste miteinander redeten. Man verkündete die Namen meiner Eltern, erwähnte uns Kinder knapp und schon begaben wir uns in Richtung unseres Königs, der uns bereits mit offenen Armen empfing. Er drückte meine Eltern, diese sprachen ihm ihre besten Glückwünsche aus, da richtete sich Farus an Somin und anschließend an mich.
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Drachenblut - Der erste Tropfen
FantasySeit Jahren hielt man sie für tot, doch eines Tages trifft Darius bei einem Auftrag auf die kriegerische Ophelia, die seit sieben Jahren allein im Wald lebt, um so den strengen Gesetzen Albias zu entkommen. Doch schon bald lernen sie die magische We...