15.2. - Wenn wir das nur wüssten

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Hämmernde Kopfschmerzen reißen mich aus dem Schlaf. Ich brauche ein wenig, ehe mein Hirn klarer wird und ich die starken Arme bemerke, die um mir liegen. Mit einem Seitenblick stelle ich fest, dass diese zu Phil gehören, der noch schläft. Doch ich hätte so gar nicht damit gerechnet, dass jemand neben mir liegt, sodass ich schreiend aus dem Bett springe. Von dieser Aktion wird Phil schlagartig wach, erschreckt sich ebenfalls und knallt aus dem Bett. „Autsch!", höre ich ihn hinter meinem Bett nach einem dumpfen Aufprall fluchen. Schnell gehe ich zu ihm herum und reiche ihm die Hand, an der er sich hochzieht. „Alles okay?" Er nickt mit zusammengekniffenen Augen und reibt sich sein Steißbein, danach seine Schläfen. „Hast du was gegen Kopfschmerzen?" Wortlos nicke ich, drehe mich um und verlasse mein Schlafzimmer, Phil im Schlepptau.

In der Küche fülle ich uns beiden ein Glas Wasser und hole noch die Kopfschmerztabletten, die in Rekordzeit in unserem Magen landen. Erst dann mustere ich Phil so wirklich. Er hat nur eine Boxershorts an. Warte, wenn er nur.... „Phil, was ist in der Nacht passiert?" Auch er mustert mich jetzt und ich stelle erschreckend fest, dass ich nur in Unterwäsche bin. Peinlich. Er zuckt kurz zusammen, schüttelt mit zusammengekniffenen Augen seinen Kopf und mustert mich erneut. „Du bist nur in Unterwäsche, ich auch", stellt er dann wie ein Depp fest. „Ach nee, wirklich? Phil, was ist da gelaufen? Ich kann mich nicht mal mehr erinnern, wie wir hierher gekommen sind." „I-ich mich auch nicht", stottert er und geht, gefolgt von mir, aus der Küche. Im Flur liegen unsere Oberteile, im Schlafzimmer unsere Hosen, die er nun aufsammelt und sich seine Klamotten anzieht. Ich für meine Person hole mir schnell frische Kleidung aus dem Schrank und verschwinde für zwei Minuten im Bad. Was um alles in der Welt ist da geschehen? Habe ich mit ihm geschlafen? Waren wir wirklich so betrunken, dass wir einen Filmriss haben? Das kann doch nicht sein.

Bevor ich zurück zu Phil gehe, atme ich nochmal tief ein und aus. Phil steht schon im Flur und zieht sich seine Schuhe an, danach angelt er seine Jacke, die ebenfalls auf dem Boden neben meiner liegt. „Hast du heute noch Schicht?", frage ich ihn. „Nachtschicht", kommt die knappe Antwort. „Okay, dann sehen wir uns", erwidere ich und hoffe insgeheim, dass ich seine Fahrerin bin. Vielleicht kann man dann ja reden.

Kurz steht Phil etwas unbeholfen zwischen Tür und mir, kommt dann letztendlich aber doch noch auf mich zu und umarmt mich kurz, ehe er meine Wohnung verlässt. Was war das bitte? Okay, einerseits kann ich seine Flucht ja verstehen, aber andererseits hätten wir uns vielleicht mal ordentlich unterhalten sollen. Gut, ich bin selber mit dieser Situation gerade überfordert. Hätte ich gestern einfach nicht so viel getrunken. Doch die Frage, die den meisten Platz in meinem Hirn beansprucht, ist die, ob ich mit Phil geschlafen habe. Hätten wir dann aber noch unsere Unterwäsche angehabt? Vielleicht haben wir uns aber auch wieder angezogen. Trotz Alkohol werden wir doch aber noch so vernünftig gewesen sein, nicht miteinander zu schlafen. Bitte lass sich das mit Phil und mir wieder einrenken. Nicht, dass wir jetzt nicht mehr so miteinander umgehen, wie vorher. Obwohl, gibt es dafür überhaupt einen Grund?

Zwanzig Minuten vor Schichtbeginn betrete ich die Wache zusammen mit Franco, der jetzt auch Schicht hat. Zur Freude von Jacky und Flo, die jetzt beide nach Hause können. „Na, hast du noch Weihnachten gefeiert?", will Franco wissen, setzt sich zu mir auf die Couch und drückt mir eine Tasse Kaffee in die Hand, die ich dankend annehme. Meine Kopfschmerzen melden sich langsam wieder. „War gestern halt mit Phil was trinken, war ganz lustig." Ich probiere, so locker wie möglich zu klingen, was wirklich schwer ist. „Ah ja, klingt ja super vielversprechend", kommentiert Franco noch, bevor auch Phil in den Aufenthaltsraum kommt. Für ihn springt Oli ganz freudig auf und macht die knappe Übergabe. Mal wieder ist Paula die zweite Notärztin heute in unserer Schicht, die jetzt ebenfalls zu uns kommt und sich zu mir setzt. So sind wir vier allein hier, der Rest ist irgendwie gerade woanders zerstreut. Mit einer Tasse Kaffee lässt sich Phil jetzt auch zu uns nieder, jedoch von einem Stöhnen begleitet. „Was los, alter Mann. Ist es der Rücken?", scherzt Franco. „Nee, Steißbein", antwortet Phil durch zusammengebissenen Zähnen. „Wie das denn? Hat dich der Wecker aus dem Bett geschmissen?", kommt es amüsiert von Paula. „So ähnlich", murmelt er und weicht meinem Blick aus. Ich kann mir ein Seufzen nicht verkneifen. „Mit wem habe ich eigentlich Dienst? Hab nicht nachgeguckt." Die Antwort kommt von Phil: „Du darfst mit mir Vorlieb nehmen." Dabei guckt er jedoch nur gedankenverloren in die Schwärze vor dem Fenster. Was ist mit ihm los? Weiß Phil vielleicht doch mehr über diese Nacht, als ich? Aber dann würde er doch sicherlich mit mir reden, oder?



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