Es ist inzwischen der 23.12. und an dieser Wache ist es üblich, wie ich jetzt erfahre, dass jedes Jahr der DGL zu uns in den Aufenthaltsraum kommt und mit uns die Dienste an Heiligabend und Silvester bespricht. „Also, wer von euch würde sich freiwillig für den 24. melden?" Sofort geht mein Arm in die Höhe. Ich habe meine ersten Jahre im Dienst immer am 24. gearbeitet, da ich Kollegen wie Franco, die Kinder haben, einfach den Vortritt lassen möchte. Mit meinen Eltern habe ich dann immer eben am 25. oder 26 gefeiert, wenn man das feiern nennen kann. Wir sind alle eben nicht gläubig.
Neben mir melden sich auch Phil und Flo. Der Rest guckt eher so, als wären sie jetzt gern unsichtbar. „Okay, sieht perfekt aus. Dustin, Marion, Ralf, Silke und Jacky haben sich auch schon gemeldet. Das reicht. Ihr macht dann 24-Stunden-Schicht, ne?" Wir vier nicken sofort. „Gut, dann besetzen Phil und Sofia ein NEF, Flo du fährst mit Jacky RTW. Aber das seht ihr ja dann auf dem Dienstplan. Und was ist mit Silvester?" Wieder gehen die Hände von uns dreien hoch, was Frank mit einem Seufzen zur Kenntnis nimmt. „Na schön, dann ist das eben die gleiche Kombi wie am 24. . Ihr habt eigentlich echt was gut bei euren Kollegen", damit dreht er um und geht.
„Klingt ja ganz akzeptabel, mit dir Heiligabend und Silvester zu verbringen", Phil grinst mich an und kassiert eine Faust gegen seinen Oberarm. „Kannst ja auch beim DGL betteln, eine andere Einteilung zu bekommen", ich strecke ihm die Zunge raus. „Oh ja, das werde ich auch tun, worauf du dich verlassen kannst." Seine Stimme trieft nur so vor Ironie.
Wenn man seine Kollegen mag, ist es gar nicht schlimm, Heiligabend auf der Arbeit zu verbringen. Im Gegenteil, es ist richtig schön. Die Wache ist schon seit einiger Zeit ein wenig geschmückt. Heute haben wir uns gegenseitig eine kleine Aufmerksamkeit mitgebracht. Jeder von sich selbst aus, was ich ziemlich witzig finde, dass alle den gleichen Gedanken hatten. Dann haben wir alle gegen Abend zusammen gekocht und gegessen. Für die Zutaten fürs Essen hat unser DGL als Dankeschön für unsere Bereitschaft gesorgt. Klar, zwischendurch kamen immer mal wieder Einsätze, aber das Schicksal meinte es wirklich gut mit uns, denn keiner hatte einen wirklich langwierigen und nicht-routinemäßigen Einsatz. Die Nacht wurde sogar so ruhig, dass Phil und ich ganze sechs Stunden durchschlafen konnten. Irgendwie dann doch unheimlich, wie ruhig das war. Natürlich hat das alles auch einen süßen Beigeschmack, schließlich bekommt man ordentlichen Gehaltszuschuss, wenn man Feiertags arbeitet. Und dann auch noch 24 Stunden.
Pünktlich um 8 Uhr treten Phil und ich aus der Wache. Wir mussten kurz vor knapp dann doch noch zu einem Einsatz, die anderen hatten Glück und wurden schon etwas früher abgelöst. Der Feierabend war trotzdem pünktlich, also kann ich mich nicht beschweren.
„Was machst du jetzt noch heute so?", fragt Phil, während er an seiner Jacke herumfummelt. Ich muss kichern, weil es so süß aussieht, wie Phil verzweifelt mit seinem Reißverschluss kämpft, der sich verhängt hat. „Kann man dir helfen?", stelle ich deshalb erst mal eine Gegenfrage. Ergeben nimmt er seine Hände weg und mit einem Ruck von mir ist alles wieder funktionsbereit. Dankbar und schmunzelnd guckt er mich an, während er seine Jacke endlich zumachen kann. Dann komme ich auf seine Frage zurück: „Ich habe nichts vor. Meine Eltern und mein Bruder sind dieses Jahr in den Urlaub gefahren. Und da ich wusste, dass ich den Dienst übernehmen werde, habe ich abgesagt. Also werde ich jetzt einfach gammeln. Und du?" „Das könnte meine Story sein. Wollen wir heute Abend vielleicht zusammen in eine Bar gehen? Hätte Lust, mal wieder was zu trinken." „Das klingt sehr verlockend." Ich sage zu und freue mich insgeheim wie ein kleines Kind. Ja, es hat sich von meiner Seite aus ordentlich was angebahnt. In Phils Nähe fühle ich mich ungewöhnlich wohl und mein Körper spielt verrückt. Aber ihm das sagen? Nee.
„Wollen wir noch bei den anderen fragen, ob einer Zeit und Lust hätte? Glaube ich zwar nicht, aber fragen kann man ja mal", damit reißt mich Phil aus meinen Gedanken. Ich nicke. „Klar."
Doch wie zu erwarten war: keiner hat Zeit. Insgeheim freue ich mich ja, denn dann bin ich mit Phil allein. Pünktlich um 22 Uhr steht dieser vor meiner Haustür und klingelt. Schnell ziehe ich Schuhe, Jacke und Schal an und eile die Treppen runter. Zur Begrüßung umarmen wir uns, was wieder ein Kribbeln in meinem Körper auslöst. Na super. Er führt mich zu einer Bar, die ich nicht kenne. „Die ist super, vertrau mir", raunt er mir beim Reingehen ins Ohr. Die Bar ist wirklich gut besucht, dafür, dass Weihnachten ist. Hätte ich nicht gedacht.
Phil und ich bestellen uns den gleichen Cocktail, dann fangen wir auch schon an zu reden. Mit Phil kann ich ununterbrochen reden, doch auch schweigen ist schön und angenehm mit ihm. Das ist mir persönlich sehr wichtig. Nach dem zweiten Drink werde auch ich immer lockerer, was mir bei Phil seit geraumer Zeit nicht mehr so leicht fällt. Wegen meiner Gefühle. „Irgendwie fühle ich mich gerade so, als würde ich den Frust, an Weihnachten allein zu sein, in Alkohol ertränken. Dabei bin ich gar nicht allein", erwähne ich unvermittelt nach kurzem Schweigen. Phil stützt sich mit den Unterarmen auf dem Tisch ab und lehnt sich zu mir rüber. „Streng genommen sind wir doch allein." Ich ziehe meine Augenbrauen zusammen. „Wie meinst du das?" „Na ja, wir beide haben eben keinen festen Partner, wo man weiß, der ist da, der gehört zu dir. Klar, wir haben unsere Eltern und Geschwister, auf die, wie wir gerade merken, auch kein wirklicher Verlass ist, und wir haben unsere Freunde, wir haben uns. Aber trotzdem fehlt dort ein Stück, verstehst du?" Ich lasse mir seine Worte durch den Kopf gehen und nicke. „Ja, da hast du irgendwie recht. Traurig. Fehlt dir das, eine Freundin zu haben?", jetzt will ich es wissen. „Schon. Das letzte Mal ist auch schon fast ein Jahr her. Aber es hat sich irgendwie noch nie so vollkommen richtig angefühlt", nachdenklich liegt sein Blick auf mir. „Ich verstehe dich zu gut", seufze ich und bestelle uns noch eine Runde. Huch, so kenne ich mich gar nicht. Eigentlich bin ich nicht so der Typ zum Besaufen, aber es fühlt sich so an, als würden Phil und ich gerade in Selbstmitleid versinken.
Ab Mitte des vierten Drinks hören meine Erinnerungen an den Abend dann auch so langsam auf. Und was das für Folgen hat, soll ich gleich am nächsten Morgen erfahren.
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Zufälle verbinden (Asds)
FanfictionSofia zieht nach Köln, um Neues zu erleben. Doch gleich ihr erster Tag gestaltet sich anders als erwartet. Öfter als gedacht kreuzen sich die Wege mit bestimmten Personen, was sehr bald zur Regelmäßikeit wird. Wird aus dieser Freundschaft auch Liebe...