„Haben wir etwas angestellt?", frage ich vorsichtig, als Phil und ich vor Frank in seinem Büro stehen. Dessen Miene ändert von emotionslos zu belustigt. „Euch kann man aber auch so schön schnell verunsichern. Das macht richtig Spaß. Aber nee, es ist alles gut. Ich hätte nur eine kleine Bitte an euch. Wir wurden von der Louisen Schule angefragt, ob morgen nicht mal zwei vorbeikommen könnten, um den Schulsanitätern einen RTW und dessen Ausstattung zu zeigen und mit ihnen einfach mal über den Rettungsdienst zu reden. Einfach, damit sie so etwas mal richtig gesehen haben. Da hatte ich euch zwei im Sinn. Vorausgesetzt, du fühlst dich dazu in der Lage, Sofia. Und für dich, Phil, springt Alex ein." „Also ich würde es gern machen", erkläre ich mich bereit und gucke Phil an, der ebenfalls zustimmt. Für Phil ist es auch nicht verkehrt, noch einen Tag eher Ruhe zu haben, immerhin ist sein Zusammenbruch keine Woche her. Frau Müller wurde übrigens der Wache verwiesen. Die anderen haben sich alle danach sofort darum gekümmert und nach einem Telefonat zwischen Phil und Frank, in dem Phil alles bestätigt hat, ist Frau Müller schneller geflogen, als sie tschüss sagen konnte. Nicht, dass jemand von uns gern ein ‚Tschüss' von ihr gehört hätte.
Am Abend legen Phil und ich uns noch ein kleines Programm für den folgenden Tag bereit. Es tut richtig gut, wieder mit ihm die Abende zu verbringen. Ohne dass er zu müde ist, um eine längere Konversation zu führen.
Die Schulsanitätergruppe der Schule besteht aus 20 Schülern aus den Jahrgängen 9 bis 13. Und unter den Gesichtern findet sich auch ein bekanntes wieder. Elias. Ich wusste doch, dass mir diese Schule vom Namen her etwas sagt. Ein Lehrer, um die 40 Jahre alt, begrüßt uns nett und übergibt uns das Wort. „Also ich bin Phil Funke und Notarzt, neben mir ist Sofia Wegener, sie ist Notfallsanitäterin. Ich denke, es ist deutlich, weshalb sie nur die Einsatzhose und Jacke trägt." Die Gruppe lacht auf. Ja, ein Oberteil gibt es für mich nicht mehr, welches wirklich bequem passt. Deshalb eben nur die Einsatzhose, Einsatzschuhe und eine Einsatzjacke darüber. Phil steht in voller Montur hier.
Nachdem wir unseren Ablauf kurz und knapp geschildert haben, fangen wir mit einer Quizrunde an, verbunden mit einer Vorstellrunde. „Unsere erste Frage wäre, wie ihr reagiert, wenn ihr zu einem Einsatz mit einer bewusstlosen Person gerufen werdet", stelle ich die Frage und alle Arme gehen in die Höhe. Ich lasse es mir nicht nehme und nehme Elias dran. Alle Köpfe drehen sich verwundert zu ihm. „Woher kennt sie dich?", fragt ein Mädchen total verwirrt. „Ich hatte bei ihr mein Praktikum", gibt dieser grinsend zurück. Man sieht ihm an, dass er es cool findet, mich zu kennen. Ich finde es süß. „Also wenn wir bei einer Person sind, die scheinbar bewusstlos ist, benutzen wir als Schulsanitäter das BAK-Schema. Das B steht für Bewusstsein. Zuerst probieren wir es mit Ansprache und leichtes Rütteln an den Schultern. Sollte der Patient darauf nicht reagieren, machen wir mit dem A, der Atmung weiter. Mit Blick zum Brustkorb gehen wir mit dem Ohr über Mund und Nase und gucken, ob er sich hebt und senkt und ob wir den Atem spüren. Wenn dieser da ist, überprüfen wir den Kreislauf durch die Pulsmessung. Dafür haben wir hier sogar ein Pulsoxi." Phil wirft mir einen erstaunten Blick zu. „Ja, das war alles richtig. Welche Werte liegen denn für den Puls im Normalbereich?", stellt Phil die nächste Frage und nimmt eins der jüngeren Mädchen ran. „Der Puls sollte zwischen 60 und 80 liegen." Sie sieht eher etwas unsicher aus, doch Phil nickt zuversichtlich. „Ja, so in etwa sollte der Wert sein."
So geht das noch eine Weile weiter und Phil und ich merken, dass das ein Schulsanitätsdienst auf eher hohem Niveau ist. Da habe ich an einer anderen Schule schon eine etwas bescheidenere Erfahrung gemacht. Zumal sie hier auch eine super Ausrüstung haben. Neben dem typischen Verbandsmaterial und Pulsoxi haben sie auch Stethoskope und Blutdruckmanschetten zum Blutdruckmessen, eine tragbare Trage, ein Stifneck, eine Pupillenleuchte und sogar ein Beatmungsbeutel. Ausgebildet wurden sie von den älteren, von denen manche freiwillig neben der Schule im Rettungsdienst tätig sind. Hut ab.
„Na dann würde ich je-", Phil wird von einem lauten Piepen unterbrochen. „Das Diensttelefon." Elias hebt dieses kurz hoch und nimmt den Anruf dann entgegen. Alle sind still. „Eine Pfählungsverletzung?", fragt er und sieht etwas erschrocken aus. „Okay, ja wir kommen", sagt er dann und legt auf. Er und zwei der jüngeren stehen auf. „Könnten sie vielleicht mitkommen? Der Rettungsdienst ist schon informiert und das klingt sehr, na ja, schrecklich", bittet uns Elias. „Klar, kein Problem", Phil schnappt sich den Notfallrucksack, den wir mit in den Raum genommen haben, um den Schülern diesen mal näher zu erklären. Mit Elias und den zwei anderen Schulsanitätern, die heute im Dienst sind, gehen wir auf den Schulhof. Der Rest wartet im Raum.
Auf dem Weg erfahren wir noch von Anna und Erik, dass das erst deren dritter Einsatz ist. Elias hingegen hatte schon mehrere. Auf dem Schulhof ist sofort das bitterliche Weinen eines Mädchens zu hören. Die Schule hier vertritt alle Klassen von 1 bis 13, die jedoch in verschiedenen Gebäuden aufgeteilt sind. Der Schulhof ist jedoch für alle gleich, dementsprechend auch sehr groß. Trotzdem ist das Weinen zu hören. „Also es geht um ein Mädchen aus der 4. Klasse, die vom Klettergerüst gefallen und dabei auf einem Stock gelandet ist, der nun unterhalb ihres Knies im Bein stecken soll. Also eine Pfählungsverletzung", schlussfolgert Elias richtig. Na ja, eine kleine Pfählungsverletzung. Erik und Anna machen große Augen, während Phil und ich uns schon mal Handschuhe anziehen.
Als wir unsere kleine, unvorhersehbare Patientin erkennen können, trifft uns der Schlag. „Oh Gott!", stößt Phil aus, hält sich die Hand vor den Mund und rennt los. Auch mir entweicht ein leises Scheiße. Das kann doch jetzt nicht sein.
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Zufälle verbinden (Asds)
FanfictionSofia zieht nach Köln, um Neues zu erleben. Doch gleich ihr erster Tag gestaltet sich anders als erwartet. Öfter als gedacht kreuzen sich die Wege mit bestimmten Personen, was sehr bald zur Regelmäßikeit wird. Wird aus dieser Freundschaft auch Liebe...