23 - Familie Funke

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„Du zitterst ja", stellt Phil amüsiert fest, als er seine Hand auf meinen Oberschenkel legt. „Das ist nicht witzig", fauche ich ihn an. „Liebling, beruhige dich. Ich muss noch lernen, dass ich bei deinen momentanen Hormonen dreimal überlegen muss, was ich sage." „Pff", zische ich. „Okay gut, wir wollen hier ja keinen Streit provozieren. Wovor hast du Angst, mh?" Jetzt guckt er mich ganz einfühlsam an. Bei diesem Blick könnte ich dahinschmelzen. „Dass sie mich nicht mögen. Dass sie denken, ich bin nicht gut genug für ihren Sohn. Und dass sie denken, ich würde mich ständig nur betrinken und dann mit dem Erstbesten ins Bett steigen", gebe ich zu und werde immer leiser. Mein Blick gilt dem grauen Asphalt, die Fensterscheibe von Phils Auto ist so sauber, dass man denken könnte, die wäre unten. „Ich denke nicht, dass sie das denken. Außerdem gehören zu der Schwangerschaft zwei Leute, also wäre ich so gesehen genauso doof wie du. Aber das ist keiner von uns beiden. Und es gibt keine bessere Frau für mich, glaub mir." Mit zwei Fingern unter meinem Kinn dreht er meinen Kopf zu sich, sodass ich gar nicht anders kann, als ihm in die Augen zu gucken. „Wenn ich dich liebe, wird dich auch meine Familie lieben. Und wenn nicht, wovon ich auf gar keinen Fall ausgehe, dann war das mal meine Familie." Phil beugt sich über die Mittelkonsole seines Autos und gibt mir einen langen und zärtlichen Kuss, bis uns ein Klopfen an der Fensterscheibe erschrocken auseinander fahren lässt. „Wollt ihr da noch Wurzeln schlagen?", ruft eine amüsierte Stimme, die nur gedämpft durch das Auto zu uns durchdringt. Ein hastiger Blick nach rechts bestätigt meinen Verdacht, dass es sich bei dieser Stimme um einen jungen Mann handelt. Er sieht Phil erschreckend ähnlich, nur um ein paar Jahre älter. „Du Arsch!", ruft Phil lachend, springt aus dem Auto und begrüßt den Mann mit einer herzlichen Umarmung. Darauf folgt eine kurze Unterhaltung, die ich jedoch nicht verstehe, bis Phil die Beifahrertür öffnet und sich zu mir herunterbeugt. „Komm Schatz, es sind schon alle da." Abwartend guckt er mich an, doch ich bewege mich nicht. Ich hatte noch nie solch eine Angst davor gehabt, die Eltern meines Freundes kennenzulernen. Wahrscheinlich ist das jetzt so schlimm, weil ich nie einen Mann so geliebt habe, wie ich Phil liebe. „Du schaffst das. Ich bin doch bei dir", er haucht mir noch einen Kuss auf die Wange und zieht mich dann aus dem Auto, sodass ich direkt vor dem mir noch fremden Mann stehe.

„Also Paul, das ist Sofia, meine Freundin", stellt Phil mich vor und klingt irgendwie stolz. „Du bist also die Frau, die meinen kleinen Bruder glücklicher denn je macht? Schön, dich kennenzulernen", Paul gibt mir grinsend die Hand. „Äh", bringe ich nur hervor, da mich die Worte gerade ziemlich verwirrt haben. Mein Blick gleitet zu Phil, der sich nun verlegen am Kopf kratzt. Sein Bruder springt für ihn ein: „Ja, Phil hat schon viel von dir erzählt. Um nicht zu sagen, dass er über nichts anderes mehr geredet hat." „Na ja, auch egal. Kommt, drinnen warten alle schon", ergreift Phil das Wort, um aus dieser Situation herauszukommen. Dabei muss ihm das doch nicht peinlich sein, im Gegenteil, das ist richtig süß.

„Hallo Phil, Hallo Paul." Eine Frau, ich schätze sie so um die 55 Jahre, drückt die beiden Brüder fest an sich, dann wendet sie sich an mich. „Und du musst Sofia sein? Freut mich sehr, dich endlich kennenzulernen. Beziehungsweise zu sehen, Phil hat nur noch von dir geredet, wenn wir telefoniert haben. Ich bin Margarete." Mit diesen Worten schließt sie auch mich in eine herzliche Umarmung, die ich gern erwidere. „Mama!", ruft Phil warnend und wird etwas rot. „Was denn? Ist doch süß, wenn sie weiß, dass du so viel von ihr erzählt hast", erwidert diese nur grinsend und geht ins Haus, gefolgt von Paul, Phil und mir. Also lag ich mit meiner Schätzung richtig, denn Phils Mutter wird heute 55. Wir stehen noch kurz zu viert im Vorraum des Hauses und gratulieren der Mutter, dann gehen wir auch schon ins Wohnzimmer. Und dort ist die ganze Familie versammelt. Also dass Phil eine große Familie hat, hat er mir schon gesagt. Mehr nicht, denn er meinte, das müsse man selber sehen. Aber so groß? Puh.

Sofort kommen drei Kinder auf ihn zu gestürmt. „Onkel Phil!", rufen sie alle im Chor und fallen ihm in die Arme, da er sich schon hingehockt hat. Mein Blick schweift noch immer durch den Raum. Etwas unbeholfen stehe ich nun neben Phil. „Na ihr? Lang nicht mehr gesehen", stellt Phil lächelnd fest und hat ein Funkeln in den Augen, welches ich bei ihm bis jetzt nur gesehen habe, wenn wir über unsere zukünftigen Kinder geredet haben. Er scheint ein richtiger Familienmensch zu sein und Kinder zu lieben.

Plötzlich merke ich ein Zupfen an meiner Strickjacke, mit dem ich aus meinen Gedanken gerissen werde. Ich stehe noch immer an der gleichen Stelle und werde inzwischen von jedem angeguckt. „Wer bist du?", fragt mich ein kleines Mädchen, vielleicht drei oder vier Jahre alt. „Das ist Tante Sofia", antwortet Phil für mich, ohne mir überhaupt eine Chance zum Antworten zu lassen. „Oh, hallo Tante Sofia, wir haben uns aber noch nie gesehen", stellt das kleine Mädchen fest und streckt die Arme nach mir aus. Als Zeichen, dass ich sie umarmen soll. Als ich in die Hocke gehe, kommen auch die anderen beiden Kinder zu mir und umarmen mich mit. „Hallo Tante Sofia", kommt es auch von den beiden. Ich lächle nur und gucke Phil an, der über beide Ohren grinst. „Ihr müsst euch schon vorstellen, sie kennt euch noch nicht", wendet er sich an die Kleinen. „Stimmt, wie konnten wir das nur vergessen. Ich bin Leon, 5 Jahre, das ist meine kleine Schwester Lilly, 3 Jahre und das-" Von Lilly wird er wütend unterbrochen: „Hey, ich werde aber bald 4 Jahre alt!" Mit grimmigem Blick verschränkt sie die Arme vor der Brust. „Und ich bald 6, und jetzt?", er streckt ihr die Zunge raus und redet dann unbeirrt weiter. „Und das ist Mia, unsere Freundin. Also eigentlich ist sie auch irgendetwas von mir, aber ich kann das nicht aussprechen", er zuckt gleichgültig mit den Schultern. „Mia ist eure Cousine", erklärt Phil ihm und wuschelt Leon dabei durch den Kopf, der sich danach mit verzogenem Gesicht seine Haare wieder richtet, die auch vorher schon etwas verwuschelt aussahen.

„Ich bin die Mutter von Leon und Lilly", meldet sich da auch schon eine junge Frau zu Wort. „Und Phils kleine Schwester. Phine." „Phine mit Ph, so wie Phil. Unsere Eltern wollten uns alle mit P nennen", grätscht Phil dazwischen. „Und ich bin Pauline, die Mutter von Mia. Ebenfalls die kleine Schwester von Phil." Mein Blick huscht zur nächsten Frau, Pauline. Da stelle ich erschreckend fest, dass sie haargenau gleich aussehen. „Gut, Phine und Pauline. Eine Frage: Kann man euch auch unterscheiden, wenn du nicht mehr schwanger bist?", ich deute mit einer Kopfbewegung auf Paulines dicke Babykugel. „Das kommt mit der Zeit. Sie sind eineiige Zwillinge", Phil zwinkert mir zu und ich weiß direkt, worauf er angespielt hat. Das wird nachher witzig. „Ach, echt? Hätte ich jetzt nicht gedacht", nuschele ich ihm zu.


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