Mutterschutz schön und gut, aber langsam fällt mir hier die Decke auf den Kopf. Deshalb habe ich die letzten Tage auch immer in der Wache verbracht und saß einfach im Aufenthaltsraum herum, um mit den anderen zu reden. Außerdem hatte ich so auch die meiste Zeit Phil um mich rum, da ich immer mit ihm zum Dienst gekommen bin. So wie heute. Doch heute sollte das alles ganz anders ausgehen.
Schwerfällig erhebe ich mich von der Couch. Gerade sind nur noch Paula und Franco da, der Rest ist auf Einsätzen unterwegs. „Schon wieder auf Toilette?", fragt Franco lachend, wofür er nur einen bösen Blick von mir kassiert. Mein Bauch platzt gefühlt jeden Moment. Und damit habe ich auch immer das Wissen, dass es wirklich jederzeit losgehen kann. Langsam gehe ich zu den Toiletten. Wirklich schnell kann ich mich nicht mehr bewegen. Ich meine, hab mal zwei prächtig entwickelte Babys im Bauch, die jederzeit bereit sind, auf die Welt zu kommen. Leicht ist etwas anderes.
Auf dem Rückweg zum Aufenthaltsraum ist plötzlich jedoch etwas anders. Es wird warm in meiner Hose. Ein Blick nach unten beweist mir meinen Verdacht. Die Fruchtblase ist anscheinend gerade gerissen. Meine hellblaue Hose hat ihre ursprüngliche Farbe im Schritt jedenfalls verloren.
„Äh, Leute?", rufe ich unsicher in Richtung Aufenthaltsraum. Auf dem Gang stehe ich schon, jedoch noch etwas weit zu diesem entfernt. In dem Moment kommt Frank aus seinem Büro, vor dem ich stehe, wie ich gerade bemerke. „Ist was passiert? Oder warum hast du gerade gerufen?", fragt mich dieser nun. „Also ja, ich glaube, es geht langsam los", vermute ich und deute zu meinem Schritt. „Oh Gott, ja das sieht so aus." Inzwischen sind auch Paula und Franco gekommen. „Die Babys kommen!", schreit Franco unvermittelt panisch herum. „Franco, jetzt beruhige dich mal! Ich bin diejenige, die gleich in Wehen liegen wird, nicht du. Außerdem hast du selbst doch schon zwei Kinder. Wie bist du denn dann bei denen ausgetickt?" Franco hält den Mund und guckt mich schief lächelnd an, sieht trotzdem noch total hibbelig aus. Es war eine gute Idee, Frauen die Kinder bekommen zu lassen. Auch wenn Männer immer so stark tun, sind sie diejenigen, die in solchen Situationen am schnellsten die Fassung verlieren. Ich schüttele nur schmunzelnd den Kopf. „Sofia du weißt, dass -" In der Tat, ich weiß, was Paula jetzt sagen will, weshalb ich sie unterbreche: „Ja, ich weiß, dass ich so jetzt hier eigentlich nicht mehr laufen sollte. Aber ich werde jetzt allein nach unten in die Fahrzeughalle gehen und mich in einen RTW legen." „Macht euch einen Einsatz auf. Und dir viel Glück und schnelles Vorangehen, Sofia", Frank lächelt mich an und verschwindet dann.
Franco setzt sich ans Steuer, Paula zu mir nach hinten. Und dann geht es ab in die Klinik. „Was ist, wenn Phil es nicht mehr rechtzeitig schafft?", frage ich und hoffe, dass sein Einsatz schnell vorbei ist. Denn er ist gerade erst los, bevor ich auf Toilette gegangen bin. „Franco hat noch schnell einen Zettel für ihn in der Wache hinterlassen und ihm eine Nachricht geschickt. Und guck." Sie hält mir plötzlich ihr Handy hin, wo sie probiert, Phil über Anruf zu erreichen. „Das mache ich jetzt durchgängig. Dann wird er merken, dass etwas ist." Ich will gerade zu einer weiteren verzweifelten Aussage anfangen, als mich eine heftige Wehe überrascht. „Sofia, schön atmen, hörst du? Drück meine Hand, wenn dir das hilft." Das tue ich auch. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass das plötzlich so schnell kommt und nicht mal leicht anfängt. „Ist das denn normal? Wieso kam das so plötzlich und ohne Vorwarnung?", ängstlich gucke ich Paula an. „Das ist normal, ja. Bei jeder Frau verläuft die Geburt anders. Und bei dir ist es nun mal so. Mach dir keine Gedanken." „Alles gut bei euch dahinten?", fragt Franco aus der Fahrerkabine, unterdrückte Panik schwingt in seiner Stimme mit. „Ja, war nur eine Wehe!", antwortet Paula. „Nur eine Wehe ist gut", höre ich Franco in seiner Aufgeregtheit etwas lauter murmeln. „Wo sind die Männer eigentlich, wenn man sie dann mal wirklich braucht?", fluche ich und hoffe einfach, dass Phil gleich neben mir steht.
In der Notaufnahme der Klinik kommt mir gleich Charlotte aufgeregt entgegen. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie aufgeregt wir alle sind!", schlitternd kommt sie neben der Trage zum Stehen. „Gleich in den Kreißsaal, sie hatte zwei Wehen während der Fahrt", bringt Paula sie in Kenntnis. „Okay. Wo ist Phil? Sagt nicht, der ist gerade in einem Einsatz." „Doch, so ist es. Wenn der hier mit einem Patienten auftauchen sollte, schicke ihn bloß sofort zu mir! Sonst kann der Kerl sein blaues Wunder erleben!" Mal wieder gehen die Hormone komplett mit mir durch und ich bin ohne Grund sauer auf ihn. Dabei kann er ja wohl am wenigsten für den Einsatz. „Mach ich, glaub mir. Für Schmerzmedikation komme ich dann auch mal bei dir vorbei, wenn es soweit ist. In der Zwischenzeit muss ich hier die Stellung halten, du siehst ja, was hier los ist." Charlotte macht eine ausladende Handbewegung über die Masse an Patienten. „Franco sieht ja auch super aus", stellt Charlotte grinsend fest. Kleine Schweißperlen zieren seine Stirn. „Sag mal Franco, du hast doch schon Kinder im RTW zur Welt gebracht, was ist denn mit dir los?", neckt Paula ihn. „Es bekommt eben nicht jeden Tag eine Kollegin ein Kind. Entschuldige, zwei Kinder. Bei meiner Frau und den Kindern bin ich doch sogar beide Male umgekippt", gibt er zu. „Mensch, und so einer nennt sich Notfallsanitäter", bemerkt Charlotte lachend. „Leute, eure Unterhaltung ist ja ganz nett, aber ihr habt irgendwie mich vergessen. Ich hätte schon gern etwas Privatsphäre", schalte ich mich in das Gespräch ein. „Oh, tut uns leid. Na dann Charlotte, wir gehen dann mal." Ist Paula aber auch früh eingefallen. „Haltet mich ja auf dem Laufenden!", mahnt Charlotte uns noch und widmet sich dann einem neuen Patienten. Kaum haben wir die Notaufnahme verlassen, übermannt mich eine neue Wehe. Bitte lass Phil noch rechtzeitig kommen. Wieso geht das alles plötzlich so schnell?
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Zufälle verbinden (Asds)
FanfictionSofia zieht nach Köln, um Neues zu erleben. Doch gleich ihr erster Tag gestaltet sich anders als erwartet. Öfter als gedacht kreuzen sich die Wege mit bestimmten Personen, was sehr bald zur Regelmäßikeit wird. Wird aus dieser Freundschaft auch Liebe...