37 - Gebrochene Hand, gebrochenes Herz?

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Phils Sicht

Komplett fertig mit der Welt lasse ich mich in den Wartebereich der Notaufnahme fallen. Das darf nicht wahr sein. Stumme Tränen fließen mir über das Gesicht. Den Moment habe ich mir komplett anders vorgestellt. Eigentlich sollten Sofia und ich jetzt mit unseren beiden Babys in einem Zimmer liegen und die glücklichsten Menschen der Welt sein. Aber nein, jetzt bange ich um das Leben der Frau, die ich neben meinen Kindern über alles liebe. Die zwei sind noch bei den Untersuchungen. Das zweite Kind hat nicht geschrien, nachdem es abgesaugt wurde, war jedoch alles gut. Also um die beiden muss ich mich jetzt eher weniger sorgen. Sofia ist im OP. Sturzblutung, das muss dort behoben werden.

„Um Himmels willen Phil! Was ist passiert?" Charlotte schlägt ihren Weg zu mir ein, statt zum Empfang, wie eigentlich von ihr geplant. „Den Babys geht es gut. Zwei Mädchen", ich lächle matt. „Sie sind noch bei der Untersuchung. Sofia jedoch...." Ich halte kurz inne, schlucke und wische mir ein paar Tränen weg. „Sie ist im OP. Sturzblutung." Charlotte schlägt sich die Hand vor den Mund. „Nee, ne? Scheiße. Aber Phil, sie wird es schaffen. Da glaube ich fest dran. Für dich, für eure Kinder." Die Blicke der wartenden Patienten liegen interessiert auf uns, was mich gerade massiv stört. Eigentlich will ich nur meine Ruhe, brauche jedoch gerade selber eine Behandlung. Aufmunternd will Charlotte nach meiner rechten Hand greifen, doch kaum berührt sie diese, zucke ich instinktiv weg. „Deswegen bin ich hier. Sofia hat so doll gedrückt, dass es geknackt hat. Ja, man sieht ja, was anscheinend passiert ist." Ich halte ihr meine Hand hin, die schon total blau angelaufen ist. „Komm, ich bringe dich zum Röntgen und dann sehe ich weiter. Hier ist gerade auch kein akut bedrohter Patient." Sie zieht mich an meiner gesunden Hand hoch. Sofort kommt die erste Beschwerde eines älteren Mannes. „Ich sitze seit zwei Stunden hier und dann kommt da so ein junger Mann von der Seite und wird direkt genommen?" Ich habe gerade eigentlich keine Lust auf Streit und will es ignorieren, Charlotte jedoch möchte das anscheinend nicht so auf sich sitzen lassen. „Hören Sie mal genau zu! Dieser junge Mann bangt gerade um seine Freundin, die bei der Geburt seiner Kinder zu viel Blut verloren hat und nun im OP ist. Ja, da ist er nun mal wichtiger und braucht jetzt seelische Unterstützung von Freunden, als Rückenschmerzen, die seit drei Wochen bestehen. Außerdem ist seine Hand augenscheinlich gebrochen und gehört behandelt." „Der ist doch auch Arzt, kann sich doch selber behandeln", schnaubt er verächtlich weiter. Kurz wundere ich mich, woher er das weiß. Doch als mein Blick an mir heruntergleitet, fällt mir wieder ein, dass ich ja noch die Uniform trage. „Kann er nicht. Erstens kann man sich eine gebrochene Hand nicht selber behandeln und zweitens ist er gerade in einem seelischen Ausnahmezustand. Wenn Sie jetzt bitten würden." Damit dreht sich Charlotte um und zieht mich Richtung Röntgen. „Wie war das mit der ärztlichen Schweigepflicht nochmal?", hinterfrage ich und muss sogar kurz schmunzeln. Obwohl mir eigentlich nicht danach ist.

Nachdem meine Hand von Charlotte behandelt wurde, gehe ich auf die Suche nach meinen Kindern. Schließlich finde ich die zwei nicht wie gewöhnlich auf der Kinderstation, wo sie jetzt ohne jegliches Elternteil sein müssten, sondern im Schwesternzimmer der Gynäkologie. Linda sitzt neben den zwei kleinen Betten auf einem Stuhl und guckt sie ganz verliebt an. „Oh, da ist ja euer Papa. Mit einer verletzten Hand", bemerkt sie schmunzelnd. „Nicht gebrochen. Nur angebrochen. Aber ich muss vorsichtig sein." Ein Blick verrät mir, dass die zwei gerade sogar wach sind. Das ist eher seltener der Fall, aber ich freue mich. Linda legt mir eine in den rechten, die andere in den linken Arm, nachdem ich mich auf einen Stuhl gesetzt habe. Mit meiner verletzten Hand wird das jetzt eher schwieriger werden, jedoch verheilt so etwas eher schnell und mit richtiger Schmerzmedikation werde ich sie auch noch etwas einsetzen können.

„Hast du was Neues von Sofia?", frage ich Linda. Sie soll sofort informiert werden, wenn sie aus dem OP ist. „Nee. Aber ich glaube fest daran, dass sie bald bei euch sein wird und ihr dann den Moment habt, auf den sich alle frischgebackenen Eltern freuen." Damit meint sie eben diesen Moment im Zimmer, wenn alle gesund und munter sind und die Eltern das Baby, in unserem Falle die zwei Babys, glücklich in den Armen halten.

Eine Weile ist es still und ich betrachte nur die zwei schönsten Wesen in meinen Armen, neben Sofia natürlich, als das Klingeln des Diensttelefons von Linda diese Stille unterbricht. „Der OP", sagt sie und guckt mich an.



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