Prolog

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Die ersten Sonnenstrahlen, die in die Straßen Varas fielen, ließen den Ort beinahe friedlich erscheinen. Sämtliche Wege, zwischen den weiß getünchten Gebäuden, waren verlassen. Normalerweise hätte man die Schuld daran der frühen Stunde geben können, doch die Stille war heute nicht die normale Ruhe des Schlafs. Nicht einmal ein Hund bellte, in der Ferne. Keine Fuhrwerke auf den Straßen, keine Nachtschwärmer, die das erste Licht nun nach Hause trieb. Als hätte die Welt den Atem angehalten, und harrte einer ungewissen Zukunft. Auf den Stadtmauern standen, scheinbar genau so erstarrt wie der Rest Varas, seine Verteidiger. Das rötliche Glitzern von Stahl, der die Morgensonne reflektierte, verlieh diesen Männern etwas Ehrfurcht gebietendes. Drei Reihen tief waren, die Wälle der Stadt/ mit Soldaten besetzt. Eine Armee, der man zutrauen konnte, es mit allen aufzunehmen, was man ihr entgegenwarf. Veteranen und junge Rekruten gleichermaßen, aber sie alle hatten ihre ersten Bewährungen überstanden. Und doch konnten manche ihre Angst oder Nervosität nicht verbergen. Das Klirren, der Panzerplatten, durchbrach gelegentlich die unheimliche Ruhe, wenn jemand es nicht länger still auf seinem Platz aushielt. Banner, die das Sternenwappen der Stadt zeigten, wankten, als eine Windböe durch die auf alles gefassten Kämpfer ging. Zwischen den in hellen Stahl gewandeten Männern, standen mehrere, die durch ihre tiefschwarzen Panzer auffielen, auf denen nur das Emblem eines Drachen silbern hervorschien. Das Wappen der Kaiser. Visierhelme verbargen die Gesichter dieser dunklen Gestalten. Keiner von ihnen wankte, wo die gewöhnlichen Soldaten, trotz ihrer Disziplin, nicht völlig ruhig bleiben konnten. Flüsterten... über das was kommen würde, ihre Angst, die beim ersten Aufeinandertreffen von Stahl hinweg gespült werden würde.... oder in endlose Erleichterung übergehen, je nachdem, was die nächste Stunde brachte. Nur die schwarzen, Ritter beteiligten sich nicht an den leisen Gesprächen und niemand wagte es, auch nur zu versuchen, sich mit ihnen zu unterhalten. Prätorianern brachte man Ehrfurcht entgegen, aber sicher nicht Kameradschaft. Dazu waren, diese Krieger, eine zu eingeschworene Gemeinschaft unter sich. Die Elite des Reichs war nur zu einem einzigen Zweck hier. Den scheinbar nicht enden wollenden Vormarsch aus dem Norden zu stoppen. Nach zehn endlosen Jahren... endgültig. Vielleicht würde ihnen das hier gelingen und sie damit zur Legende werden. Der Mann, den sie den Adler des Nordens nannten, sah von/ seinem Platz auf einem Hügel, auf die scheinbar erstarrte Stadt hinab. Das Land um Vara war mit einer Unzahl von Zelten und kleineren, rasch errichteten Hütten bedeckt. Genug, das nur an den wenigsten Stellen noch Gras zu sehen war. Tausende Füße, hatten längst Ödland aus der Gegend gemacht und nur die hier und da noch stehenden Runensteine ragten über die Zeltplanen hinweg. Den Mann, auf seinem Platz, hoch über den Zelten, jedoch interessierte das Heerlager weniger. Seine ganze Aufmerksamkeit galt dem Stadttor, dem sich soeben eine kleine Truppe Reiter näherte. Ein befestigter Weg, führte von den Toren die Bergflanke hinauf, bis er sich zwischen den Zelten verlor. Etwa auf halbem Weg, den Pfad hinauf, wurden die Reiter bereits von, einer zahlenmäßig etwa gleich großen Gruppe erwartet. Auf die Entfernung, waren die Leute nur als bunte Punkte auszumachen. Die Pferde wurden angehalten und einer der Boten sprang aus dem Sattel, einen Brief in der Hand. Gleichzeitig trat einer der Männer, aus der Gruppe, vor den Stadttoren, vor, nahm das Schriftstück an sich und überflog es offenbar kurz. Danach sagte er irgendetwas... offenbar das Falsche. Männer griffen nach ihren Schwertern und vereinzelt nach brennenden Lunten, die sie, für ihre Gewehre, in kleinen Bleibehältern aufbewahrten. Eine Geste des Reiters, der den Brief überbracht hatte, sorgte dafür, dass zumindest seine Leute, die Waffen wieder sinken ließen. Einige Augenblicke lang wurden noch Worte gewechselt, dann machte der Bote eine wegwerfende Handbewegung und sprang wieder auf sein Pferd. Die Reiter wendeten die Tiere und trieben sie wieder in Richtung Heerlager davon, während die Gruppe aus der Stadt sich auf den Weg zurück zu den Toren machte. Alles war zu weit weg, als das der Beobachter von seiner Position aus etwas hätte verstehen können, aber war es nicht sowieso immer dasselbe? Simon Belfare wendete den Blick von der Stadt ab und wartete auf die Rückkehr des Boten. Dieser ließ auch nicht lange auf sich warten. Wenige Augenblicke später kam der Mann den Hügel hinaufgerannt. Das Pferd hatte er offenbar zurückgelassen und vermutlich wäre er, zwischen den ganzen Seilverankerungen, auch nicht weit gekommen. Selbst wenn, hätte es der Bote wohl vorgezogen zu Fuß zu laufen. Die meisten Gejarn mochten keine Pferde. Man hätte ihn, nur aus der Entfernung, für einen Menschen halten können. Aus der Nähe jedoch, waren das dunkelgraue Fell und die wölfischen Gesichtszüge des Mannes kaum mehr zu übersehen. Der Bote verbeugte sich kurz, hatte jedoch kaum den Kopf geneigt, als Simon ihm schon bedeutete, sich wieder zu erheben. Manche hielten es für nötig, vor ihm zu Knien, vor allem die Narren, die er eines besseren belehrt hatte. Andere wagten es nicht, in seiner Gegenwart, auch nur die Stimme zu heben. Simon wusste, dass er diesen Eindruck auf andere machte und hatte sich damit arrangiert. Auch, wenn er praktisch Kleider bevorzugte, so trug er dennoch verräterische Zeichen. Sein Brustpanzer, mit eingelegtem Gold verziert und sein Umhang, der ihm über die Schulter hing, mit seinen, in Gold gestickten Symbolen. Ein Adler und ein Löwe, die einen, stilisierten Tropfen Blut flankieren. Außerdem, das kleine hölzerne Kästchen, das an einer Schlaufe, an seinem Gürtel ruhte. Die eisblauen Augen und der Kranz blonder Haare auf seinem Kopf taten wenig, die Ausstrahlung, die er hatte, zu dämpfen. Aber Simon war bei weitem kein Heiliger, einer Tatsache, der er sich nur zu bewusst war.

„Wie lautet ihre Antwort Ordt?" , wollte er wissen, sobald der Bote sich wieder erhoben hatte.

„Wie immer, Herr." , gab der, als Ordt angesprochene, Gejarn zurück. Simon schüttelte ungläubig den Kopf.

„Ich dachte, wenigstens meine Heimat würde mich willkommen heißen...." , murmelte er, mehr zu sich selbst.

„Ich habe das Blutvergießen langsam satt... gibt es schon Nachricht von den Männern, die ich nach Süden geschickt habe?"

„Nichts. Sie haben es also entweder noch nicht gefunden oder...."

„Oder.", erwiderte Simon. „Wenn es um diese Dinge geht, gibt es kein oder. Nur den Tod."

„Soll ich mehr schicken?"

„Nein, lasst gut sein. Es eilt nicht. Ich kann sie mir selbst holen, wenn nötig."

„Ja Herr. Aber wenn Ihr die Frage gestattet..." Simon nickte dem Gejarn aufmunternd zu.

„Sprecht nur."

„Ich bin besorgt. Wie wollen wir den Wall überwinden? Geschweige denn, die Verteidiger? Unsere Truppen sind teilweise noch im Umland verstreut oder hängen weiter im Norden fest. Wir sind weiter vorgestoßen, ohne auf Verstärkung zu warten und die Verteidiger uns mindestens eins zu drei Überlegen, wenn sie die komplette Stadtmauer bemannt haben. Und wir sind in der schlechteren Position. Wir werden angreifen müssen. Die brauchen nur zu warten."

Simon sah auf das Lager hinab. Sicher, mit so wenigen Kämpfern hatte er noch keine Schlacht gewagt. Und schon gar keinen Angriff, auf eine befestigte und gut vorbereitete Stadt. Jedoch... ihm blieben andere Optionen.

„Sagt mir, habe ich uns je in die Irre geführt, Ordt ?" , wollte er wissen, seine Stimme plötzlich einen Ton leiser.

„Nein, verzeiht mir Herr. Ich hätte Euch nicht infrage stellen sollen."

„Unfug." , erwiderte Simon ernst.

„Ich erwarte sogar, dass Ihr genau das tut. Ein Heerführer, der nicht auf die Bedenken seiner Soldaten hört, ist ein Narr. Ein bald toter Narr, wenn seine Männer etwas Glück haben. Und ihr habt vollkommen recht. Die Stadtmauern, geben den Kaisertruppen einen Vorteil. Allerdings, habe ich nicht vor, ihnen diesen zu lassen...."

„Wie wollt Ihr..." Ordt erstarrte.

„Ihr werdet die Tränen einsetzen?"

„Plötzlich zweifelt Ihr also nicht mehr an unserem Sieg ja?", fragte Simon mit einem abwesenden Grinsen auf den Lippen.

„Geht, sagt allen, sie sollen sich bereit machen." Der Gejarn verneigte sich rasch.

„Sofort Herr." Sobald Ordt zwischen den Zelten verschwunden war, richtete Simon seinen Blick wieder auf die Stadt, allerdings hatte sein Blick jetzt etwas Fernes. Mit einer Bewegung öffnete er das Kästchen, an seinem Gürtel. Auf einem Samtpolster ruhten drei tropfenförmige Steine. Einer Saphirblau, einer der aussah wie ein Malachit und ein dritter, der fast so schwarz war, der er das Sonnenlicht zu schlucken schien. Lediglich das darauf aufgemalte Symbol, eines goldenen Auges, stach hervor. Simon nahm die drei Kristalle, einen nach dem anderen, vom Polster, bis sie in seiner Handfläche lagen. Der Zauberer konnte die Macht spüren, die von den Steinen ausging. Mehr, als ein einzelner Magier, jemals hoffen könnte zu besitzen. Sehr viel mehr. Es war fast unmöglich, den ungebändigten Energiestrom, für lange zu kontrollieren. Er jagte durch seinen Körper, während die Steine begannen über seiner Handfläche zu schweben. Aber viel Zeit, würde er ohnehin nicht brauchen. Simon richtete seine ganze Aufmerksamkeit, auf den Wall um die Stadt. Er richtete, den freien Arm, in Richtung Vara und die Welt wurde aus ihrer Erstarrung gerissen.... Die Zukunft war hier.

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