Epilog

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Einen Monat später war die fliegende Stadt kaum wiederzuerkennen. Die während der Schlacht verursachten Schäden waren im Eiltempo repariert oder wenigstens tuschiert worden und in den Straßen drängten sich die Leute. Soldaten wie Bürger, die alle in festliche Gewänder gekleidet waren. Niemand hätte mehr auf den schwebenden Inseln Platz gefunden. Selbst die Gärten verschwanden unter der Vielzahl von Menschen, die sich eingefunden hatten. Banner wehten an sämtlichen Gebäuden und Masten der Stadt. Auf blauem Grund zeigten sie das neue Doppelwappen des Kaiserreichs. Einen silbernen Adler und einen goldenen Löwen. In den Hallen des kaiserlichen Palastes war es ruhiger. Zwar waren auch hier sämtliche Flure und Säle brechend voll, doch sorgte die neue Ehrengarde Cantons für die nötige Ruhe. Männer in blauen Uniformen, die mit goldenen Knöpfen versehen waren, hielten Ein- und Durchgänge bewacht.

Im Thronsaal selbst waren nur wenige zugelassen. Ein gutes Dutzend der höchsten Adeligen Cantons war anwesend... und eine Gruppe von vier Leuten, die man hier nicht erwartet hätte. Vor allem weil einer von ihnen ein Gejarn war. Ein schwarzer Wolf, der auf seinen Pfoten einen schweren Goldreif trug. Ein einziges, klares Juwel war darin eingelassen.

Vor dem Bernsteinthron stand Simon Belfare. Der Zauberer hörte sich die Eide und Treuebekundungen der Versammelten scheinbar gelassen an. Die ergrauten Haare hatte er zu einem losen Zopf im Nacken gebunden. Ein türkisfarbener Ornat fiel ihm über die Schultern und ein schwaches Lächeln teilte seine Lippen, als die Versammlung endlich die Worte verkündete, auf die es ankam.

„Im Namen des Volkes von Canton, erklärt Euch diese Versammlung heute zum ersten Kaiser des Hauses Belfare und damit zum Herrscher über alles Land, das einst der Ordnung Ordeal unterstand. Euch und Euren Erben ist dieser Titel vom heutigen Tag verliehen, bis ihn jemand anzweifeln möge."

Was in fast einem Jahrtausend noch nicht vorgekommen war. Die Adeligen waren leicht zu kontrollieren.

Ordt trat vor, in seinen Händen die Krone Cantons auf einem Kissen. Ein Magier in türkisfarbener Robe nahm dem Gejarn die Krone ab und setzte sie Simon auf dem Kopf. Dieser schloss einen Moment die Augen. Simon Belfare war am Ziel. Und wer hätte sich ihm noch entgegen stellen können? Er hatte alle sieben verbliebenen Tränen Falamirs in seinem Besitz. Sicher verwahrt in den kaiserlichen Schatzkammern.

Er nahm auf dem Bernsteinthron Platz und im gleichen Augenblick brandeten Applaus und Jubel über die gesamte Stadt. Irgendjemand lies Tauben fliegen, die im Himmel über dem Palast verschwanden. Simon nahm den Lärm mit einem Nicken zur Kenntnis, bevor er den Blick zu seinen drei verbliebenen Gästen wendete.

„Wo ist Leif?" , wollte er wissen.

„Ich hatte ihn eigentlich hier erwartet."

Kornelius schüttelte lediglich den Kopf.

„Ich glaube nicht, das dem der Sinn nach feiern steht."

„Das ist... Verständlich." Der frisch gekrönte Kaiser wendete sich ab und begrüßte einige weitere Leute in der Halle.

„Er hat uns das wirklich abgekauft, oder?" , fragte Sandria.

Erik nickte und konnte ein Grinsen nicht unterdrücken.

„Sieht so aus. Er wird sich ziemlich umschauen, aber keine Sorge. Er kommt sicher drüber hinweg, meine Liebe.... "

Die Wellen schlugen tief unter ihm gegen die südliche Küste. Der Mann auf den Klippen sah einen Augenblick hinab, wie er dort am Abgrund saß. Möwen kreischten in der Ferne und der Wind trieb den Geruch von Salz und Algen heran. Die Böen wehten ihm die Haare aus dem Gesicht und offenbarten die Tätowierung eines auf den Hinterbeinen balancierenden Drachens, die sich über seine Stirn zog. In den Händen hielt er einen kleinen Stoffbeutel. Die tropfenförmigen Juwelen darin hatten viel Unheil angerichtet. Zu viel. Und sie hatten ihm beinahe alles genommen, was ihm einmal wichtig gewesen war. Der Mann holte aus und beförderte den Beutel mitsamt Inhalt im hohen Bogen ins Meer. Die Steine fielen aus dem Behälter und blinkten noch einen Moment in der Sonne, vielleicht schnappte auch eine Möwe nach einem... dann versanken sie in den Wellen. Auf den dunklen Grund des Meeres.

Hoffentlich eine sichere letzte Ruhestädte.

Leif stand auf und sah noch einen Augenblick über die Wasserfläche hinaus. Es hieß, es gäbe weitere Kontinente, irgendwo jenseits der Sonnensee. Aber ihn zog es nur noch an einen Ort....

Eine Hand legte sich auf seine Schulter und er lächelte, als er sich zu Celani umdrehte. Viel war in diesem Krieg zerstört worden. Aber eines war ihm geblieben.

„Lass uns nach Hause gehen...", meinte er, als sie sich von der Klippe abwandten.

„Das wird ein ziemlich langer Heimweg.", meinte die Gejarn.

Der Schmied zuckte mit den Schultern.

„Ich bin sicher uns fällt schon etwas ein...."

Jahre später lehnte Erik sich im Schein einer Laterne zurück und entzündete seine Pfeife. Das Schiff auf dem er sich befand schaukelte im beständigen Fluss der Wellen hin und her.

„Und das ist die Geschichte der Tränen, soweit sie mir bekannt ist.", erklärte er.

Seine grauen Haare spiegelten den Schein der Kerzenflamme wieder. Die übrigen Personen auf dem Deck der Windrufer, die sich um den exzentrischen Arzt versammelt hatten, rückten etwas dichter zusammen.

Eden, die Kapitänin des Schiffs schien skeptisch.

„Ins Meer geworfen ? Das macht wenig Sinn." Die schneeweiße Gejarn war wirklich immer misstrauisch, dachte Erik bei sich. Cyrus, der schwarze Wolf schien auch nicht besonders überzeugt, auch wenn er dazu schwieg.

„Nun, offenbar ist eine dabei zumindest nicht auf dem Grund des Ozeans gelandet." Erik nickte in Richtung der vierten Gestalt an Deck. Ein Junge von vielleicht vierzehn Jahren, dem die dunklen Haare ins Gesicht fielen. Zachary. Seine Augen hatten einen faszinierenden Stich ins türkisfarbene... und auf seiner Brust ruhte eine silberne Kette. In das Metall eingelassen, glühte schwach ein tropfenförmiges Juwel. Blau wie das Meer....

„Ich sagte ja, das bedeutet Ärger."

LichtbringerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt