Baltasar hatte für sie alle Zimmer in einem Gasthof der Stadt organisiert. Das Gebäude lag nicht weit entfernt vom Palast, im Herzen Erindals, aber doch weit genug von den geschäftigen Hauptstraßen, das man vom Lärm der Metropole wenig merkte. Den Tag verbrachten sie damit, sich die Stadt anzusehen. Es hatte beinahe etwas Unvertrautes, einmal Zeit für so etwas zu haben, dachte Leif, als er am Abend mit den anderen zurückkehrte. Erindal war eine Stadt, die den großen Handelszentren und Häfen Cantons in nichts nachstand. Im Hafen drängten sich Schiff an Schiff und eine Unzahl kleinerer Boote, auf denen Männer mit farbigen Flaggen saßen, halfen, das Chaos halbwegs passierbar zu halten. Dahinter schlossen sich die zahlreichen Wohnviertel der Stadt an, die mit ihren teilweise drei oder vierstöckigen Mietskasernen das Licht der Sonne fast völlig ausblenden konnten. Trotzdem war es in den Schatten kaum kühler und der allgegenwärtige Staub und Sand, der mit dem Wind durch die Straßen trieb fand seinen Weg in ihre Kleider und Augen.
„Ich hoffe wirklich, das gibt keinen Sandsturm.", meinte Sandria besorgt, als sie die Taverne schließlich betraten. Das Gasthaus machte einen sauberen und durchaus gehobenen Eindruck. Mit Holzarbeiten verstärkte Glasfenster, in der Außenfassade, waren alles andere als billig. Die weiß getünchten Wände hielten, zusammen mit den schweren Steinblöcken, aus denen sie errichtet waren, wohl die schlimmste Hitze des Tages ab.
„Das ist noch lange kein Sturm.", meinte Erik lediglich. „Ich hab mich vorhin mit ein paar Leuten auf dem Markplatz unterhalten. Bei einem richtigen Sandsturm sieht man nicht mal mehr die Hand vor Augen."
Der Arzt war scheinbar wie immer guter Dinge... und der einzige von ihnen, der sich keinen Sonnenbrand geholt hatte, wenn man von Celani einmal absah. Offenbar schützte ein Fell nicht nur vor Kälte, dachte Leif. Wenn sie wirklich länger hier blieben, würde er sich besser eines der Gewänder besorgen, das die Einheimischen trugen. So seltsam es ihm erscheinen war, das die Leute hier alle Roben zu tragen schienen, die Hitze war leichter zu ertragen, als wenn einem die Sonne die Haut versengte.
Nachdem sie zu Abend gegessen hatten, zogen sich alle auf ihre Zimmer zurück. Es würde eine schöne Abwechslung darstellen, mal wieder in einem richtigen Bett zu schlafen. Leif konnte sich kaum noch daran erinnern, wann er das letzte Mal nicht auf dem Boden eines Wagens oder auf dem Waldboden geschlafen hatte. Seit er mit Celani aufgebrochen war nicht mehr....
Götter, war das wirklich erst ein gutes dreiviertel Jahr her? Der Raum, den man ihm zuwies, überraschte den Schmied nicht zuletzt durch seine reine Größe. Sein halbes Haus hätte leicht unter die Decke gepasst. Offenbar legte es Baltasar wirklich darauf an, das es ihnen an nichts fehlte. Allerdings... hing von ihrem hierbleiben auch das Schicksal seiner Stadt ab. Die Einrichtung stand dem Raum selbst in Nichts nach. Neben dem Bett und einem Fenster, durch das der Abendhimmel herein schimmerte, bestanden die Einrichtung aus einem großer Schreibtisch und mehreren Schränken. Neugierig zog Leif eine der Türen auf und fand in denen mehrere paar frischer Wäsche. Im Stillen dankte er, wer auch immer daran gedacht hatte. Er hatte seine Kleider bei Gelegenheit gewaschen, aber das halbe Dutzend Blut und Schmutzflecken, die sich einfach in den Stoff gebrannt hatten, konnte das nicht verbergen. Rasch suchte er sich ein paar Kleider in der richtigen Größe, ein simples Hemd aus weißer Wolle, stabile Hosen und Stiefel aus Leder und eine dunkle Jacke. Mit den neuen Kleidern sah er immerhin schon weniger wie ein Landstreicher aus, dachte Leif. Es hatte ihn zwar selten gekümmert, was jemand von ihm dachte, aber er würde so wohl etwas weniger auffallen. Seine alten Kleider landeten auf dem Fußboden. Er würde sehen, was daraus wurde. Ein leises Klacken, als der Stoff auf dem Boden landete, erinnerte ihn jedoch an etwas. Der Kamm, den er gekauft hatte, war aus der Tasche gerutscht und auf dem Boden gelandet. Leif hob den Gegenstand auf. Er hatte nach den ganzen Ereignissen des Tages gar nicht mehr daran gedacht.
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Lichtbringer
FantasyDas Kaiserreich von Canton, versinkt im Krieg, zwischen den rivalisierenden Armeen des Zauberfürsten Simon Belfare und den Streitkräften der Herrschenden Ordeal-Dynastie. Während beide Seiten das Land, ohne Rücksicht verbrennen, versuchen tausende v...