Kapitel 24 Feuer und Stahl

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Der Himmel war mit grauen Regenwolken verhangen. Die ersten Wassertropfen schlugen auf die Steinfließen zu seinen Füßen und machten den Untergrund rutschig und tückisch.

Simon Belfare schüttelte nur den Kopf, als er auf die Mauer aus schwarzen Panzern starrte, die sich vor der Festung sammelte. Die Erdwacht über die Brücke anzugreifen, so dumm konnten sie doch nicht sein? Der Heerführer stand auf einem der Außentürme des Bollwerks und sah über die Schlucht hinweg zu den aufmarschierenden Prätorianern und Gardisten.

Kaiser Tiberius war offenbar wirklich darauf aus, sich die Festung zurück zu holen, dachte er. Nur hatte seine Streitmacht nicht den Luxus, die Erdwacht auf breiter Front angreifen zu können. Wenn sie es wagten, ihre noch geschützte Position, jenseits der Schlucht zu verlassen, würden sie sich dem Pfeilhagel der Verteidiger auf kleinem Raum zusammengedrängt stellen müssen. Ihnen blieb gar keine andere Wahl. Die Burg zu belagern und versuchen sie auszuhungern war sinnlos, solange sie die Schlucht nicht umgehen konnten.

Neben Simon und Ordt stand eine Reihe Gewehrschützen auf dem Turm, die ihre Waffen bereithielten. Der Geruch von brennenden Lunten lag in der Luft. Auch die Panzerung der kaiserlichen Garde hatte den schweren Bleiprojektilen nicht viel entgegenzusetzen. Er musste nur noch den Befehl geben. Sobald die Armee des Kaisers den Fehler machten anzugreifen....

„Sagt mir, was Ihr davon haltet."

Ordt trat an die Zinnen des Turms und besah sich einen Moment die wartenden Soldaten. Nach wie vor bildeten die schwarzgepanzerten Kämpfer, eine gerade, unbewegliche Linie, ein Stück außerhalb der Reichweiter der Bogenschützen. Scheinbar unbeeindruckt vom einsetzenden Nieselregen. Die Drachen-Banner über ihren Köpfen wehten im Wind.

„Ich weiß es nicht Herr. Aber es gefällt mir nicht. Wir haben Berichte aus dem Norden bekommen, das der Kaiser wieder Boden gut macht."

„Das kann uns egal sein.", erwiderte Simon kühl.

„Wir haben dafür bereits einen Keil direkt ins Herz seines Reichs getrieben. Was will ich noch mit dem Norden? Lasst den Kaiser das Eis zurück haben, wenn er so daran hängt." Sein Ziel lag ganz wo anders. Im Süden. Er konnte die Träne spüren, wenn die Entfernung auch zu groß war um genau zu sagen wo. Aber offenbar flohen sie in diese Richtung. Wenn sie glaubten sich dort verstecken zu können....

„Das hier aber." , fuhr Ordt derweil fort, „ist entweder eine gewaltige Verschwendung von Menschenleben, oder..." , bevor der Gejarn den Satz beenden konnte, kam Bewegung in die Mauer aus Prätorianern. Die komplette Armee fiel plötzlich auf die Knie. Simon fragte sich erst, ob die fanatischen Kämpfer des Kaisers endgültig übergeschnappt waren... dann jedoch packte ihn das nackte Entsetzen. Simon Belfare erlebte einen der wenigen Augenblicke in seinem Leben, in dem ihn die Furcht packte.

In dem Moment wo die Armee sich duckte, wurde endlich sichtbar, was sich in ihren Reihen verborgen hatte.

Simon zählte über drei Dutzend stählerne Rohre, die im schwachen Dämmerlicht aufblitzten. Feuerschlangen. Kanonen.

Ordt ließ sich instinktiv zu Boden fallen und riss Simon mit sich.

„Alle in Deckung..." der Rest seiner Worte ging in einem ohrenbetäubenden Getöse unter, als die Geschütze vor der Festung alle gleichzeitig feuerten. Gesteinsbrocken wurden aufgewirbelt, als die Mauern unter dem Trommelfeuer der Geschütze knirschten. Scharfkantige Splitter und Staub jagten durch die Luft und fällten all jene, die sich nicht rechtzeitig in Deckung gebracht hatten. Die gesamte Erdwacht erzitterte unter dem Angriff. Wehrgänge stürzten in sich zusammen und rissen die darin stationierten Soldaten mit sich und die Kugeln, die kein Ziel in den Mauern oder Türmen fanden, schlugen gewaltige Löcher in die Decken der Wirtschaftsgebäude.

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