Ein ferner Klang lag in der Luft, als Simon Belfare an diesem Abend aus seinem Zelt trat. Die Armee rastete auf einer Ebene, keinen halben Tagesmarsch mehr von der Erdwacht entfernt. Er selbst und die Offiziere, hatten ihr Lager auf einer kleinen Anhöhe aufgeschlagen, von der aus man fast alles überblicken konnte. Ein unendliches Lichtermeer schien sich vor ihm zu erstrecken, von dem, neben dem Geklapper von Essgeschirr, den Schnaufen der Tiere und der Rufe der Männer, noch etwas noch etwas anderes drang. Es dauerte eine Weile, bis er es einordnen konnte. Da sang jemand....
Simon lauschte, aber die leise Stimme war zu fern, als das er näheres hätte verstehen können. Trotzdem kam sie irgendwo aus dem Lager unter ihm. Der Zauberer konnte es nicht mit Sicherheit sagen, aber es schien die Stimme einer Frau zu sein, die dort durch die Dunkelheit drang. Das war seltsam....
Eigentlich hatte er vorgehabt, den Ablauf der morgigen Schlacht, mit Ordt zu besprechen, aber der Gejarn war ohnehin nirgendwo zu finden. Simon hielt sich von den Truppen meist fern, Ordt hingegen hielt es genau umgekehrt. Vermutlich trank er grade mit den übrigen Soldaten im Lager oder saß an einem der zahlreichen Kochfeuer, die die Zeltreihen erhellten.
Der Wolf hatte sich, trotz der Abneigung vieler, gegen die Gejarn seinen Respekt verdient. Auf eine Art, die Simon selbst fremd war. Er selber stand alleine an der Spitze und hätte er überhaupt eine andere Wahl? , fragte er sich. Ihm war seine Rolle nur zu bewusst. Nein Simon konnte sich nicht erlauben, in seinen Männern mehr als Schachfiguren zu sehen. Wenn auch... wichtige.
Meine Ziele sind größer, als das Leben eines einzelnen Mannes, dachte er. Und sogar noch...größer als sein eigenes Leben. Manchmal glaubte er, selbst Ordt verwechselte das ab und an, mit schlichter, grenzenloser Ambition. Und war er nicht ambitioniert? Er hatte den Kaiser selbst herausgefordert. Seine Krone gefordert... und ihr Krieg verzehrte das Land unter sich.
Ein Vorhaben, das an Ehrgeiz nicht mehr zu übertreffen war. Er hätte genauso gut die Götter herausfordern können und bevor dieser Kampf zu Ende war, würde Simon die Himmel selbst erstürmen müssen. Die fliegende Stadt war auf ihrer ewigen Wanderung weit hinter die vorrückenden Armeen verlegt worden. Im Augenblick noch unantastbar für ihn.
Simon wanderte rastlos von seinem Zelt weg und ohne es gezielt zu wollen, dem sanften Lied nach, das in der Luft nachklang. Er schlief ohnehin nicht mehr viel. Meistens saß er nur Stunde um Stunde da und meditierte, ohne wirkliche Ruhe zu finden. Und vor dem morgigen Angriff auf die Erdwacht, war daran sowieso nicht zu denken.
Simon hatte sich entschieden, den Angriff selbst anzuführen und auch Ordt konnte ihm das nicht mehr ausreden. Dafür war die Festung zu wichtig. Einige Leute grüßten ihn, als sie ihn im Vorübergehen erkannten. An diesem Abend trug er nicht seine gewohnte Panzerung, nur einen schlichten Wappenrock, auf dessen Rücken das Symbol des Adlers und des Löwen prangte.
Trotzdem erkannten die meisten rasch, wer er war. Sein Fluch und seine Gabe gleichermaßen. Die Ausstrahlung die er besaß, konnte eine geradezu selbstmörderische Loyalität in manchem wachrufen, wie er nur zu genau wusste. Und bedauerte. Andere fühlten sich dadurch geradezu abgeschreckt.
Simon wusste nicht, ob auch das, auf das Blut des alten Volkes in seinen Adern zurückzuführen war. Es gab so viele Dinge, die er nicht wusste. Aber sie alle waren nebensächlich. Das Lied, dem er folgte, war mittlerweile deutlicher geworden und hatte einen schweren, melancholischen Ton angenommen. Weit konnte es nicht mehr sein.
Simon Belfare trat zwischen einigen Zelten und den dazwischen gespannten Seilen hindurch. Hinaus auf einen kleinen Platz, mitten im Lager. Ein großes Feuer, auf dem ein gewaltiger Kessel mit Eintopf kochte, stand ganz in der Mitte. Etwa zwei Dutzend Männer saßen um die Flammen herum oder etwas Abseits bei den Zelten. Manche sahen einfach nur starr vor sich hin oder warteten auf das Essen, andere schärften Schwertklingen und wieder andere, hatten sich um eine einzelne Gestalt, auf den zertrampelten Wiesen geschart.
DU LIEST GERADE
Lichtbringer
FantasiDas Kaiserreich von Canton, versinkt im Krieg, zwischen den rivalisierenden Armeen des Zauberfürsten Simon Belfare und den Streitkräften der Herrschenden Ordeal-Dynastie. Während beide Seiten das Land, ohne Rücksicht verbrennen, versuchen tausende v...