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Mein Kopf hing schlaff herunter, während meine Arme in die Höhe gespannt wurden durch die eisernen Ketten

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Mein Kopf hing schlaff herunter, während meine Arme in die Höhe gespannt wurden durch die eisernen Ketten. Mein Oberkörper war freigelegt und so von blutbesudelt, dass man kaum noch ein Stück meiner blassen Haut sah. Der ganze Raum war in Dunkelheit gehüllt und das Tageslicht hatte ich bestimmt für mehrere tausend Jahre nicht mehr zu Gesicht bekommen. Das brennende Gefühl der Klinge war noch immer an meinem Hals präsent. Sie hatten meinen Kopf einfach wieder mit meinem Körper verbunden und durch meine Selbstheilig, wuchs er einfach wieder an. Und nachdem der Heilungsprozess abgeschlossen war, kam ich aus der Dunkelheit zurück und fand mich in dieser Zelle wieder. 

An ihre Folter gewöhnte ich mich nicht, selbst nicht nach all den Jahrtausenden - ich glaube, es würde keiner können. Es kam mir eher so vor, als würden sie immer schlimmer werden. So als würde irgendwas tief in mir immer weiter brechen. Ja, es kam mir schon so vor, als würde irgendwas in mir an eine unsichtbare Wand kratzen und nur darauf warten, befreit zu werden. 

Das Krächzen der schweren Eisentür ließ mich schon lange nicht mehr zusammenschrecken. So sehr mich ihre Folter auch quälte, so würde ich ihnen diese Schwäche niemals zeigen. Sie konnten noch so viel versuchen, sie würden mich nicht brechen. Das redete ich mir jedenfalls ein, denn mir war bewusst, dass ich nicht für immer durchhalten würde. Meine Seele ging langsam aber sicher ein und mit ihr mein Widerstand. 

»Deine Wunden sind schon wieder verheilt. Die Selbstheilung des weißen Hirschs ist beachtlich«, krächzte er und streifte um mich herum. Dabei stach sein verwesender Geruch so sehr in meiner Nase, dass ich sie rümpfen musste. »Und du wirst mir scheinbar neue zufügen«, schnaubte ich und hob leicht meinen Kopf, der mir unglaublich schwer vorkam - so als bestände er aus Blei. »Ein so schlauer weißer Hirsch.«

Seine Knochenklinge glitt langsam, fast schon sanft, meinen Brustkorb bis zu meinem Hosenbund herunter. Kräftig presste ich meine Lippen aufeinander und versuchte nicht zu Schreien. Er hatte noch gar nicht richtig angefangen, da konnte ich noch nicht schreien. Ich durfte ihm nicht jetzt schon die Genugtuung  geben.   

Immer wieder ließ er sie über meine Haut gleiten und manchmal sogar in mich bohren. Desto mehr Wunden er mir zufügte und desto näher er meinem Herz kam, desto mehr bröckelte mein Widerstand. Und dann füllten meine Schreie den dunklen Raum. Sein erfreutes Kichern hörte ich trotz meiner Schreie, als er seine Klinge nur wenige Millimeter neben meinem Herz in mich bohrte. 

Und somit hatte er auch meine mentale Wand durchbrochen, die ich solange aufrecht halten konnte. Ich befand mich in einem leeren dunklen Raum. Mein Körper voller Wunden, voller Dreck und Blut. Und von meinen Handgelenken baumelten die Ketten herunter, waren jedoch nirgends befestigt. Hektisch sah ich mich um, hörte von überall ein grässliches Kichern, es war seines und wieder nicht. Es mischte sich mit einem anderen fremden Kichern. Es kam von überall - ich schaffte es nicht, herauszufinden, wo genau er sich gerade befand.

»Habe ich es dir schon erzählt? Die Königsfamilie ist gefallen«, lachte mein Folterer in der Dunkelheit. 

»Du lügst! Das Königshaus lässt sich nicht so leicht abschlachten! Vor allem nicht von solch mickrigen Dämonen!«, schrie ich zurück, doch glaubte mir mittlerweile nicht mal mehr selbst. 

»Ach ja? Ich persönlich habe mit deiner jüngsten Schwester angefangen. Und weißt du, was ich alles mit ihr angestellt habe?«

»Esco...«, keuchte ich und sah mich weiter suchend um. Das durfte nicht wahr sein!

»Ich habe ihr die Haut langsam abgezogen und sie verspeist, während ihr Atem noch ging. Als letztes nahm ich mir ihr Herz und kostete davon. Ihre Schreie hallen noch immer in meinen Ohren. Wie köstlich sie war. Sie hat jeden Bissen mitbekommen, bis ich ihr Herz bis aufs letzte zerstört habe.«

»Nein...Nein! NEIN!«, rief ich und sackte auf meine Knie. 

»Deine ach so wundervolle Mutter wollte sie noch beschützen, doch unser König nahm sie, bevor er ihr das Herz herausriss und ihre Leiche zu der deines Vaters warf. Und ich glaube, ich brauche dir nicht detailliert erzählen, was wir mit deinen anderen Geschwistern und deinem Volk getan haben.« 

»Ich glaube dir nicht. Du lügst«, wimmerte ich und krümmte mich zusammen. »Du lügst. Du lügst. Du lügst.«

»Tut er nicht«, krächzte plötzlich eine andere Stimme. »Wer bist du?!« Hektisch richtete ich mich auf und sah mich wieder um. »Sie sind alle tot. Deine Familie und dein Volk wurden abgeschlachtet und jetzt gibt es nur noch die Walddämonen.«

»Das stimmt nicht. Du lügst doch!« 

»Rede es dir ruhig weiter ein, weißer Hirsch. Aber ich lüge nicht, genauso wenig lügt dein Foltermeister.«

»Was willst du von mir?«, fragte ich verzweifelt. Ich hatte einfach keine Kraft mehr. Ich hatte zu lange gekämpft, ich musste endlich aufgeben dürfen. Jetzt wo sie alle tot waren, hatte es sowieso keinen Sinn mehr zu kämpfen. Es war soweit. Ich konnte aufgeben. Meine Hoffnungen waren verloren.

»Gib noch nicht auf, weißer Hirsch. Ich kann dir helfen Rache zu nehmen. Du musst mir nur deine Hand geben.«

Eine knochige Hand erschien in der Dunkelheit direkt vor mir. Skeptisch sah ich sie an. Ich sollte ihm die Hand geben? 

»Wieso sollte ich das tun? Rache will ich nicht. Rache ist nicht der Weg des Lichts.«

»Ich spüre, dass du dich rächen willst, für das Leid, was sie deiner Familie angetan haben. Du brauchst Kraft, um Rache zu nehmen. Ich kann dir diese Kraft geben.«

»Und wenn ich bloß aufgeben und sterben will, um zu meiner Familie zu kommen? Denn das ist es, was ich will. Das Licht ist mein Schicksal, nicht die Dunkelheit, die mit Rache und Hass verseucht ist.«

»Dann wird deine Familie eben nicht die Rache bekommen, die sie verdient haben zu bekommen. Diese Walddämonen müssen ihren Platz kennen und du musst ihnen diesen zeigen. Viel zu lange hat dein Volk schon unter ihnen gelitten. Rache ist nicht nur Dunkelheit, Rache ist auch Licht. Ein gerechtes Licht, welches die Dunkelheit füttert, damit Sünder lernen, was Gerechtigkeit ist.«

»Du wirst mir diese Kraft geben?«, fragte ich leise und schaute wie hypnotisiert auf die knochige Hand. »Ja, ich werde dir so viel Kraft geben, wie du nur brauchst, weißer Hirsch, damit du deine Rache bekommst.«  Und dann schlug ich in die Hand ein. »Einverstanden, gib mir deine Kraft!« Sein krächzendes Lachen erfüllte die Dunkelheit, bevor sich zwei blutrote Augen rasant auf mich zubewegten. 

»So sei es, verfluchter Hirsch!«, krächzte er, bevor er in mir verschwand und ich unvorstellbare Schmerzen durchlitt und merkte, welchen Fehler ich begangen hatte. Meine Schreie hallten wie ein Echo in meinen Ohren wieder, spürte wie meine Seele schwarz wurde und all das Licht aus mir vertrieben wurde. Und dann befand ich mich wieder angekettet in der Zelle. Der Dämon vor mir grinste mich hämisch an, doch im nächsten Moment gefror es ihm. »Was hast du getan?!«

Brüllend riss ich die Ketten aus den Wänden und spürte wie sich mein Körper verformte. Mit meinen bloßen Zähnen riss ich dem Dämon seinen Kopf ab und mit meinen langen Klauen umschloss ich sein Herz, welches ich herausriss und zerquetschte. 

Ohne die Kontrolle über irgendeinen Teil meines Körpers zu haben, zerstörte ich die Tür meiner Zelle und brachte jeden einzelnen Walddämonen auf meinem Weg um. Brutal - ohne Sinn und Verstand.  

Meine eigenen Sinne rutschten immer weiter in den Hintergrund, als ich durch die Wälder streifte. Das verzerrte, krächzende Kichern in mir zog mich immer weiter in die Dunkelheit und so sehr ich versuchte dagegen anzukämpfen, um die Kontrolle zurück zu erlangen, meinen Fehler wieder gut zu machen, zog es mich unerbittlich immer tiefer. Und dann erblickte ich, durch mein letzten hellen Gedanken zwei blaue wölfische Augen, und das Wesen, welches noch in ihr heranwachsen würde und diese beiden schenkten mir neue Hoffnung. Ich konnte von dieser endlosen Dunkelheit befreit werden. 

Forest SpiritWo Geschichten leben. Entdecke jetzt