Vertraut

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Hermine spürte ihre Knie zittern, als das Adrenalin der Schlacht langsam ihren Körper verließ. Sie war - natürlich - überglücklich, aber ein hohles Gefühl stieg in ihr auf, machte sich langsam in ihr breit.

Sie beobachtete die Weasleys, die alle beisammen saßen und über den Verlust ihres Sohnes trauerten. Er fühlte sich falsch an, zu ihnen zu gehen; es war zu intim.

Hermine drehte sich um und schaute zu Parvati und Padma Patil, die sich über Lavenders leblosem Körper aneinander klammerten.

Sie beobachtete Harry, der alleine über Tonks und Remus gebeugt dastand. Harry war der Held des Tages und trotzdem war er jetzt alleine, eine Erinnerung an seine einsamen Jahre vor Hogwarts.

Sie dachte an Snape, dessen versteckten Körper sie für eine kurze Zeit vergessen hatte. Alleine in der heulenden Hütte.

Hermine zitterte. Sie sehnte sich verzweifelt nach ihren Eltern, die sicher in Australien waren, nichtsahnend gegenüber der Schlacht und die Rolle ihrer Tochter darin, gegenüber ihrer Tochter allgemein. Zaghaft verschränkte sie ihre Arme vor ihrer Brust, um ihr selbst etwas Halt zu geben.

Sie fühlte sich so klein, fehl am Platz. Und so müde. Ihre Rolle hier war erfüllt und sie schwebte in einem Raum voller Erfüllung - nicht gebraucht für Trost oder Ordnung in dieser Nachkriegsleere.

Sie sah Neville, der an ihr vorbeirannte und Madame Pomfrey und ein paar St. Mungos Heiler zu den Verwundeten steuerte. Neville, der immer so ein schüchterner und verlorener Junge war, als sie ihn das erste Mal traf, und er nach seiner Kröte suchte. Man würde sich an Neville erinnern als einer der größten Krieger des Widerstands.

Langsam ging sie durch den Schotter, durch die große Halle, und raus, raus, raus. Sie müsste dringend atmen. Sie musste die Sonne auf ihrem Gesicht fühlen, zittern, nicht vor Unwohlsein, sondern vor der kühlen Morgenluft im frühen Mai. Sie musste -

„Granger."

Auf der großen Treppe saß Draco ganz alleine und schaute über das Schulgelände von Hogwarts. Er lehnte gegen einen besonders großen Stein, der aus einer Wand gebrochen war. Seine Beine waren fast alltäglich auf den Stufen gekreuzt.

Hermine schaute ihn skeptisch an und er versuchte zu lächeln, aber es war offensichtlich, dass er zu müde war. Er war dreckig - voll mit Schlamm, Blut und Ruß vom Raum der Wünsche. Er sah angeschlagen aus. Aber sie vermutete, dass sie wahrscheinlich ähnlich aussah.

„Du bist noch hier."

„Bin ich."

Sie hatte vermutet, dass die Malfoys das Gelände sofort verlassen hätten, als Voldemort gefallen war, genau wie viele seines Gefolges. „Warum?"

Er antwortete zuerst nicht, sondern schaute stattdessen Richtung Verbotener Wald. Hermines Blick folgte seinem und die Sicht war zu friedlich, als dass sie das Recht dazu hatte - Morgennebel stieg von den Baumkronen aus und der See am Waldrand war ganz ruhig. Es war jedoch nicht ganz so still, wie sie erwartet hatte; die Vögel zwitscherten laut. Es war schön.

„Meine Eltern sind ins Manor gegangen. Sie hatten Panik - wollen alle... Überreste loswerden."

„Und du? Du könntest verhaftet werden für das Ding an deinem Arm, wenn du einfach hier bleibst."

„Ich werde sowieso verhaftet. Wenigstens hab ich hier einen schönen Ausblick."

Er hörte sich genau so angeschlagen an, wie er aussah, dachte Hermine. Sie seufzte und setzte sich langsam neben Malfoy auf die Treppe. Niemand anders schien das Schloss zu betreten oder zu verlassen, es gab nur sie für einen Moment, nebeneinander, langsam atmend, die Szenerie und die Morgenluft genießend. Alles schien wie angehalten.

Malfoy räusperte sich und Hermine drehte ihren Kopf, nur um ihn zu sehen, wie er ein bisschen näher zu ihr rückte. Sein rechter Arm folgte seine Bewegung unbeholfen, die Verbrennung vom Dämonenfeuer war an seinem Handgelenk zu erkennen.

Ohne nachzudenken nahm sie den Diptam, den Madame Pomfrey ihr für ihre eigenen Verbrennungen gegeben hatte, aus der Tasche ihres Pullis und tat etwas auf Malfoys Haut. Er beobachtete ihre vorsichtigen Bewegungen und Hermine konnte die Spannung und den Schmerz spüren, die ihn verließen, als sie die Salbe auf seinem Handgelenk verteilte.

„Hast du Diptam zu Hause?"

Er klang fast wie er selbst als er höhnte: „Natürlich. Aber denkst du, sie haben Diptam in Azkaban?"

„Ich weiß, ich habe das vorhin gesagt, aber ich denke nicht, dass du heute verhaftet wirst, Draco."

Er grunzte wieder und hörte sich diesmal wirklich an wie er selbst.

Sie tätschelte vorsichtig sein Handgelenk und streckte die Dose wieder zurück in ihre Tasche, ihr Blick fiel wieder zurück auf Schlossgelände. Sie waren immer noch alleine, die Sonne ging jedoch schon auf. Wenn sie intensiv auf den Wald starrte, der dürre Körper neben ihr, fühlte es sich fast an wie ein normaler Morgen in ihrem sechsten Schuljahr.

Draco bewegte sich wieder vorsichtig, und sie tat ihm den Gefallen, nicht hinzuschauen, sie vermutete, dass er seinen Taten ziemlich bewusst war, wenn man die vergangen Monate betrachtete. Sein Atem war flach, als sich sein Arm sanft auf ihre Schulter legte.

Hermine lehnte sich in die unbeholfene Umarmung und lächelte leicht.

„Ich bin so froh, dass du da bist, Draco."

Sie wusste, dass ihre Stimme all den Schmerz und die Verwirrung und Einsamkeit, die sie fühlte, offenbarte - ihm. Er verstand die Aufruhr in ihr, was sie jetzt brauchte, besser als irgendwer anders. Seine Arme schlossen sich enger um ihre Schultern und Hermine drehte ihren Kopf zu ihm.

Als er seinen Kopf auf ihre Haare legte, konnte Hermine spüren, wie die Spannung sie beide verließ.

Sie hob ihr Kinn und legte ihre Lippen auf seine. Es war fast ein Jahr her, aber es war
vertraut.

Harry Potter - OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt