Schattenreisen

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Es war viertel vor zwölf. Nico musste sich beeilen. 

Er war viel zu spät aufgewacht. 

Selbst wenn er im Schatten zu Hades reisen würde, würde er nicht innerhalb der nächsten viertel Stunde bei seinem Vater in der Unterwelt sein. 

Hades hatte ihn gebeten, ihm bei der Planung neuer Bauten auf Elysium zu helfen und Nico hatte sich die gesamten letzte Woche Pläne und Skizzen gemacht, da er sehr viele Ideen hatte die er seinem Dad unbedingt vorstellen wollte. 

Dies würde um die drei bis vier Stunden beanspruchenden. Am Abend gab es noch ein riesiges Fest, da Clarisse Geburtstag hatte und sie eine Party schmeißen wollte. Darauf hatte er zwar überhaupt keine Lust, aber wenn er nicht käme, wäre es auch irgendwie blöd. 

Als er dann endlich bei seinem Vater war, zeigte er ihm seine Pläne und dieser fand sie auch recht gut, doch konnte natürlich nicht alle umsetzten. Man hatte schließlich nur begrenzten Platz. Also mussten sie sich für drei Sachen von seinen fünfzehn Ideen entscheiden, was circa dreieinhalb Stunden beanspruchte. 

Er musste sich beeilen. 

Es war schon acht Uhr und die Party ging in fünf Minuten los. 

Als er ging, lies er Hades seine Pläne da, damit er sie an seine Architekten weiter geben konnte. 

Nachdem er wieder im Camp war, spürte er, dass ihm leicht schwindelig wurde. Doch er beachtete es nicht weiter. Das hatte er manchmal, wenn er per Schatten reiste. 

Er ging zum Strand, wo schon einen Menge Leute herum standen. 

Es war ein einziges Stimmengewirr. Vereinzelt hier und da ein lautes Lachen. 

Er sah Percy und Annabeth im Wasser stehen und Jason und Piper am Lagerfeuer sitzen, während sie Leo dabei beobachteten, wie er mit den Flammen spielte. Doch seinen Sonnenjungen sah er nirgends. Also beschloss er, sich irgendwo alleine hinzusetzen und die Sterne an zu sehen. 

Als er also zu einem etwas abgelegenen Stück Strand ging, merkte er, wie ihm immer schlechter und schwindeliger wurde. Seine Beine fühlten sich an, als bestünden sie aus Wackelpudding. Er war froh, als er einen Baumstamm fand, auf den er sich setzten konnte. 

Das war ihm schon lange nicht mehr passiert. 

Er war es gewöhnt, dass ihm schwindelig, oder auch teilweise etwas schlecht war, aber normaler Weise verging das nach ein paar Minuten, doch es wurde immer schlimmer. Er war erschöpft und müde und wollte eigentlich nur noch ins Bett. 

Nach circa drei Stunden, in denen er da alleine saß, stand er auf und lief in Richtung seiner Hütte. 

Doch weit kam er nicht. Als er ungefähr die Hälfe des Weges geschafft hatte spürte er, wie seine Beine unter ihm nachgaben und er fiel. 

„Fuck!", stöhnte er. 

Doch er kam nicht auf dem harten Boden auf, da ihn zwei Arme auffingen. „Oh Gott! Will! Wo ist Will? Kann jemand Will holen?", rief die Person. 

Er erkannte die Stimme, doch konnte sie keiner Person zuordnen. Aber Nico hatte nicht die Kraft dazu, sich umzudrehen und die Person anzusehen. 

Das einzige, was er in dem Moment wusste, war, dass er zu Will wollte. Ihm tat alles weh, sein Magen verzog sich und das einzige, was er brauchte, war zu wissen, dass Will bei ihm war. 

 Doch er spürte seine Anwesenheit nicht in seiner Nähe.  In dem Moment wurde alles Schwarz und er sackte in sich zusammen.

Als er wieder aufwachte sah er, dass er auf der Krankenstation lag. Um seinen Kopf war eine dicke weiße Mullbinde gewickelt und in seinem rechten Arm steckte eine Infusion. „...nicht, was passiert ist. Leo hat ihn aufgefangen und hat nach mir gerufen. Dann ist er verschwunden, zehn Meter weiter wieder aufgetauchten und auf dem Boden aufgeschlagen.", sagte eine vertraute Stimme. „Kannst du dir das nicht irgendwie erklären, Will? Ich meine, du bist doch sein Freund. Der einzige, der ihn gut kennt.", sagte eine andere Stimme. „Nein, tut mir leid Chiron. Ich weiß es nicht. Ich habe eine leise Vermutung, aber so schlimm war es noch nie.", sagte die ersten Stimme wieder. Es war definitiv Will's. 

„Argh!", stieß Nico aus, als er sich aufrichten wollte. Erst jetzt merkte er, dass auch seine linke Hand verbunden war. Anscheinend aus gutem Grund. 

„Götter, Neeks! Wie geht es dir? Was war denn los?", rief Will und sah ihn mit Sorgen erfülltem Gesicht an. „Ich weiß es ehrlich gesagt auch nicht. Ich war bei meinem Vater, weil wir doch Elysium zusammen pla...", doch weiter kam Nico nicht, da Will ihn unterbrach. „Ich hab dir schon hundert mal gesagt, dass du mit dem Schattenreisen aufhören sollst. Wenn du so weiter machst, wirst du dann irgendwann nicht mehr aufwachen und was soll ich dann machen? Dann bin ich ganz alleine!", rief er. 

Chiron trabte davon. Anscheinend wollte er Will bei seiner kleinen Ansprache nicht stören. 

„Sunnyboy. Es ist alles gut. Ich weiß nicht was, welchen Tag haben wir heute?" „Donnerstag." „Was vorgestern passiert ist. Ich war bei Dad und mir war schwindelig. Wie sonst auch manchmal. Aber es wurde irgendwie immer schlimmer und ich weiß auch nicht mehr. Ich wollte mich hinlegen, weil ich müde war und auf dem Weg zu meiner Hütte haben meine Beine einfach nachgegeben. Irgendwer hat mich aufgefangen, ich habe keine Ahnung wer. Das einzige, was ich in der Sekunde wollte, war deine Nähe. Ich hab dich den ganzen Abend am Strand gesucht. Ich wollte bei dir sein und dir von den Plänen erzählen, die Dad und ich für Elysium haben. Aber du warst nicht da. Auf jeden Fall hat die Person nach dir gerufen und dann wurde mir noch schlechter, alles verschwamm und wurde schwarz." 

„Du hast dich aufgelöst, circa zehn Meter weiter wieder aufgetaucht und bist mit deiner Hand zuerst und dann mit deinem Kopf auf den Boden gekracht. Wie hast du das gemacht, wenn du doch bewusstlos warst?", fragte Will. 

„Ich habe keine Ahnung. War es dort dunkel, wo Leo mich aufgefangen hat?" 

„Naja, also ja, irgendwie schon. Ich meine, es war halt Nacht." 

„Na gut, also, dann bin ich schattengewandelt ohne das ich es wollte. Vielleicht sollte ich in nächster Zeit ein bisschen weniger schattenreisen.", lenkte Nico ein. „Sehr gute Idee, aber Hauptsache dir geht es schnell wieder besser. Brauchst du noch mehr Ambrosia oder Nektar oder so was?", fragte Will mit einem Lächeln auf den Lippen. 

Nico grinste: „Ja, bitte. Meine Hand tut mir schon echt weh, aber ich brauch noch etwas viel dringenderes.", sagte Nico mit gespielter Angst. 

Will's Augen wurden riesig. „Alles was du willst!", sagte er sofort, ohne zu zögern. 

Nico setzte sich auf und zog Will an sich heran. „Ich liebe dich, Will Solance. Vergiss das niemals!", sagte er und küsste ihn und dieser Kuss half Nico noch mehr, als es Ambrosia und Nektar jemals hätten tun können. 

Er spürte nichts mehr. Keine Schmerzen, kein Schwindel und keine Wackelpudding-Beine mehr. Und als sich beide wegen Atemnot von einander lösten, stand Nico, so gut es ging, auf und umarmte Will. 

„Ich liebe dich auch, Nico di Angelo." 

Percy Jackson HeadcanonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt