Kapitel 33

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Er verstaute die Fotos in einem Briefumschlag, den er wiederum in der untersten Schublade seines Schreibtisches versteckte.
Dort würde Gwendolyn die nächsten Tage wahrscheinlich nicht hinein sehen.

Fred wusste sofort, was er als nächstes zu tun hatte.
Er musste zu Gwendolyn ins Café.

Womöglich hielt sich der Stalker in diesem Moment auch dort auf und wartete auf eine gute Gelegenheit, um weitere perverse Fotos von ihr zu schießen.
Oder ihr Schlimmeres anzutun.

Fred hatte keine Zeit mehr zu verlieren.
Ohne sich Gedanken um sein Aussehen zu machen, verließ er die Wohnung und rannte die Straße entlang, Richtung Café.

Die verwunderten Blicke der Passanten interessierten ihn nicht.
Hin und wieder rempelte er sogar ein paar von ihnen an.
Er blendete einfach alles um sich herum aus.
Selbst die Verkehrsregeln missachtete er.

Als er das Café endlich erreicht hatte, war er völlig aus der Puste.
Mit einem Taschentuch wischte er sich den Schweiß von der Stirn.
Sein Anblick zog die neugierigen Blicke der Gäste auf sich.
Vielleicht befand sich der Stalker bereits unter ihnen.

Fred musterte jeden einzelnen Gast.
Er wartete nur darauf, dass sich irgendjemand auffällig verhielt.

Gwendolyn eilte aus der Küche zu ihm.
"Fred, was ist passiert? Geht's dir gut?"
Sie wirkte besorgt und verwirrt zu gleichen Teilen.
"Nichts ist passiert. Ich wollte dich einfach nur sehen."
"Aber du bist total geschwitzt..."
Fred zuckte mit den Schultern.
"Na und? Weißt du eigentlich, wie heiß es draußen ist? Da kommt man eben schon mal ins Schwitzen."

Gwendolyn packte Fred am Arm und zerrte ihn in die Küche.
Sie wollte nicht, dass die Gäste etwas von dem Gespräch mitbekamen.
"Wenn du meine ehrliche Meinung hören willst... Ich glaube, du hast Fieber."
"Hä?"
"Gestern Abend ging es dir doch auch schon so schlecht. Du brütest wahrscheinlich eine Krankheit aus."
Fred sah seine Freundin mit verständnislosem Blick an.
"Was redest du da? Ich bin kerngesund. Mir geht's prima."
"Das sehe ich anders. Ich muss dich leider nach Hause schicken. Du brauchst Bettruhe."

Sah er denn wirklich so krank aus?
Selbst wenn, das spielte keine Rolle.
Er musste alles dafür tun, um Gwendolyn vor ihrem Stalker zu schützen.
Das ging nun mal nicht, wenn er zu Hause im Bett vor sich hin vegetierte.

"Zum Teufel mit der Bettruhe."
"Was soll das? Muss ich dich erst zwingen?"
"Ich werde dieses Café nicht verlassen."
"Oh doch, das wirst du."
"Nein."
"Es ist ja nicht so, dass ich dich nicht hier haben will. Ich freue mich immer, wenn du kommst, aber du bist krank und solltest dich lieber ausruhen. Das ist überhaupt nicht böse gemeint."
"Vergiss es, ich bleibe hier", verkündete Fred mit leicht aggressivem Blick.

Am liebsten hätte er ihr erzählt, dass sie einen gewalttätigen Stalker hatte, der sogar gewillt war, sie zu töten.
Dann hätte sie verstanden, wieso es so wichtig war, dass er in ihrer Nähe blieb.
Aber er wollte sie nicht beunruhigen.

"Also langsam machst du mir ein bisschen Angst", sagte Gwendolyn.
Noch nie zuvor hatte Fred auf diese Art mit ihr gesprochen.
Sie wollte doch bloß, dass er nach Hause ging und sich ausruhte.
Warum wurde er deswegen so wütend?
Und warum bestand er so wehement darauf, im Café zu bleiben?

"Entschuldige, ich bin wohl etwas laut geworden. Kein Grund Angst zu haben."
"Schon gut. Du musst jetzt aber wirklich gehen. Wenn Annabell kommt und sieht, dass sich ein Kranker in der Küche aufhält, wird sie dich sowieso rausschmeißen."
"Du verstehst das nicht."
"Ja, da hast du recht. Erklär mir doch einfach mal, wieso du hier so ein Theater machst."
"Das kann ich nicht."
"Na gut, dann geh jetzt bitte nach Hause."
"Ich hab es dir schon mal gesagt. Das geht nicht."
Langsam riss Gwendolyn der Geduldsfaden.
"Geh jetzt."
"Nein."

"Ich hab keine Lust mehr, mit dir zu diskutieren. Du gehörst ins Bett. Außerdem störst du mich bei der Arbeit."
Auch Gwendolyns Stimme war nun etwas lauter geworden, aber da war Fred selbst schuld.
Wie konnte er nur so egoistisch und stur sein?

"Ich störe dich? Ich dachte, du freust dich über meinen Besuch", antwortete er, dieses Mal in einem noch aggressiveren Ton.
"Normalerweise tu ich das auch, aber im Moment bist du unerträglich!"
"Du kannst sagen, was du willst. Ich bleibe hier."

Gwendolyn hielt es nicht länger aus.
Sie musste ihrer angestauten Wut irgendwie Luft machen.
Ohne großartig darüber nachzudenken, schlug sie Fred mit der flachen Hand ins Gesicht.

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