Kapitel 42

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„Na was ist? Rückst du jetzt endlich mit der Sprache raus?"
„Ich weiß doch genauso wenig wie du, was hier abgeht", keuchte Oskar, der sich selbst wunderte, wo diese Worte auf einmal herkamen.

„Willst du mich verarschen? Du bist doch derjenige, der mir immer diese bescheuerten Pakete vor die Tür gestellt hat!"
„Nein, du irrst dich..."
„Sag mir endlich, was du mit dieser ganzen Sache zu tun hast! Warst du es, der die Fotos von Gwendolyn gemacht hat?"
„Welche Fotos? Ich weiß echt nicht, wovon du redest."
„So, du weißt es also nicht? Dann werde ich deinem Gedächtnis mal ein bisschen auf die Sprünge helfen. Du bewegst dich keinen Zentimeter, ist das klar?"

Während Fred langsam aus dem Zimmer verschwand, spielte Oskar mit dem Gedanken, sich einfach aus dem Staub zu machen. Allerdings würde er sich damit nur noch verdächtiger machen.
Er musste Fred irgendwie von seiner Unschuld überzeugen.

Nach wenigen Sekunden kam Fred mit einem Stapel Digitalfotos zurück, die er alle vor Oskar ausbreitete.

Zwei Bilder zeigten eine blonde Frau, die scheinbar den Namen „Lana" trug.
Der Rest bestand aus wahllosen Aufnahmen von Gwendolyn, die der Fotograf offensichtlich in großer Eile gemacht hatte. 

„Und? Willst du weiterhin behaupten, dass du nichts damit zu tun hast? Und dann noch diese Morddrohung... Das warst auch du, stimmt's?"
„Morddrohung? Moment mal..."

Langsam schien Oskar zu begreifen, was sich hier abspielte.
Fred fischte das Foto heraus, auf dem seine Freundin fröhlich lächelte und zeigte ihm die Rückseite.

„Wenn das einer von deinen Scherzen ist, verzeih ich dir das nie im Leben. Dann war's das mit unserer Freundschaft."
„Ich fürchte das ist kein Scherz... Leider."
„Was willst du damit sagen?"
„Okay, wenn du die Pistole weglegst und versprichst, nicht auszurasten, erzähl ich dir alles was ich weiß."

Fred gehorchte und legte die Waffe beiseite.
„Ich hör dir zu."

„Das klingt jetzt wahrscheinlich ziemlich verrückt, aber vor ein paar Tagen bin ich entführt worden. Ich hab erfahren, dass Charlotta dahinter steckte. Sie ist quasi die Komplizin eines Psychopathen, der aus irgendeinem Grund das Ziel hat, Menschen zu töten. Ich hab wirklich überhaupt keine Ahnung, wer dieser Typ sein könnte. Jedenfalls hat er vorgehabt, mich zu töten, aber Charlotta konnte ihn überzeugen, das nicht zu tun. Dafür sollte ich allerdings etwas für ihn erledigen, nämlich dieses Paket zu dir zu bringen. An meiner Stelle wird jetzt jemand anderes sterben müssen und meine Vermutung ist, dass er sich Gwendolyn dafür ausgesucht hat..."

Fred wirkte wie erstarrt. Seitdem Oskar angefangen hatte zu erzählen, hatte er kein einziges Mal geblinzelt. 

„Ich weiß, das klingt alles nach einem ausgedachten Märchen, aber du musst mir glauben. Ich sage die Wahrheit."
„Hm. So absurd finde ich das gar nicht."
„Nicht?" Oskar war überrascht, aber vor allem erleichtert.
Fred schien ihn endlich nicht mehr zu verdächtigen.

„Das würde zum Beispiel erklären, wieso du nicht mehr zur Uni gekommen bist und warum du nicht auf meine Nachrichten geantwortet hast, aber...", plötzlich fiel Fred etwas ein, „mit Charlotta hast du komischerweise trotzdem gechattet."
„Was? Nein, hab ich nicht."
„Doch. Sie hat es mir auf ihrem Handy gezeigt."
„Unmöglich, das war ich nicht. Sie muss dich getäuscht haben. Ich will nichts mehr mit ihr zu tun haben, sie ist genauso krank wie der Mörder selbst."
„Gut, dass du das so siehst. Dann muss ich dich in Zukunft nicht mehr auf nervige Dates begleiten."
„Jetzt beschwer dich nicht, immerhin warst du es doch, der das Doppeldate vorgeschlagen hat."
„Hast Recht. Aber anstatt hier fröhlich rumzuquatschen, sollten wir lieber überlegen, wie wir Gwendolyn retten können."

Oskars Blick fiel aus das Paket, welches immer noch ungeöffnet unter seinem Arm klemmte.
„Lass uns erstmal sehen, was sich hier drin verbirgt."
„Das weißt du nicht?"
„Nein, die haben mir strengstens verboten, das Paket zu öffnen. Vielleicht befinden sich geheime Informationen darin."
„Das bezweifle ich."

Fred ging in die Küche, um das Messer zu holen, mit dem er auch die anderen Pakete geöffnet hatte.
Was für eine schreckliche Überraschung ihn wohl dieses Mal erwartete?

Er hockte sich neben Oskar auf den Boden und starrte das Paket eindringlich an, als könnte er durch den Karton hindurch sehen.

„Soll ich es öffnen? Ich kann mir vorstellen, dass es schwierig für dich ist."
Fred winkte ab.
„Ach was. Gib schon her."
Er wusste, dass er keine Zeit mehr zu verlieren hatte. Ohne großartig über den Inhalt des Pakets nachzudenken, schnitt er es einfach auf.

Dieses Mal befand sich nur ein einziges Foto auf dem Paketboden.
Seine schlimmste Befürchtung wurde durch dieses Bild bestätigt.
Es zeigte Gwendolyn, scheinbar bewusstlos, in einem kleinen, engen Raum liegend.
Neben ihr kniete eine Person mit Dämonenmaske, die triumphierend ihren Mittelfinger in die Kamera hielt.

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