Kapitel 47

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Ein letztes Mal überprüfte Oskar, ob die Luft rein war. Er musste ganz sicher gehen, dass sich auch wirklich niemand mehr im Keller aufhielt.

Er hatte mitbekommen, wie Charlotta Gwendolyn in eine Fallgrube im Boden geschubst hatte.
In diesem Moment wäre er am liebsten aus seinem Versteck gekommen, um in das Geschehen einzugreifen, doch sein Verstand hielt ihn davon ab.
Er wusste, dass er nicht der Stärkste war.

Hätte er tatsächlich versucht, Charlotta aufzuhalten, wäre er womöglich selbst in der Grube gelandet, was seinen Plan komplett über den Haufen geworfen hätte.
Das wichtigste war jetzt erstmal zu schauen, ob es Fred gut ging.
Hoffentlich war ihm nichts zugestoßen. 

Vorsichtig lugte Oskar hinter dem kleinen Holzschrank hervor.
Er hatte sich hinknien müssen, um nicht von Clownface oder Charlotta gesehen zu werden.
Durch seine Beine zog sich ein unangenehmes Taubheitsgefühl.
Mehrere Stunden hatte er in dieser unbequemen Position ausgeharrt.

Langsam tastete er sich aus seinem Versteck heraus.
Seine Knie waren völlig verschmutzt, was er jedoch getrost ignorierte.

Nun galt es, keine Zeit mehr zu verlieren.
Die Eisentür ließ sich ohne Probleme öffnen.

Der Anblick des Raums löste ein unwohles Gefühl in Oskar aus. Hier war er aufgewacht, nachdem Charlotta ihn entführt hatte.
Hier hätte er eigentlich sterben sollen.
In seinem Hals bildete sich ein dicker Kloß.

Sein Blick fiel auf Fred, der noch nicht bemerkt zu haben schien, dass er nicht länger allein im Raum war. Er war vollkommen darauf konzentriert, seine Fesseln loszuwerden.
Auch als Oskar sich näherte, hörte er nicht auf, wie wild an den Seilen zu zerren.

„Fred, beruhig dich mal. Ich bin jetzt hier."
Oskar hockte sich neben seinen Freund und befreite ihn von den Fesseln. 
„Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat."

Nachdem er alle Seile entfernt hatte, bemerkte er die blutigen Einschnitte in Freds Armen.
Wie es aussah, hatte er schon seit einer ganzen Weile versucht, irgendwie frei zu kommen.

„Mann, was soll das? Du wusstest doch, dass ich kommen würde, um dich hier raus zu holen. Wieso hast du deine Kräfte nicht aufgespart, um Gwendolyn zu retten? Hast du unseren Plan vergessen?"
„Hä? Ich verstehe gar nichts mehr. Was für ein Plan?"
Fred streckte seine Arme und ließ dabei die Gelenke knacken.
„Du kannst dich also wirklich nicht erinnern?"
„Nein. Das einzige was ich weiß ist, dass meine Freundin gerade von einem psychopathischen Irren vergewaltigt wurde."

Freds Gesicht lief rot an und in seinen Augen bildete sich ein Film aus Tränen.
„Scheiße..."
„Du sagst es.
„Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich nicht..."
„Was hättest du nicht?"
„Egal, uns bleibt keine Zeit mehr. Ich weiß, wo Gwendolyn ist. Zusammen können wir sie sicher irgendwie daraus holen."

„Du weißt, wo sie ist? Warst du bei ihr? Wie geht's ihr denn?"
Freds Stimme klang wieder ein bisschen hoffnungsvoller.
„Naja, ich weiß nichts Genaueres. Ich hab nur mitbekommen, dass Charlotta sie in eine Art Fallgrube hinunter gestoßen hat."

„Also ist es nicht einmal sicher, ob sie überhaupt am Leben ist?!"
„Sicher kann man das nicht sagen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses Loch so tief ist, dass allein der Aufprall ausreichen würde, um sie zu töten."
Fred wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
„Du hast Recht. Lass uns keine Zeit mehr verlieren. Zeig mir, wo sie Gwendolyn festhalten."

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