Kapitel 21

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"Das macht dann zwölf Euro achtzig."
"Machen Sie fünfzehn."
"Danke."
"Hätten Sie vielleicht Lust, mal einen Kaffee mit mir zu trinken?"

Der Mann war um die dreißig und sah verhältnismäßig attraktiv aus.
Er würde total gut in Emilys Beuteschema passen.

"Tut mir leid, ich bin vergeben", antwortete Gwendolyn mit leicht genervtem Unterton.
Anfangs hatte sie sich immer geschmeichelt gefühlt, wenn sie von gutaussehenden Männern angesprochen wurde, doch mittlerweile hatte sie es satt, ständig die enttäuschten Gesichter zu sehen, die sie jedes Mal abwimmeln musste.

Wäre sie Single gewesen, hätte sie sicher die ein- oder andere Einladung angenommen.
"Verstehe. Schönen Tag noch", sagte der Mann mit einem höflichen Lächeln auf den Lippen.
Das war sicher nicht das letzte Mal, dass dieser Mann das Café aufsuchen würde, da war Gwendolyn sich sicher.

Sie räumte das Geschirr ab und brachte die dreckigen Teller in die Küche, wo Annabell bereits auf sie wartete.
"Dein Glück möchte ich auch mal haben."
"Was meinst du damit?"
"Hast du dir diesen Typen mal genauer angesehen? Ich hätte alles dafür gegeben, um mit ihm ausgehen zu können",schwärmte sie.
"Der kommt bestimmt nochmal wieder, dann kannst du ihn ja fragen."
"Ist das dein Ernst? Als ob der an einer wie mir interessiert ist!"
"Du wirst es nie erfahren, wenn du es nicht versuchst."

Annabell war die Art von Kollegin, mit der man sich auf der Arbeit gut verstand, aber eben nicht gut genug, dass es für eine richtige Freundschaft ausreichte.
Privat hatte Gwendolyn sich noch nie mit ihr getroffen und dabei würde es wohl auch bleiben.

Sie hörte, wie sich die Tür öffnete und schon wieder ein Gast herein kam.
Dabei hatte das Café seit nicht einmal einer halben Stunde geöffnet.
"Ich geh schon", sagte sie zu Annabell, die damit begonnen hatte, das Geschirr zu spülen.
"Wenn es nochmal der Mann von eben ist, sag ihm, dass er mal in der Küche vorbeischauen soll."
"Ist gut."

Zu Annabells Enttäuschung war es nicht der gutaussehende Mann, sondern Fred, der das Café betrat.
Gwendolyn freute sich sehr über die angenehme Überraschung, war aber gleichzeitig auch etwas verwundert.
"Hey, was machst du denn hier? Solltest du nicht noch in der Uni sein?"
"Da hab ich es heute nicht ausgehalten. Oskar ist nicht gekommen. Ich wäre vor Langeweile fast gestorben."
"Das glaub ich dir aufs Wort. Wieso war er denn nicht da?"
"Weiß nicht. Ich hab ihn schon mit Nachrichten zugespammt, aber er antwortet nicht."
"Vielleicht braucht er mal ein bisschen Ruhe vor dir."
"Was soll das denn heißen?"
"Dass du manchmal echt anstrengend sein kannst."
"Ich geb mein Bestes."

"Wo du schon mal hier bist, willst du etwas essen? Das geht natürlich auf mich."
"Da kann ich schlecht nein sagen. Na gut, dann nehme ich eine Waffel mit Sahne und heißen Kirschen."
"Kommt sofort, der Herr."

Fred setzte sich an einen Tisch am Fenster und wartete auf seine Bestellung.
Währenddessen überprüfte er mehrmals die Nachrichten auf seinem Handy.
Er fragte sich, ob er gestern vielleicht etwas zu gemein zu Oskar gewesen war.
Möglicherweise war dies der Grund, weshalb er heute nicht gekommen war.

Oskar konnte sich aber auch echt anstellen.
Er war den ganzen Tag noch nicht online gewesen.
Fred wandte sich von seinem Handy ab und schaute sich im Café um.
Außer ihm waren noch drei weitere Gäste anwesend, die alle recht einsam wirkten.

Plötzlich öffnete sich die Eingangstür und Fred zuckte zusammen, als er die Person erkannte, die gerade das Café betrat.

Warum musste Amalia ausgerechnet jetzt hier auftauchen?
Wenn sie ihn sah, würde die sich garantiert zu ihm setzen.
Und wenn Gwendolyn mit der Waffel zurück kam, würde sie mit Amalia reden und die würde ihr dann irgendeine Lügengeschichte über ihre Vergangenheit auftischen.
Fred würde nicht einmal beweisen können, dass sie nicht die Wahrheit erzählte und dass es völlig berechtigt gewesen war, dass er den Kontakt zu seiner Schwester abgebrochen hatte.

Er senkte den Kopf, in der Hoffnung, dass Amalia ihn nicht erkannte.
Was sollte er jetzt nur tun?

Wenn er einfach abhauen würde, ließ ihn das nur verdächtig erscheinen.
Außerdem hatte er keine Lust, wegen der Mistkröte die leckere Waffel zu verschmähen.

Er konnte nur hoffen, dass sie nicht in seine Richtung schaute.

Doch natürlich passierte genau das.

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