Kapitel 36

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Gedankenverloren spülte Gwendolyn das schmutzige Geschirr ab.
Freds seltsames Verhalten heute morgen ließ ihr keine Ruhe.
Aus welchem Grund hatte er so sehr darauf bestanden, im Café zu bleiben?

"Du wirst heute irgendwie abwesend. Ist etwas passiert?"
Annabells sanfte Stimme stoppte endlich ihr endloses Gedankenkarussell.
"Ja, kann man so sagen. Es geht um Fred."
"Deinen Freund? Das hört sich aber gar nicht gut an. Habt ihr Stress?"
"Wir hatten eben einen Streit, der zum Ende hin ziemlich ausgeartet ist..."

Annabells Augen weiteten sich vor Neugier.
"Komm schon, erzähl mir alles."
"Also gut."

Gwendolyn räusperte sich, während sie die sauberen Teller im Schrank verstaute.
Sie berichtete in allen Einzelheiten über den Vorfall und ließ kein Detail aus.
Annabell hörte gespannt zu.
Sie liebte es, wenn es etwas Neues zum Tratschen gab.

"Du hast ihn geschlagen?"
"Ja. Meinst du, das war falsch?"
"Vielleicht, aber mach dir deswegen keine Vorwürfe. Du warst eben wütend, da kann sowas mal passieren. Er wird das sicher verstehen. Und lass dir nachher auf jeden Fall von ihm erklären, aus welchem Grund er sich so merkwürdig verhalten hat. Dann kannst du es vielleicht besser nachvollziehen."

"Ich hoffe, dass du damit Recht behältst. Wie ich ihn kenne, wird er wahrscheinlich nicht sofort mit der Wahrheit rausrücken. Wenn es irgendwelche Probleme gibt, fällt es ihm immer wahnsinnig schwer, darüber zu sprechen."
"Ja, das ist manchmal schwierig, aber notwendig. Wenn man nicht über das redet, was einen bedrückt, kann eine Beziehung nicht funktionieren."

Gwendolyn zuckte zusammen.
In den ganzen drei Jahren, in denen sie mit Fred zusammen war, hatten sie nie über ernsthafte Probleme geredet.

Jedes Mal, wenn sie Fred nach etwas Derartigem fragte, wimmelte er sie sofort ab und versicherte ihr, dass alles in Ordnung war, auch wenn alle Indizien dagegen sprachen.

Eigentlich wusste sie fast nichts über die Dinge, die Fred täglich beschäftigten.
Sie selbst hingegen erzählte ihm immer sofort, wenn irgendetwas nicht stimmte.
So konnte es auf keinen Fall weitergehen.

Annabell hatte vollkommen Recht mit dem, was sie sagte.
Diese Heimlichtuerei war kein gutes Fundament für eine Beziehung.
Eher ein feststehendes Todesurteil.

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