Kapitel 20

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Es war bereits spät am Abend.
Oskar hatte den ganzen Tag damit zugebracht, im Internet zu surfen.
Hin und wieder hatte er auch bei "Para.Secrets" vorbeigeschaut, nur um festzustellen, dass Charlotta nicht online war.
Selbst wenn sie online gewesen wäre, er hätte sich sowieso nicht getraut, sie anzuschreiben.
Und sie hätte ihn auch nicht angeschrieben.

Wie Fred schon sagte, sie schien momentan kein Interesse an ihm zu haben.
Diese Tatsache war für Oskar nur schwer zu verdauen.
Das schlimmste daran war, dass er sich einfach nicht erklären konnte, wie es dazu gekommen war.

Lag es etwa wirklich daran, dass er sie nach dem Date ein paar Tage vernachlässigt hatte?
Er konnte sich keinen Reim darauf machen.

Charlotta gehörte eigentlich nicht zu der Art Mädchen, die wegen solchen Dingen einen großen Aufriss machten.
Andererseits, was verstand er schon von Mädchen und deren Gefühlen?

In den zweiundzwanzig Jahren, in denen er sein Dasein nun schon auf der Erde fristete, war Charlotta das erste Mädchen gewesen, mit dem er halbwegs normal reden konnte.
Der Gedanke daran machte ihn umso trauriger.
Ein weiteres Mal überprüfte er Chatlottas Onlinestatus, der sich jedoch immer noch nicht verändert hatte.
Wahrscheinlich würde das auch heute nicht mehr passieren.
Resigniert schaltete Oskar den Laptop aus.

Es war sicher das beste, wenn er sich einfach ins Bett legte und nie wieder aufstand.
Er wollte es sich gerade gemütlich machen, da hörte er plötzlich einen lauten Knall, der aus dem Badezimmer zu kommen schien.
Das laute Geräusch hatte ihn so sehr erschreckt, dass sein Herzschlag für einen kurzen Moment aussetzte.

Er redete sich ein, dass es eine Shampoo Flasche gewesen war, welche auf den Boden gefallen war, doch sein logisch denkender Verstand wusste, dass dies unmöglich die Erklärung für das laute Geräusch sein konnte.
Es hatte sich eher so angehört, als sei jemand durch das Fenster eingestiegen.
Ein Einbrecher.

Oskar bemühte sich, leise zu sein, damit der Eindringling nicht auf ihn aufmerksam wurde.
Vielleicht hatte er ja Glück und der Einbrecher würde es vermeiden, sein Schlafzimmer zu betreten.

Oskar lag noch einige Minuten regungslos im Bett.
Nach dem Knall hatte er keine weiteren Geräusche wahrgenommen.
Also doch kein Einbrecher?
Vielleicht kam das Geräusch auch von draußen?
Oder es war am Ende doch die Shampoo Flasche?
Und überhaupt. Wieso sollte jemand etwas davon haben, ausgerechnet bei ihm einzubrechen?
Die Größe und das Aussehen der Wohnung sollte eigentlich jedem signalisieren, dass es hier nichts zu holen gab.
Also wieso sollte sich jemand die Mühe machen, in die Wohnung einzusteigen, nur um sie mit leeren Händen wieder zu verlassen?

Oskar wartete noch eine Weile ab, bis er sich ganz sicher war, dass sich niemand im Haus befand.
Er wollte im Bad nachsehen, ob sich dort alles an Ort und Stelle befand.
So leise wie möglich schlich er durch die Wohnung, während er peinlich genau darauf achtete, bloß keine Geräusche von sich zu geben.
Ihm war bewusst, dass das eigentlich nicht nötig war, da er sowieso keine Mitbewohner hatte, die er aufwecken könnte, doch die Gewohnheit ließ es nicht anders zu.

In den Jahren, in denen er noch zu Hause bei seinen Eltern wohnte, hatte er sich diese Eigenart angewöhnt.
Zu der Zeit war er immer bis spät in die Nacht wach geblieben.
Es war häufig vorgekommen, dass er Hunger bekam, während seine Eltern längst am Schlafen waren.
Mit der Zeit hatte er gelernt, sich so leise fortzubewegen, dass garantiert niemand dadurch wach wurde.
Damit konnte er auch den lästigen Diskussionen mit seiner Mutter aus dem Weg gehen, die ihm immer gepredigt hatte, dass zu wenig Schlaf schädlich für die Gesundheit sei.

Oskar öffnete die Tür zum Badezimmer und schaltete das Licht an.
Er ließ seinen Blick durch den kleinen Raum schweifen.
Nach wenigen Sekunden atmete er erleichtert aus.
Es waren keine Einbruchsspuren zu sehen und heruntergefallen war auch nichts.
Dann musste der laute Knall wohl doch von draußen gekommen sein.

Oskar verließ das Bad und wollte sich auf direktem Weg wieder in sein Zimmer begeben, doch dazu sollte es heute nicht mehr kommen.

Auf einmal ging alles ganz schnell.

Jemand hatte ihn von hinten umklammert und drückte ihm nun einen in Chloroform getränkten Waschlappen vor die Nase.
Oskar versuchte zu schreien und schlug wild um sich, doch er merkte schnell, dass seine Anstrengungen sinnlos waren.

Mit letzter Kraft versuchte er einen Blick auf das Gesicht des Angreifers zu erhaschen.
Was er dort sah, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren, bevor er schlussendlich das Bewusstsein verlor.

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