Kapitel 53

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„Das kann nicht sein…“
Freds Ungläubigkeit wandelte sich immer mehr zu purem Entsetzen, je länger er den Mann vor sich anstarrte.
„Wow, ich hätte nicht gedacht, dass du mich direkt wieder erkennen würdest. Ist schließlich schon eine Weile her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben.“
„Verdammt… Wie könnte ich je dein Gesicht vergessen?“
„Fred, was hat das zu bedeuten? Du kennst den Mann?“
„Flüchtig.“

Der Mann fing wieder unkontrolliert zu lachen an. Ohne den Stimmenverzerrer klang es wesentlich weniger bedrohlich.
„Sei doch nicht so bescheiden. Immerhin bin ich dein Vater.“
„Was?!“, riefen Oskar und Charlotta beinahe gleichzeitig.
„Nein, das bist du nicht. Ein richtiger Vater haut nicht einfach ab und lässt seine Kinder im Stich. Für mich bist du ein sadistischer Mörder, nichts weiter.“
„Tja, mag sein, dass du das so siehst. Aber in dir fließt mein Blut. Du kannst noch so oft verleugnen, dass ich dein Vater bin, die Realität sieht anders aus.“

Freds Augen füllten sich mit Tränen.
„Was willst du von mir…?“
Der Mann warf ihm einen verwirrten Blick zu.
„Nichts. Es ist ja nicht so, dass ich dich gebeten hätte, hier her zu kommen. Ich verrate dir jetzt mal was. Ich habe mich damals von deiner Mutter getrennt, weil sie mich zu sehr bei der Planung meines Projekts gestört hat. Ich wusste, dass sie regelmäßig Affären mit irgendwelchen Typen hatte, das habe ich bloß als Vorwand für die Trennung benutzt. Eigentlich war es mir vollkommen egal, wie sie ihre Freizeit gestaltet hat. Amalia und du wart für mich nichts weiter als zwei weitere Störfaktoren. Nach der Trennung hatte ich endlich genug Zeit, um diesen Keller zu bauen und alles für mein Lebenswerk vorzubereiten. Ich konnte mir meinen Traum erfüllen, das ist das Einzige, was mir wichtig ist.“

„Du bist ein ganz mieser Kerl…“
Der Mann legte ein fieses Grinsen auf.
„Als ich gehört habe, dass Susan von einer Brücke gestürzt ist, habe ich für einen kurzen Moment an euch Kinder gedacht. Ich hab mich gefragt, ob ihr wohl bei irgendeiner Familie unterkommt oder ob ihr auf der Straße endet. Zweiteres wäre natürlich amüsanter gewesen.“
Fred wirkte wie traumatisiert. Es war schwer zu akzeptieren, dass dieser widerliche Kerl tatsächlich sein Vater sein sollte.
Bisher hatte er ihn einfach für ein Arschloch gehalten, das mit der familiären Situation nicht klar kam und sich deswegen aus dem Staub gemacht hatte.
Doch die Wahrheit sah schlimmer aus.
Viel schlimmer.

„Fred, pass auf!“, rief Oskar, der als erster bemerkte, was der Mann, der sich Vater nannte, vorhatte.
Leider bekam Fred zu spät mit, was hier vor sich ging.
Auch Charlotta war völlig geschockt von den neuen Erkenntnissen.
Der Mann nutzte Freds bewegungsunfähigen Zustand aus, um ihm die Pistole aus der Hand zu reißen.
Oskar wusste, dass er etwas unternehmen musste.
Er war der Einzige, der nach diesen schrecklichen Informationen noch halbwegs klar denken konnte.
Allerdings hatte er keine Zeit, um großartig Pläne zu schmieden.
Entschlossen rannte er auf Charlotta zu und entriss ihr die Schusswaffe, woraufhin sie augenblicklich aus der Trance erwachte.

„Warte, was hast du vor?!“
„Na was wohl?“
Noch ehe Oskar den Abzug der Pistole drücken konnte, feuerte der Mann einen Schuss auf seinen Sohn ab, der daraufhin sofort zu Boden fiel.
Die Kugel hatte ihn mitten in die Brust getroffen.
Aus der Wunde trat unkontrolliert Blut aus.
In Windeseile bildete sich eine rote Pfütze um Freds leblosen Körper.
„Sie…Sie sind ein Monster…“, sagte Oskar mit schwacher, zittriger Stimme.
Der Mann wollte gerade erneut in schallendes Gelächter verfallen, da kippte sein Körper plötzlich unweigerlich nach vorne.
Oskar hatte ihm von hinten in den Rücken geschossen.
Es war schon unheimlich wie einfach es war, jemandem das Leben zu nehmen.

Er schwitzte und zitterte gleichzeitig am ganzen Körper.
Charlotta starrte ihn fassungslos an. Niemals hätte sie Oskar so eine Tat zugetraut.
Die Augen des Mannes waren weit aufgerissen und aus seinem Mund tropfte Blut.

„Na los, mach schon!“
„Was?“
„Öffne die Tür im Boden. Gwendolyn ist noch da unten. Ich rufe den Notarzt und bringe Fred hier weg. Es wäre wahrscheinlich nicht so gut für sie, wenn sie ihn so zu Gesicht bekommt…“

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