Kapitel 49

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Sie wagte es für einen kurzen Augenblick aufzuschauen, doch er stand mit dem Rücken zu ihr, als könnte er es ebenfalls nicht ertragen, sie anzusehen.

»Ich hab Lui angerufen. Er kommt dich abholen, genau hier. Warte ... einfach. Ich muss mit meinen Eltern reden«, sagte er und sie schluckte, denn ... Tora, oder das, was mal Tora war, lag schließlich immer noch mit ihr in einem Raum. Sie wusste nicht mal, ob er noch lebte. Oder ob er nur verletzt war. Ob ein Krankenwagen ihn vielleicht noch retten würde, irgendwas ... sie begann wieder zu zittern.

Er zögerte noch kurz, sah so aus als wollte er sich umdrehen, tat es dann aber doch nicht und lief ohne weiteres aus dem kleinen Raum. Alice blieb bewegungslos zurück. Ryu hätte sie niemals mit ihm allein gelassen, wenn Tora noch am Leben wär. Das müsste heißen ... Sie schüttelte den Kopf und versuchte an etwas anderes zu denken. Am liebsten hätte sie jetzt einfach noch ein paar Shots getrunken. Zehn ungefähr, vielleicht auch zwanzig um sicherzugehen, dass sie nicht mehr denken, fühlen und spüren konnte. Die Schmerzen an ihrer Schulter wurden immer stärker umso mehr Zeit verging und ein wenig tropfte von der Wunde sogar noch an ihrer Schulter hinunter.

Nach einer Weile, die ihr vorkam wie Stunden, öffnete sich die Tür vorsichtig und eine Hand legte sich auf ihre unverletzten Schulter, die Gott sei Dank nicht Ryus Hand war.

»Hey, Alice«, sagte Lui sanft und sie hob den Kopf an. Er lächelte sie leicht an. »Kannst du aufstehen?«

Alice nickte, immer noch schluchzend und versuchte sich aufzurichten, hielt sich irgendwie halber an Lui fest.

»Schau am besten nicht nach rechts«, sagte er und fixierte etwas neben ihr, als er ihr Kleid aufhob. »Schaffst du das?«

Alice nickte wieder und wimmerte, als sie die Arme hob, damit Lui ihr das Kleid überziehen konnte, was aufgrund der Wunde verdammt schmerzhaft war.

»Okay«, hauchte er dann leise und stützte sie. »Lass uns gehen.«

»Lui?«, fragte sie leise und hielt sich an ihm fest. Ihre Stimme war nur noch ein leises Piepsen. »Kannst du mich ... nach Hause bringen?«

Er sah sie lang an, ehe er nickte. »Natürlich.«

»Danke«, wisperte sie, und bekam gar nicht mehr so richtig mit, wie sie durch die Menschenmassen nach draußen gingen zu seinem Auto. Er half ihr, sich anzuschnallen und setzte sich dann ans Steuer, schaltete das Navi ein, welches ihn die Richtung zur Universität wies. Auf dem Weg dorthin schlief sie ein und das einzige, was sie in ihren Träumen sah, waren Ryus tieftraurige Augen. Am Wohnheim der Uni angekommen half Lui ihr auch beim Aussteigen.

»Wo ist dein Zimmer?«, fragte er, denn sie war immer noch halb im Schlaf.

»Zweiter Stock. Zimmer 22«, murmelte sie, ließ sich mehr oder weniger von Lui die Treppen hoch schleppen. Sie wollte einfach nur schlafen und vergessen. Einfach alles vergessen. Vielleicht würde sie morgen einige Freunde aus der Uni suchen und fragen, ob die Lust hätten, sich so richtig zu besaufen.

Lui setzte sie vor der Tür ab. »Kommst du denn überhaupt rein?«, fragte er und Alice nickte halb wach. Dann beugte sie sich runter und holte unter einer Pflanze die vor der Tür stand einen Schlüssel hervor.

»Das ist aber ganz schön gefährlich ...«

»Und praktisch.« In Nullkommanichts hatte sie die Tür geöffnet und kam sich vor als würde sie nach Jahrhunderten wieder zurückkehren. Sie musste ein wenig lächeln, denn irgendwie freute sie sich darauf wieder hier zu schlafen. Auch wenn es etwas einsam werden konnte, ohne Kaya.

»Ganz schön groß für eine Studentin.«

»Ich war auch nicht alleine hier ...«

»Oh«, machte Lui und senkte den Blick. »Schaffst dus alleine? Soll ich Alois anrufen oder so? Geht's dir gut?«

MaliceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt